Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

Bild:
<< vorherige Seite
Galante Gedichte.
Sich von den lippen dringt in alle glieder ein.
Da hastu armes thier der wiederkehr vergessen/
Und wie dein leben an des schnabels spitze hieng/
Da hastu zugeschnapt noch mehr und mehr zu essen/
Biß durch das offne maul die seele von dir gieng.
Jtzt solt ich billiger mich freuen/ als betrüben/
(Ein neydisches gemüth ist keiner thränen wehrt.)
Doch muß ich dich mein thier des todtes wegen lieben/
Deß ich mit mehrer lust/ als du/ gar offt begehrt.
Doch mit dem unterscheid/ daß ichs so grob nicht machte/
Und gar die seele aus den lippen von mir sties.
Nein/ sondern wann das glück am freundlichsten mir lachte/
Und es am besten schmeckt/ die speise fahreu ließ.
Des zuckers gar zu viel verschleimet unß den magen/
Alkermes wil gesund/ doch nicht gemißbraucht seyn.
Gehäuffter Mithridat kan uns zu grabe tragen/
Und Ambra stets gebraucht/ nimmt haupt und sinnen ein.
Ey! Hättstu dies bedacht! doch magstu seyn gestorben
Von thorheit oder auch von grossem überfluß;
So hastu doch das lob von aller welt erworben/
Daß man dich iederzeit glückselig preisen muß.
Jch will dich und dein glück auch unauffhörlich lieben/
Aus hoffnung/ daß du mich im testament bedacht.
Und etwas süsses mir von deinem tisch verschrieben/
Hab ich die grabeschrifft auff deinen stein gemacht.
Wer dächte daß ein mund durch küsse tödten solte?
Doch zeigts mein vogel an der hier im grabe ruht.
Er fand den todt allda/ wo ich recht leben wolte/
Doch weiß ich nur wies mir/ nicht wies den vögeln thut.


Auff den trost/ daß man ihn mit ei-
ner angenehmern weise zu verpflegen
trachten werde.
SO darff ich dann der schrifft/ und meinen augen gläuben?
Es ist ja allzu gut/ was mein gesichte liest.
Ach
B 4
Galante Gedichte.
Sich von den lippen dringt in alle glieder ein.
Da haſtu armes thier der wiederkehr vergeſſen/
Und wie dein leben an des ſchnabels ſpitze hieng/
Da haſtu zugeſchnapt noch mehr und mehr zu eſſen/
Biß durch das offne maul die ſeele von dir gieng.
Jtzt ſolt ich billiger mich freuen/ als betruͤben/
(Ein neydiſches gemuͤth iſt keiner thraͤnen wehrt.)
Doch muß ich dich mein thier des todtes wegen lieben/
Deß ich mit mehrer luſt/ als du/ gar offt begehrt.
Doch mit dem unterſcheid/ daß ichs ſo grob nicht machte/
Und gar die ſeele aus den lippen von mir ſties.
Nein/ ſondern wann das gluͤck am freundlichſten mir lachte/
Und es am beſten ſchmeckt/ die ſpeiſe fahreu ließ.
Des zuckers gar zu viel verſchleimet unß den magen/
Alkermes wil geſund/ doch nicht gemißbraucht ſeyn.
Gehaͤuffter Mithridat kan uns zu grabe tragen/
Und Ambra ſtets gebraucht/ nimmt haupt und ſinnen ein.
Ey! Haͤttſtu dies bedacht! doch magſtu ſeyn geſtorben
Von thorheit oder auch von groſſem uͤberfluß;
So haſtu doch das lob von aller welt erworben/
Daß man dich iederzeit gluͤckſelig preiſen muß.
Jch will dich und dein gluͤck auch unauffhoͤrlich lieben/
Aus hoffnung/ daß du mich im teſtament bedacht.
Und etwas ſuͤſſes mir von deinem tiſch verſchrieben/
Hab ich die grabeſchrifft auff deinen ſtein gemacht.
Wer daͤchte daß ein mund durch kuͤſſe toͤdten ſolte?
Doch zeigts mein vogel an der hier im grabe ruht.
Er fand den todt allda/ wo ich recht leben wolte/
Doch weiß ich nur wies mir/ nicht wies den voͤgeln thut.


Auff den troſt/ daß man ihn mit ei-
ner angenehmern weiſe zu verpflegen
trachten werde.
SO darff ich dann der ſchrifft/ und meinen augen glaͤuben?
Es iſt ja allzu gut/ was mein geſichte lieſt.
Ach
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0031" n="23"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Galante Gedichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Sich von den lippen dringt in alle glieder ein.</l><lb/>
            <l>Da ha&#x017F;tu armes thier der wiederkehr verge&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Und wie dein leben an des &#x017F;chnabels &#x017F;pitze hieng/</l><lb/>
            <l>Da ha&#x017F;tu zuge&#x017F;chnapt noch mehr und mehr zu e&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Biß durch das offne maul die &#x017F;eele von dir gieng.</l><lb/>
            <l>Jtzt &#x017F;olt ich billiger mich freuen/ als betru&#x0364;ben/</l><lb/>
            <l>(Ein neydi&#x017F;ches gemu&#x0364;th i&#x017F;t keiner thra&#x0364;nen wehrt.)</l><lb/>
            <l>Doch muß ich dich mein thier des todtes wegen lieben/</l><lb/>
            <l>Deß ich mit mehrer lu&#x017F;t/ als du/ gar offt begehrt.</l><lb/>
            <l>Doch mit dem unter&#x017F;cheid/ daß ichs &#x017F;o grob nicht machte/</l><lb/>
            <l>Und gar die &#x017F;eele aus den lippen von mir &#x017F;ties.</l><lb/>
            <l>Nein/ &#x017F;ondern wann das glu&#x0364;ck am freundlich&#x017F;ten mir lachte/</l><lb/>
            <l>Und es am be&#x017F;ten &#x017F;chmeckt/ die &#x017F;pei&#x017F;e fahreu ließ.</l><lb/>
            <l>Des zuckers gar zu viel ver&#x017F;chleimet unß den magen/</l><lb/>
            <l>Alkermes wil ge&#x017F;und/ doch nicht gemißbraucht &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Geha&#x0364;uffter Mithridat kan uns zu grabe tragen/</l><lb/>
            <l>Und Ambra &#x017F;tets gebraucht/ nimmt haupt und &#x017F;innen ein.</l><lb/>
            <l>Ey! Ha&#x0364;tt&#x017F;tu dies bedacht! doch mag&#x017F;tu &#x017F;eyn ge&#x017F;torben</l><lb/>
            <l>Von thorheit oder auch von gro&#x017F;&#x017F;em u&#x0364;berfluß;</l><lb/>
            <l>So ha&#x017F;tu doch das lob von aller welt erworben/</l><lb/>
            <l>Daß man dich iederzeit glu&#x0364;ck&#x017F;elig prei&#x017F;en muß.</l><lb/>
            <l>Jch will dich und dein glu&#x0364;ck auch unauffho&#x0364;rlich lieben/</l><lb/>
            <l>Aus hoffnung/ daß du mich im te&#x017F;tament bedacht.</l><lb/>
            <l>Und etwas &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;es mir von deinem ti&#x017F;ch ver&#x017F;chrieben/</l><lb/>
            <l>Hab ich die grabe&#x017F;chrifft auff deinen &#x017F;tein gemacht.</l><lb/>
            <l>Wer da&#x0364;chte daß ein mund durch ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e to&#x0364;dten &#x017F;olte?</l><lb/>
            <l>Doch zeigts mein vogel an der hier im grabe ruht.</l><lb/>
            <l>Er fand den todt allda/ wo ich recht leben wolte/</l><lb/>
            <l>Doch weiß ich nur wies mir/ nicht wies den vo&#x0364;geln thut.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Auff den tro&#x017F;t/ daß man ihn mit ei-<lb/>
ner angenehmern wei&#x017F;e zu verpflegen<lb/>
trachten werde.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">S</hi>O darff ich dann der &#x017F;chrifft/ und meinen augen gla&#x0364;uben?</l><lb/>
            <l>Es i&#x017F;t ja allzu gut/ was mein ge&#x017F;ichte lie&#x017F;t.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">B 4</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Ach</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] Galante Gedichte. Sich von den lippen dringt in alle glieder ein. Da haſtu armes thier der wiederkehr vergeſſen/ Und wie dein leben an des ſchnabels ſpitze hieng/ Da haſtu zugeſchnapt noch mehr und mehr zu eſſen/ Biß durch das offne maul die ſeele von dir gieng. Jtzt ſolt ich billiger mich freuen/ als betruͤben/ (Ein neydiſches gemuͤth iſt keiner thraͤnen wehrt.) Doch muß ich dich mein thier des todtes wegen lieben/ Deß ich mit mehrer luſt/ als du/ gar offt begehrt. Doch mit dem unterſcheid/ daß ichs ſo grob nicht machte/ Und gar die ſeele aus den lippen von mir ſties. Nein/ ſondern wann das gluͤck am freundlichſten mir lachte/ Und es am beſten ſchmeckt/ die ſpeiſe fahreu ließ. Des zuckers gar zu viel verſchleimet unß den magen/ Alkermes wil geſund/ doch nicht gemißbraucht ſeyn. Gehaͤuffter Mithridat kan uns zu grabe tragen/ Und Ambra ſtets gebraucht/ nimmt haupt und ſinnen ein. Ey! Haͤttſtu dies bedacht! doch magſtu ſeyn geſtorben Von thorheit oder auch von groſſem uͤberfluß; So haſtu doch das lob von aller welt erworben/ Daß man dich iederzeit gluͤckſelig preiſen muß. Jch will dich und dein gluͤck auch unauffhoͤrlich lieben/ Aus hoffnung/ daß du mich im teſtament bedacht. Und etwas ſuͤſſes mir von deinem tiſch verſchrieben/ Hab ich die grabeſchrifft auff deinen ſtein gemacht. Wer daͤchte daß ein mund durch kuͤſſe toͤdten ſolte? Doch zeigts mein vogel an der hier im grabe ruht. Er fand den todt allda/ wo ich recht leben wolte/ Doch weiß ich nur wies mir/ nicht wies den voͤgeln thut. Auff den troſt/ daß man ihn mit ei- ner angenehmern weiſe zu verpflegen trachten werde. SO darff ich dann der ſchrifft/ und meinen augen glaͤuben? Es iſt ja allzu gut/ was mein geſichte lieſt. Ach B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/31
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/31>, abgerufen am 23.11.2024.