Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Hochzeit-Gedichte.
Das bey eben derselben erwogne
glücke des Herrn Bräutigams.

G. Stolle.
MEin Freund! Mein ander Jch! dein wachsendes gelücke
Macht, daß ich meinen flor halb von den augen zieh:
Daß ich mein trübes ach auf eine zeit verdrücke,
Und mich bey deiner lust um einen vers bemüh'.
Er wird zwar nicht so rein und nett, als deiner, fliessen:
Mein unstern hat in mir den alten trieb ersteckt;
Doch weil sich Ephraim und Dorothea küssen,
So wird der matte geist doch etwas aufgeweckt.
Jch wag es dann getrost. Vielleicht flößt deine liebe
Bey meiner herben noth mir noch was süßes ein.
Und rinnt die Hypoeren in meinen versen trübe,
So wird mein wille doch ohn allen tadel seyn.
Du bist vor langer zeit der Weisheit nachgegangen,
Die weder Socrates noch Antoninus zeigt.
Der himmel ließ dich auch den edlen zweck erlangen,
Und hat dir ihre gunst vollkommen zugeneigt.
Sie hat dein hertze dann in ihren port gezogen,
Das wie ein schwehres schiff im meere dieser welt
Bey ungestümer lufft immittelst well und wogen,
Den vorgesteckten lauf, trotz nacht und donner! hält.
Du hast das göldne Fließ, so Jason nie erblicket,
Die ruhe des gemüths durch ihren trieb erreicht;
So fern es in der welt den sterblichen gelücket,
Allwo der wetter-sturm auch offt im hafen streicht.
Drum hat Saline dir der weisheit erantz geschencket:
Drum hast du auch bisher nicht ohne krafft gelehrt.
Jhr, die ihr euren sinn auf faule lüste lencket,
Seht, ob ihr auch dereinst dergleichen lob-spruch hört.
Die, welche du bisher vernünfftig unterrichtet:
Die, welchen nichts so lieb, als deine freundschafft ist,
Sind zeugen, daß ich dir nichts fremdes angedichtet:
Sind zeugen, daß man hier die klare wahrheit liest.
So
Hochzeit-Gedichte.
Das bey eben derſelben erwogne
gluͤcke des Herrn Braͤutigams.

G. Stolle.
MEin Freund! Mein ander Jch! dein wachſendes geluͤcke
Macht, daß ich meinen flor halb von den augen zieh:
Daß ich mein truͤbes ach auf eine zeit verdruͤcke,
Und mich bey deiner luſt um einen vers bemuͤh’.
Er wird zwar nicht ſo rein und nett, als deiner, flieſſen:
Mein unſtern hat in mir den alten trieb erſteckt;
Doch weil ſich Ephraim und Dorothea kuͤſſen,
So wird der matte geiſt doch etwas aufgeweckt.
Jch wag es dann getroſt. Vielleicht floͤßt deine liebe
Bey meiner herben noth mir noch was ſuͤßes ein.
Und rinnt die Hypoeren in meinen verſen truͤbe,
So wird mein wille doch ohn allen tadel ſeyn.
Du biſt vor langer zeit der Weisheit nachgegangen,
Die weder Socrates noch Antoninus zeigt.
Der himmel ließ dich auch den edlen zweck erlangen,
Und hat dir ihre gunſt vollkommen zugeneigt.
Sie hat dein hertze dann in ihren port gezogen,
Das wie ein ſchwehres ſchiff im meere dieſer welt
Bey ungeſtuͤmer lufft immittelſt well und wogen,
Den vorgeſteckten lauf, trotz nacht und donner! haͤlt.
Du haſt das goͤldne Fließ, ſo Jaſon nie erblicket,
Die ruhe des gemuͤths durch ihren trieb erreicht;
So fern es in der welt den ſterblichen geluͤcket,
Allwo der wetter-ſturm auch offt im hafen ſtreicht.
Drum hat Saline dir der weisheit erantz geſchencket:
Drum haſt du auch bisher nicht ohne krafft gelehrt.
Jhr, die ihr euren ſinn auf faule luͤſte lencket,
Seht, ob ihr auch dereinſt dergleichen lob-ſpruch hoͤrt.
Die, welche du bisher vernuͤnfftig unterrichtet:
Die, welchen nichts ſo lieb, als deine freundſchafft iſt,
Sind zeugen, daß ich dir nichts fremdes angedichtet:
Sind zeugen, daß man hier die klare wahrheit lieſt.
So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0100" n="98"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hochzeit-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Das bey eben der&#x017F;elben erwogne<lb/>
glu&#x0364;cke des Herrn Bra&#x0364;utigams.</hi><lb/>
G. Stolle.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">M</hi>Ein Freund! Mein ander Jch! dein wach&#x017F;endes gelu&#x0364;cke</l><lb/>
          <l>Macht, daß ich meinen flor halb von den augen zieh:</l><lb/>
          <l>Daß ich mein tru&#x0364;bes ach auf eine zeit verdru&#x0364;cke,</l><lb/>
          <l>Und mich bey deiner lu&#x017F;t um einen vers bemu&#x0364;h&#x2019;.</l><lb/>
          <l>Er wird zwar nicht &#x017F;o rein und nett, als deiner, flie&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
          <l>Mein un&#x017F;tern hat in mir den alten trieb er&#x017F;teckt;</l><lb/>
          <l>Doch weil &#x017F;ich Ephraim und Dorothea ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>So wird der matte gei&#x017F;t doch etwas aufgeweckt.</l><lb/>
          <l>Jch wag es dann getro&#x017F;t. Vielleicht flo&#x0364;ßt deine liebe</l><lb/>
          <l>Bey meiner herben noth mir noch was &#x017F;u&#x0364;ßes ein.</l><lb/>
          <l>Und rinnt die Hypoeren in meinen ver&#x017F;en tru&#x0364;be,</l><lb/>
          <l>So wird mein wille doch ohn allen tadel &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Du bi&#x017F;t vor langer zeit der Weisheit nachgegangen,</l><lb/>
          <l>Die weder Socrates noch Antoninus zeigt.</l><lb/>
          <l>Der himmel ließ dich auch den edlen zweck erlangen,</l><lb/>
          <l>Und hat dir ihre gun&#x017F;t vollkommen zugeneigt.</l><lb/>
          <l>Sie hat dein hertze dann in ihren port gezogen,</l><lb/>
          <l>Das wie ein &#x017F;chwehres &#x017F;chiff im meere die&#x017F;er welt</l><lb/>
          <l>Bey unge&#x017F;tu&#x0364;mer lufft immittel&#x017F;t well und wogen,</l><lb/>
          <l>Den vorge&#x017F;teckten lauf, trotz nacht und donner! ha&#x0364;lt.</l><lb/>
          <l>Du ha&#x017F;t das go&#x0364;ldne Fließ, &#x017F;o Ja&#x017F;on nie erblicket,</l><lb/>
          <l>Die ruhe des gemu&#x0364;ths durch ihren trieb erreicht;</l><lb/>
          <l>So fern es in der welt den &#x017F;terblichen gelu&#x0364;cket,</l><lb/>
          <l>Allwo der wetter-&#x017F;turm auch offt im hafen &#x017F;treicht.</l><lb/>
          <l>Drum hat Saline dir der weisheit erantz ge&#x017F;chencket:</l><lb/>
          <l>Drum ha&#x017F;t du auch bisher nicht ohne krafft gelehrt.</l><lb/>
          <l>Jhr, die ihr euren &#x017F;inn auf faule lu&#x0364;&#x017F;te lencket,</l><lb/>
          <l>Seht, ob ihr auch derein&#x017F;t dergleichen lob-&#x017F;pruch ho&#x0364;rt.</l><lb/>
          <l>Die, welche du bisher vernu&#x0364;nfftig unterrichtet:</l><lb/>
          <l>Die, welchen nichts &#x017F;o lieb, als deine freund&#x017F;chafft i&#x017F;t,</l><lb/>
          <l>Sind zeugen, daß ich dir nichts fremdes angedichtet:</l><lb/>
          <l>Sind zeugen, daß man hier die klare wahrheit lie&#x017F;t.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0100] Hochzeit-Gedichte. Das bey eben derſelben erwogne gluͤcke des Herrn Braͤutigams. G. Stolle. MEin Freund! Mein ander Jch! dein wachſendes geluͤcke Macht, daß ich meinen flor halb von den augen zieh: Daß ich mein truͤbes ach auf eine zeit verdruͤcke, Und mich bey deiner luſt um einen vers bemuͤh’. Er wird zwar nicht ſo rein und nett, als deiner, flieſſen: Mein unſtern hat in mir den alten trieb erſteckt; Doch weil ſich Ephraim und Dorothea kuͤſſen, So wird der matte geiſt doch etwas aufgeweckt. Jch wag es dann getroſt. Vielleicht floͤßt deine liebe Bey meiner herben noth mir noch was ſuͤßes ein. Und rinnt die Hypoeren in meinen verſen truͤbe, So wird mein wille doch ohn allen tadel ſeyn. Du biſt vor langer zeit der Weisheit nachgegangen, Die weder Socrates noch Antoninus zeigt. Der himmel ließ dich auch den edlen zweck erlangen, Und hat dir ihre gunſt vollkommen zugeneigt. Sie hat dein hertze dann in ihren port gezogen, Das wie ein ſchwehres ſchiff im meere dieſer welt Bey ungeſtuͤmer lufft immittelſt well und wogen, Den vorgeſteckten lauf, trotz nacht und donner! haͤlt. Du haſt das goͤldne Fließ, ſo Jaſon nie erblicket, Die ruhe des gemuͤths durch ihren trieb erreicht; So fern es in der welt den ſterblichen geluͤcket, Allwo der wetter-ſturm auch offt im hafen ſtreicht. Drum hat Saline dir der weisheit erantz geſchencket: Drum haſt du auch bisher nicht ohne krafft gelehrt. Jhr, die ihr euren ſinn auf faule luͤſte lencket, Seht, ob ihr auch dereinſt dergleichen lob-ſpruch hoͤrt. Die, welche du bisher vernuͤnfftig unterrichtet: Die, welchen nichts ſo lieb, als deine freundſchafft iſt, Sind zeugen, daß ich dir nichts fremdes angedichtet: Sind zeugen, daß man hier die klare wahrheit lieſt. So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/100
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/100>, abgerufen am 12.12.2024.