Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.

Bild:
<< vorherige Seite
verliebte Gedichte.
Als ihm eine Freundin schrieb: Sei-
ne erste Liebste hätte ihm einander
weggenommen
C. H.
EJtrone/ flor und boy und trauer-mantel her!
Jch will und muß mich itzt als einen wittwer kleiden/
Mein liebes-tempel wird an seiner Göttinn leer/
Wer wolte diesen raub wol ohn' empfindung leiden?
Jch habe sie zwar noch mit augen nicht gefehn;
Doch aber abgemahlt in einer freundinn schreiben/
Es hieß: soll deiner brust und liebe wohl geschehn/
So komm' und säume nicht dich glücklich zu beweiben.
Jch habe sie auch noch mit opffern nicht verehrt:
Doch brannte lichterloh der weyrauch in gedancken;
Jch fieng/ ob hätte man von grössrer glut gehört/
Auch mit den liebenden aus eyfer an zu zancken.
Die küsse zehlt ich schon jedweder stunde zu/
Wie viel der nachmittag/ der abend und das bette/
Wie viel die morgen-zeit nach hingelegter ruh/
An statt des aqvavits und frühstück nöhtig hätte.
Es machte täglich mehr als hundert tausend aus/
(Wer rechnet sie wie viel auf eine stunde kommen?)
Doch kamen ihrer noch vor mich zu wenig raus/
Jch dachte/ hab ich si[e] nur in den arm genommen/
So steigt die nasse zahl wol zehnmahl höher an/
Und solte gleich der mund dabey zu drümern gehn/
Denn sonst zerlechste ja der liebe schöner kahn/
Wenn er bey dieser gluht im trocknen solte stehen.
Die süsse sehnsucht nahm mir alle glieder ein:
Die augen fiederten sich mit verliebten pfeilen;
Jhr köcher war so voll/ so überhäufft sein schein;
Daß sich vor selbigem die lüffte musten theilen.
Die wangen zeigten auch die regung durch ein bild/
Und wolten treue-seyn auf ihren schildern führen/
Ein
Hofm. w. IV. Th. D
verliebte Gedichte.
Als ihm eine Freundin ſchrieb: Sei-
ne erſte Liebſte haͤtte ihm einander
weggenommen
C. H.
EJtrone/ flor und boy und trauer-mantel her!
Jch will und muß mich itzt als einen wittwer kleiden/
Mein liebes-tempel wird an ſeiner Goͤttinn leer/
Wer wolte dieſen raub wol ohn’ empfindung leiden?
Jch habe ſie zwar noch mit augen nicht gefehn;
Doch aber abgemahlt in einer freundinn ſchreiben/
Es hieß: ſoll deiner bruſt und liebe wohl geſchehn/
So komm’ und ſaͤume nicht dich gluͤcklich zu beweiben.
Jch habe ſie auch noch mit opffern nicht verehrt:
Doch brannte lichterloh der weyrauch in gedancken;
Jch fieng/ ob haͤtte man von groͤſſrer glut gehoͤrt/
Auch mit den liebenden aus eyfer an zu zancken.
Die kuͤſſe zehlt ich ſchon jedweder ſtunde zu/
Wie viel der nachmittag/ der abend und das bette/
Wie viel die morgen-zeit nach hingelegter ruh/
An ſtatt des aqvavits und fruͤhſtuͤck noͤhtig haͤtte.
Es machte taͤglich mehr als hundert tauſend aus/
(Wer rechnet ſie wie viel auf eine ſtunde kommen?)
Doch kamen ihrer noch vor mich zu wenig raus/
Jch dachte/ hab ich ſi[e] nur in den arm genommen/
So ſteigt die naſſe zahl wol zehnmahl hoͤher an/
Und ſolte gleich der mund dabey zu druͤmern gehn/
Denn ſonſt zerlechſte ja der liebe ſchoͤner kahn/
Wenn er bey dieſer gluht im trocknen ſolte ſtehen.
Die ſuͤſſe ſehnſucht nahm mir alle glieder ein:
Die augen fiederten ſich mit verliebten pfeilen;
Jhr koͤcher war ſo voll/ ſo uͤberhaͤufft ſein ſchein;
Daß ſich vor ſelbigem die luͤffte muſten theilen.
Die wangen zeigten auch die regung durch ein bild/
Und wolten treue-ſeyn auf ihren ſchildern fuͤhren/
Ein
Hofm. w. IV. Th. D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0051" n="49"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">verliebte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Als ihm eine Freundin &#x017F;chrieb: Sei-<lb/>
ne er&#x017F;te Lieb&#x017F;te ha&#x0364;tte ihm einander<lb/>
weggenommen<lb/>
C. H.</hi> </head><lb/>
          <lg>
            <l><hi rendition="#in">E</hi>Jtrone/ flor und boy und trauer-mantel her!</l><lb/>
            <l>Jch will und muß mich itzt als einen wittwer kleiden/</l><lb/>
            <l>Mein liebes-tempel wird an &#x017F;einer Go&#x0364;ttinn leer/</l><lb/>
            <l>Wer wolte die&#x017F;en raub wol ohn&#x2019; empfindung leiden?</l><lb/>
            <l>Jch habe &#x017F;ie zwar noch mit augen nicht gefehn;</l><lb/>
            <l>Doch aber abgemahlt in einer freundinn &#x017F;chreiben/</l><lb/>
            <l>Es hieß: &#x017F;oll deiner bru&#x017F;t und liebe wohl ge&#x017F;chehn/</l><lb/>
            <l>So komm&#x2019; und &#x017F;a&#x0364;ume nicht dich glu&#x0364;cklich zu beweiben.</l><lb/>
            <l>Jch habe &#x017F;ie auch noch mit opffern nicht verehrt:</l><lb/>
            <l>Doch brannte lichterloh der weyrauch in gedancken;</l><lb/>
            <l>Jch fieng/ ob ha&#x0364;tte man von gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;rer glut geho&#x0364;rt/</l><lb/>
            <l>Auch mit den liebenden aus eyfer an zu zancken.</l><lb/>
            <l>Die ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zehlt ich &#x017F;chon jedweder &#x017F;tunde zu/</l><lb/>
            <l>Wie viel der nachmittag/ der abend und das bette/</l><lb/>
            <l>Wie viel die morgen-zeit nach hingelegter ruh/</l><lb/>
            <l>An &#x017F;tatt des aqvavits und fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck no&#x0364;htig ha&#x0364;tte.</l><lb/>
            <l>Es machte ta&#x0364;glich mehr als hundert tau&#x017F;end aus/</l><lb/>
            <l>(Wer rechnet &#x017F;ie wie viel auf eine &#x017F;tunde kommen?)</l><lb/>
            <l>Doch kamen ihrer noch vor mich zu wenig raus/</l><lb/>
            <l>Jch dachte/ hab ich &#x017F;i<supplied>e</supplied> nur in den arm genommen/</l><lb/>
            <l>So &#x017F;teigt die na&#x017F;&#x017F;e zahl wol zehnmahl ho&#x0364;her an/</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;olte gleich der mund dabey zu dru&#x0364;mern gehn/</l><lb/>
            <l>Denn &#x017F;on&#x017F;t zerlech&#x017F;te ja der liebe &#x017F;cho&#x0364;ner kahn/</l><lb/>
            <l>Wenn er bey die&#x017F;er gluht im trocknen &#x017F;olte &#x017F;tehen.</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ehn&#x017F;ucht nahm mir alle glieder ein:</l><lb/>
            <l>Die augen fiederten &#x017F;ich mit verliebten pfeilen;</l><lb/>
            <l>Jhr ko&#x0364;cher war &#x017F;o voll/ &#x017F;o u&#x0364;berha&#x0364;ufft &#x017F;ein &#x017F;chein;</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ich vor &#x017F;elbigem die lu&#x0364;ffte mu&#x017F;ten theilen.</l><lb/>
            <l>Die wangen zeigten auch die regung durch ein bild/</l><lb/>
            <l>Und wolten treue-&#x017F;eyn auf ihren &#x017F;childern fu&#x0364;hren/</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Hofm. w. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Th. D</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Ein</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0051] verliebte Gedichte. Als ihm eine Freundin ſchrieb: Sei- ne erſte Liebſte haͤtte ihm einander weggenommen C. H. EJtrone/ flor und boy und trauer-mantel her! Jch will und muß mich itzt als einen wittwer kleiden/ Mein liebes-tempel wird an ſeiner Goͤttinn leer/ Wer wolte dieſen raub wol ohn’ empfindung leiden? Jch habe ſie zwar noch mit augen nicht gefehn; Doch aber abgemahlt in einer freundinn ſchreiben/ Es hieß: ſoll deiner bruſt und liebe wohl geſchehn/ So komm’ und ſaͤume nicht dich gluͤcklich zu beweiben. Jch habe ſie auch noch mit opffern nicht verehrt: Doch brannte lichterloh der weyrauch in gedancken; Jch fieng/ ob haͤtte man von groͤſſrer glut gehoͤrt/ Auch mit den liebenden aus eyfer an zu zancken. Die kuͤſſe zehlt ich ſchon jedweder ſtunde zu/ Wie viel der nachmittag/ der abend und das bette/ Wie viel die morgen-zeit nach hingelegter ruh/ An ſtatt des aqvavits und fruͤhſtuͤck noͤhtig haͤtte. Es machte taͤglich mehr als hundert tauſend aus/ (Wer rechnet ſie wie viel auf eine ſtunde kommen?) Doch kamen ihrer noch vor mich zu wenig raus/ Jch dachte/ hab ich ſie nur in den arm genommen/ So ſteigt die naſſe zahl wol zehnmahl hoͤher an/ Und ſolte gleich der mund dabey zu druͤmern gehn/ Denn ſonſt zerlechſte ja der liebe ſchoͤner kahn/ Wenn er bey dieſer gluht im trocknen ſolte ſtehen. Die ſuͤſſe ſehnſucht nahm mir alle glieder ein: Die augen fiederten ſich mit verliebten pfeilen; Jhr koͤcher war ſo voll/ ſo uͤberhaͤufft ſein ſchein; Daß ſich vor ſelbigem die luͤffte muſten theilen. Die wangen zeigten auch die regung durch ein bild/ Und wolten treue-ſeyn auf ihren ſchildern fuͤhren/ Ein Hofm. w. IV. Th. D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/51
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/51>, abgerufen am 23.11.2024.