Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.Begräbniß-Gedichte. Wie würdet ihr darein mit gleichen füssen springen.Jch weiß ihr seyd nun satt/ doch eh die lippe soll Die knochen/ faule särg' und leichen-würmer lassen/ So nehmet noch zuvor die beyden augen voll/ Und schaut mit selbigen durch die geschminckten gassen Des andern Babylons/ vielleicht rührt euch ein straal/ Der alles dieß verbrennt/ was nach der erde riechet/ Vielleicht erseht ihr/ daß die welt ein thränen-saal/ Daß alles/ was hier läufft/ zu seinem grabe kriechet. Gebt achtung ob der todt nicht mit den menschen spielt/ Wie wellen und orcan mit den erschrocknen schiffen/ Ob nicht derselben leib/ offt eh' er noch was fühlt/ Durch ihn auf sein altar zum opffer wird ergriffen. Nun schau ich wie ein schein so eure nacht verjagt/ Wie ihr das auge selbst zu denen gräbern wendet/ Und diese regungen nebst jener zeit beklagt/ Da ihr der wollust euch zu sclaven habt verpfändet. Jtzt kehrt ihr wohlbedacht noch in geraumen um/ Und gebt der flatternden vernunfft die grufft zum zügel/ Jhr überlaßt die welt/ der wollust eigenthum/ Den gaucklern des betrugs zu einem zauber-spiel. Sterbt nun derselben ab/ in der ihr vor gelebt Als halb-verstorbene/ verbrennt die myrten-sträuche; Dem purpur/ den ihr euch zum leben künfftig webt/ Entlehnet seinen glantz von einer frischen leiche. So lebt ihr sterbende/ und seyd lebendig tod/ Und könnet bey und in der grufft den himmel finden/ Den hafen/ wo das schiff des lebens aus der noht/ Und wo der eitelkeit gewölcke muß verschwinden. Bricht gleich das spiegel-glas der wollust hier entzwey/ Bleibt doch der diamant der tugend unzerspalten/ Und erbet einen schatz vor die gefärbte spreu/ Dem auch die last der welt nicht kan die wage halten. Beglückter wechsel! da euch itzt die grufft erfreut/ Bey der euch vor das haar zu berge wolte stehen/ Nun
Begraͤbniß-Gedichte. Wie wuͤrdet ihr darein mit gleichen fuͤſſen ſpringen.Jch weiß ihr ſeyd nun ſatt/ doch eh die lippe ſoll Die knochen/ faule ſaͤrg’ und leichen-wuͤrmer laſſen/ So nehmet noch zuvor die beyden augen voll/ Und ſchaut mit ſelbigen durch die geſchminckten gaſſen Des andern Babylons/ vielleicht ruͤhrt euch ein ſtraal/ Der alles dieß verbrennt/ was nach der erde riechet/ Vielleicht erſeht ihr/ daß die welt ein thraͤnen-ſaal/ Daß alles/ was hier laͤufft/ zu ſeinem grabe kriechet. Gebt achtung ob der todt nicht mit den menſchen ſpielt/ Wie wellen und orcan mit den erſchrocknen ſchiffen/ Ob nicht derſelben leib/ offt eh’ er noch was fuͤhlt/ Durch ihn auf ſein altar zum opffer wird ergriffen. Nun ſchau ich wie ein ſchein ſo eure nacht verjagt/ Wie ihr das auge ſelbſt zu denen graͤbern wendet/ Und dieſe regungen nebſt jener zeit beklagt/ Da ihr der wolluſt euch zu ſclaven habt verpfaͤndet. Jtzt kehrt ihr wohlbedacht noch in geraumen um/ Und gebt der flatternden vernunfft die grufft zum zuͤgel/ Jhr uͤberlaßt die welt/ der wolluſt eigenthum/ Den gaucklern des betrugs zu einem zauber-ſpiel. Sterbt nun derſelben ab/ in der ihr vor gelebt Als halb-verſtorbene/ verbrennt die myrten-ſtraͤuche; Dem purpur/ den ihr euch zum leben kuͤnfftig webt/ Entlehnet ſeinen glantz von einer friſchen leiche. So lebt ihr ſterbende/ und ſeyd lebendig tod/ Und koͤnnet bey und in der grufft den himmel finden/ Den hafen/ wo das ſchiff des lebens aus der noht/ Und wo der eitelkeit gewoͤlcke muß verſchwinden. Bricht gleich das ſpiegel-glas der wolluſt hier entzwey/ Bleibt doch der diamant der tugend unzerſpalten/ Und erbet einen ſchatz vor die gefaͤrbte ſpreu/ Dem auch die laſt der welt nicht kan die wage halten. Begluͤckter wechſel! da euch itzt die grufft erfreut/ Bey der euch vor das haar zu berge wolte ſtehen/ Nun
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Begraͤbniß-Gedichte.
Wie wuͤrdet ihr darein mit gleichen fuͤſſen ſpringen.
Jch weiß ihr ſeyd nun ſatt/ doch eh die lippe ſoll
Die knochen/ faule ſaͤrg’ und leichen-wuͤrmer laſſen/
So nehmet noch zuvor die beyden augen voll/
Und ſchaut mit ſelbigen durch die geſchminckten gaſſen
Des andern Babylons/ vielleicht ruͤhrt euch ein
ſtraal/
Der alles dieß verbrennt/ was nach der erde riechet/
Vielleicht erſeht ihr/ daß die welt ein thraͤnen-ſaal/
Daß alles/ was hier laͤufft/ zu ſeinem grabe kriechet.
Gebt achtung ob der todt nicht mit den menſchen ſpielt/
Wie wellen und orcan mit den erſchrocknen ſchiffen/
Ob nicht derſelben leib/ offt eh’ er noch was fuͤhlt/
Durch ihn auf ſein altar zum opffer wird ergriffen.
Nun ſchau ich wie ein ſchein ſo eure nacht verjagt/
Wie ihr das auge ſelbſt zu denen graͤbern wendet/
Und dieſe regungen nebſt jener zeit beklagt/
Da ihr der wolluſt euch zu ſclaven habt verpfaͤndet.
Jtzt kehrt ihr wohlbedacht noch in geraumen um/
Und gebt der flatternden vernunfft die grufft zum zuͤgel/
Jhr uͤberlaßt die welt/ der wolluſt eigenthum/
Den gaucklern des betrugs zu einem zauber-ſpiel.
Sterbt nun derſelben ab/ in der ihr vor gelebt
Als halb-verſtorbene/ verbrennt die myrten-ſtraͤuche;
Dem purpur/ den ihr euch zum leben kuͤnfftig webt/
Entlehnet ſeinen glantz von einer friſchen leiche.
So lebt ihr ſterbende/ und ſeyd lebendig tod/
Und koͤnnet bey und in der grufft den himmel finden/
Den hafen/ wo das ſchiff des lebens aus der noht/
Und wo der eitelkeit gewoͤlcke muß verſchwinden.
Bricht gleich das ſpiegel-glas der wolluſt hier entzwey/
Bleibt doch der diamant der tugend unzerſpalten/
Und erbet einen ſchatz vor die gefaͤrbte ſpreu/
Dem auch die laſt der welt nicht kan die wage halten.
Begluͤckter wechſel! da euch itzt die grufft erfreut/
Bey der euch vor das haar zu berge wolte ſtehen/
Nun
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