Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.

Bild:
<< vorherige Seite
Galante und
Die verliebte sehnsucht.
1.
SO kan ich länger doch nicht schweigen/
Mein hertze nimmt die sehnsucht ein/
Es wil sich fast zum tode neigen/
Und länger nicht mehr meine seyn/
Es sucht bey dir/ mein kind/ sein halb verlohrnes leben/
Ach: warum wiltu es ihm doch nicht wieder geben.
2.
Man soll ja seinem nechsten dienen
Jn allem was geschehen kan;
Und ziehen gleich die klugen bienen
Den honig von den rosen an/
So muß der rose doch geruch und schönheit bleiben;
Der ruhm besteht auf dem/ was andre leute gläuben.
3.
Da wird/ was öffters voller Flecken/
Für rein und schöne doch geschätzt/
Und welche in der hoheit stecken/
Die werden unten angesetzt/
Was weiß der pövel denn/ ob ich bey dir gewesen/
Weil man das ding ja nicht kan aus der stirne lesen.
4.
Sucht ihm ein storch zu seinen zeiten
Für schnee und kälte doch ein loch;\
So kanstu mirs nicht übel deuten/
Jch suchte vor und suche noch/
Drum laß mich/ liebstes kind/ nur endlich bey dir fin-
den/
Die höle/ die mein hertz vom froste kan entbinden.
5.
Und fürchst du etwann einen schaden/
Das früchte könten draus entstehn/
Dami
Galante und
Die verliebte ſehnſucht.
1.
SO kan ich laͤnger doch nicht ſchweigen/
Mein hertze nimmt die ſehnſucht ein/
Es wil ſich faſt zum tode neigen/
Und laͤnger nicht mehr meine ſeyn/
Es ſucht bey dir/ mein kind/ ſein halb verlohrnes leben/
Ach: warum wiltu es ihm doch nicht wieder geben.
2.
Man ſoll ja ſeinem nechſten dienen
Jn allem was geſchehen kan;
Und ziehen gleich die klugen bienen
Den honig von den roſen an/
So muß der roſe doch geruch und ſchoͤnheit bleiben;
Der ruhm beſteht auf dem/ was andre leute glaͤuben.
3.
Da wird/ was oͤffters voller Flecken/
Fuͤr rein und ſchoͤne doch geſchaͤtzt/
Und welche in der hoheit ſtecken/
Die werden unten angeſetzt/
Was weiß der poͤvel denn/ ob ich bey dir geweſen/
Weil man das ding ja nicht kan aus der ſtirne leſen.
4.
Sucht ihm ein ſtorch zu ſeinen zeiten
Fuͤr ſchnee und kaͤlte doch ein loch;\
So kanſtu mirs nicht uͤbel deuten/
Jch ſuchte vor und ſuche noch/
Drum laß mich/ liebſtes kind/ nur endlich bey dir fin-
den/
Die hoͤle/ die mein hertz vom froſte kan entbinden.
5.
Und fuͤrchſt du etwann einen ſchaden/
Das fruͤchte koͤnten draus entſtehn/
Dami
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0104" n="102"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Galante und</hi> </fw><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Die verliebte &#x017F;ehn&#x017F;ucht.</hi> </head><lb/>
            <lg>
              <head> <hi rendition="#b">1.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">S</hi>O kan ich la&#x0364;nger doch nicht &#x017F;chweigen/</l><lb/>
              <l>Mein hertze nimmt die &#x017F;ehn&#x017F;ucht ein/</l><lb/>
              <l>Es wil &#x017F;ich fa&#x017F;t zum tode neigen/</l><lb/>
              <l>Und la&#x0364;nger nicht mehr meine &#x017F;eyn/</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;ucht bey dir/ mein kind/ &#x017F;ein halb verlohrnes leben/</l><lb/>
              <l>Ach<hi rendition="#i">:</hi> warum wiltu es ihm doch nicht wieder geben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <head> <hi rendition="#b">2.</hi> </head><lb/>
              <l>Man &#x017F;oll ja &#x017F;einem nech&#x017F;ten dienen</l><lb/>
              <l>Jn allem was ge&#x017F;chehen kan;</l><lb/>
              <l>Und ziehen gleich die klugen bienen</l><lb/>
              <l>Den honig von den ro&#x017F;en an/</l><lb/>
              <l>So muß der ro&#x017F;e doch geruch und &#x017F;cho&#x0364;nheit bleiben;</l><lb/>
              <l>Der ruhm be&#x017F;teht auf dem/ was andre leute gla&#x0364;uben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <head> <hi rendition="#b">3.</hi> </head><lb/>
              <l>Da wird/ was o&#x0364;ffters voller Flecken/</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r rein und &#x017F;cho&#x0364;ne doch ge&#x017F;cha&#x0364;tzt/</l><lb/>
              <l>Und welche in der hoheit &#x017F;tecken/</l><lb/>
              <l>Die werden unten ange&#x017F;etzt/</l><lb/>
              <l>Was weiß der po&#x0364;vel denn/ ob ich bey dir gewe&#x017F;en/</l><lb/>
              <l>Weil man das ding ja nicht kan aus der &#x017F;tirne le&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <head> <hi rendition="#b">4.</hi> </head><lb/>
              <l>Sucht ihm ein &#x017F;torch zu &#x017F;einen zeiten</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r &#x017F;chnee und ka&#x0364;lte doch ein loch;\</l><lb/>
              <l>So kan&#x017F;tu mirs nicht u&#x0364;bel deuten/</l><lb/>
              <l>Jch &#x017F;uchte vor und &#x017F;uche noch/</l><lb/>
              <l>Drum laß mich/ lieb&#x017F;tes kind/ nur endlich bey dir fin-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">den/</hi> </l><lb/>
              <l>Die ho&#x0364;le/ die mein hertz vom fro&#x017F;te kan entbinden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <head> <hi rendition="#b">5.</hi> </head><lb/>
              <l>Und fu&#x0364;rch&#x017F;t du etwann einen &#x017F;chaden/</l><lb/>
              <l>Das fru&#x0364;chte ko&#x0364;nten draus ent&#x017F;tehn/</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Dami</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0104] Galante und Die verliebte ſehnſucht. 1. SO kan ich laͤnger doch nicht ſchweigen/ Mein hertze nimmt die ſehnſucht ein/ Es wil ſich faſt zum tode neigen/ Und laͤnger nicht mehr meine ſeyn/ Es ſucht bey dir/ mein kind/ ſein halb verlohrnes leben/ Ach: warum wiltu es ihm doch nicht wieder geben. 2. Man ſoll ja ſeinem nechſten dienen Jn allem was geſchehen kan; Und ziehen gleich die klugen bienen Den honig von den roſen an/ So muß der roſe doch geruch und ſchoͤnheit bleiben; Der ruhm beſteht auf dem/ was andre leute glaͤuben. 3. Da wird/ was oͤffters voller Flecken/ Fuͤr rein und ſchoͤne doch geſchaͤtzt/ Und welche in der hoheit ſtecken/ Die werden unten angeſetzt/ Was weiß der poͤvel denn/ ob ich bey dir geweſen/ Weil man das ding ja nicht kan aus der ſtirne leſen. 4. Sucht ihm ein ſtorch zu ſeinen zeiten Fuͤr ſchnee und kaͤlte doch ein loch;\ So kanſtu mirs nicht uͤbel deuten/ Jch ſuchte vor und ſuche noch/ Drum laß mich/ liebſtes kind/ nur endlich bey dir fin- den/ Die hoͤle/ die mein hertz vom froſte kan entbinden. 5. Und fuͤrchſt du etwann einen ſchaden/ Das fruͤchte koͤnten draus entſtehn/ Dami

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/104
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/104>, abgerufen am 24.11.2024.