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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Auf das absterben
Fr. Eleonoren von Tarnauin,
geb. von Fürstin, 1685. in Breßlau.
Chr. Knorr.
VErzeihe, Seelige! daß ich bey deinem grabe,
Dein bildniß noch einmal darff aus dem sarge ziehn,
Der vorsatz, den hierbey ich in dem hertzen habe,
Jst, daß dein hoher ruhm soll nach dem tode blühn.
Die asche soll von dir in blumen sich verkehren,
Von denen meine faust dir einen crantz verspricht,
Den keiner raute gifft, kein schimmel kan verzehren:
Denn wahre tugend stirbt auch nach dem tode nicht.
Jch weiß zwar, daß ein thor hat in die welt geschrieben:
Die tugend wäre nur der männer eigenthum;
Es könte dieses bild kein frauen-hertze lieben,
Denn großmuth zeuge bloß den wahren ehren-ruhm;
Allein welch kluger geist wird solchen wahnwitz hegen,
Als ziere dieses gold nicht auch der frauen haupt?
Gewiß, man solte den bey schlang und ottern legen,
Der dis geschlechte schimpfft, und dessen ehre raubt.
Jst gleich das erste weib aus Adams ribbe kommen,
So war sie doch, wie er, des Höchsten ebenbild,
Der fleisch zu ihrem bau, zu jenem leim genommen,
Und beyd' auf einen schlag mit seiner krafft erfüllt.
Die schrifften lassen uns viel solcher weiber schauen,
Die es an tugenden den männern vorgethan;
Es darff sie kein Bernin in festen marmel hauen,
Wer ihre tempel sucht, der sehe bücher an.
Des Höchsten finger selbst hat ihren ruhm beschrieben.
Jhr lob steht oben an in Sirachs cancelley.
Hier hat er seinen kiel den sternen gleich, getrieben,
Zu zeigen, daß ihr glantz nicht zu erreichen sey.
Gewiß, ein weibes-bild von englischen geberden,
Die wahre gottesfurcht in reiner seelen hegt.
Bey der vernunfft und zucht vertraute schwestern werden,
Die aller worte gold auf kluge schaalen legt,
Die
K 5
Begraͤbniß-Gedichte.
Auf das abſterben
Fr. Eleonoren von Tarnauin,
geb. von Fuͤrſtin, 1685. in Breßlau.
Chr. Knorr.
VErzeihe, Seelige! daß ich bey deinem grabe,
Dein bildniß noch einmal darff aus dem ſarge ziehn,
Der vorſatz, den hierbey ich in dem hertzen habe,
Jſt, daß dein hoher ruhm ſoll nach dem tode bluͤhn.
Die aſche ſoll von dir in blumen ſich verkehren,
Von denen meine fauſt dir einen crantz verſpricht,
Den keiner raute gifft, kein ſchimmel kan verzehren:
Denn wahre tugend ſtirbt auch nach dem tode nicht.
Jch weiß zwar, daß ein thor hat in die welt geſchrieben:
Die tugend waͤre nur der maͤnner eigenthum;
Es koͤnte dieſes bild kein frauen-hertze lieben,
Denn großmuth zeuge bloß den wahren ehren-ruhm;
Allein welch kluger geiſt wird ſolchen wahnwitz hegen,
Als ziere dieſes gold nicht auch der frauen haupt?
Gewiß, man ſolte den bey ſchlang und ottern legen,
Der dis geſchlechte ſchimpfft, und deſſen ehre raubt.
Jſt gleich das erſte weib aus Adams ribbe kommen,
So war ſie doch, wie er, des Hoͤchſten ebenbild,
Der fleiſch zu ihrem bau, zu jenem leim genommen,
Und beyd’ auf einen ſchlag mit ſeiner krafft erfuͤllt.
Die ſchrifften laſſen uns viel ſolcher weiber ſchauen,
Die es an tugenden den maͤnnern vorgethan;
Es darff ſie kein Bernin in feſten marmel hauen,
Wer ihre tempel ſucht, der ſehe buͤcher an.
Des Hoͤchſten finger ſelbſt hat ihren ruhm beſchrieben.
Jhr lob ſteht oben an in Sirachs cancelley.
Hier hat er ſeinen kiel den ſternen gleich, getrieben,
Zu zeigen, daß ihr glantz nicht zu erreichen ſey.
Gewiß, ein weibes-bild von engliſchen geberden,
Die wahre gottesfurcht in reiner ſeelen hegt.
Bey der vernunfft und zucht vertraute ſchweſtern werden,
Die aller worte gold auf kluge ſchaalen legt,
Die
K 5
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[153/0155] Begraͤbniß-Gedichte. Auf das abſterben Fr. Eleonoren von Tarnauin, geb. von Fuͤrſtin, 1685. in Breßlau. Chr. Knorr. VErzeihe, Seelige! daß ich bey deinem grabe, Dein bildniß noch einmal darff aus dem ſarge ziehn, Der vorſatz, den hierbey ich in dem hertzen habe, Jſt, daß dein hoher ruhm ſoll nach dem tode bluͤhn. Die aſche ſoll von dir in blumen ſich verkehren, Von denen meine fauſt dir einen crantz verſpricht, Den keiner raute gifft, kein ſchimmel kan verzehren: Denn wahre tugend ſtirbt auch nach dem tode nicht. Jch weiß zwar, daß ein thor hat in die welt geſchrieben: Die tugend waͤre nur der maͤnner eigenthum; Es koͤnte dieſes bild kein frauen-hertze lieben, Denn großmuth zeuge bloß den wahren ehren-ruhm; Allein welch kluger geiſt wird ſolchen wahnwitz hegen, Als ziere dieſes gold nicht auch der frauen haupt? Gewiß, man ſolte den bey ſchlang und ottern legen, Der dis geſchlechte ſchimpfft, und deſſen ehre raubt. Jſt gleich das erſte weib aus Adams ribbe kommen, So war ſie doch, wie er, des Hoͤchſten ebenbild, Der fleiſch zu ihrem bau, zu jenem leim genommen, Und beyd’ auf einen ſchlag mit ſeiner krafft erfuͤllt. Die ſchrifften laſſen uns viel ſolcher weiber ſchauen, Die es an tugenden den maͤnnern vorgethan; Es darff ſie kein Bernin in feſten marmel hauen, Wer ihre tempel ſucht, der ſehe buͤcher an. Des Hoͤchſten finger ſelbſt hat ihren ruhm beſchrieben. Jhr lob ſteht oben an in Sirachs cancelley. Hier hat er ſeinen kiel den ſternen gleich, getrieben, Zu zeigen, daß ihr glantz nicht zu erreichen ſey. Gewiß, ein weibes-bild von engliſchen geberden, Die wahre gottesfurcht in reiner ſeelen hegt. Bey der vernunfft und zucht vertraute ſchweſtern werden, Die aller worte gold auf kluge ſchaalen legt, Die K 5

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/155>, abgerufen am 23.11.2024.