Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

Bild:
<< vorherige Seite
Hochzeit-Gedichte.
Die jungfern-noth bey dem Frantz-
und Hallmannischen Hochzeit-Feste
erwogen von einer mitlei-
digen feder.
DAs unglückseeligste geschlechte dieser welt/
Der auszug aller noth/ der sammel-platz der schmertzen/
Wo kummer und verdruß die stete hof-stadt hält/
Seyd ihr/ wie mich bedünckt/ ihr guten jungfern-hertzen.
Der jammer/ der euch drückt/ ist nicht zu übersehn/
Euch armen kindern muß sonst nichts als alles fehlen/
Und wil ich/ wo es nur vor wehmuth kan geschehn/
Hier nur das wenigste von eurer noth erzehlen.
Wie quälet euch der tag! wie martert euch die nacht!
Wie macht die einsamkeit euch doch so unvergnüget/
Und wer ein wenig giebt auff eure seuffzer acht/
Merckt/ daß die kranckheit euch in allen gliedern lieget.
Die augen dürffet ihr nicht wie ihr wollet drehn/
Und keinen freyen blick nach manns-personen wagen/
Gleich fängt die mutter an: Solt du nach kerlen sehn/
Du geiles raben-aß/ dich soll der kuckuck plagen.
Jhr müsset kopff und hals den roß und mäulern gleich
Jm zaum und im gebiß ja im gewichte tragen/
Die ohren sind wie taub/ und ihr erröthet euch/
So offt man einen schertz und lustig wort wil sagen.
Fast jede sylbe kehrt bey euch auf schrauben ein.
Die lippen müsset ihr in enge falten fassen/
Und daß kein bissen ja zu wichtig möge seyn/
Muß offt ein mandel-kern sich viermahl theilen lassen.
Was aber fängt indeß der arme magen an?
Der muß vor erbarkeit so durst als hunger leiden/
Es wird kein guter trunck und rechter biß gethan/
Wenn ihr nicht erst dabey könnt die gesellschafft meiden.
Das starcke schnüren prest euch lung und leber ein/
Und das beklemmte hertz/ das so viel seuffzer nagen/
Als federn offtermahls in eurem bette seyn/
Darff
L 3
Hochzeit-Gedichte.
Die jungfern-noth bey dem Frantz-
und Hallmanniſchen Hochzeit-Feſte
erwogen von einer mitlei-
digen feder.
DAs ungluͤckſeeligſte geſchlechte dieſer welt/
Der auszug aller noth/ der ſammel-platz der ſchmertzen/
Wo kummer und verdruß die ſtete hof-ſtadt haͤlt/
Seyd ihr/ wie mich beduͤnckt/ ihr guten jungfern-hertzen.
Der jammer/ der euch druͤckt/ iſt nicht zu uͤberſehn/
Euch armen kindern muß ſonſt nichts als alles fehlen/
Und wil ich/ wo es nur vor wehmuth kan geſchehn/
Hier nur das wenigſte von eurer noth erzehlen.
Wie quaͤlet euch der tag! wie martert euch die nacht!
Wie macht die einſamkeit euch doch ſo unvergnuͤget/
Und wer ein wenig giebt auff eure ſeuffzer acht/
Merckt/ daß die kranckheit euch in allen gliedern lieget.
Die augen duͤrffet ihr nicht wie ihr wollet drehn/
Und keinen freyen blick nach manns-perſonen wagen/
Gleich faͤngt die mutter an: Solt du nach kerlen ſehn/
Du geiles raben-aß/ dich ſoll der kuckuck plagen.
Jhr muͤſſet kopff und hals den roß und maͤulern gleich
Jm zaum und im gebiß ja im gewichte tragen/
Die ohren ſind wie taub/ und ihr erroͤthet euch/
So offt man einen ſchertz und luſtig wort wil ſagen.
Faſt jede ſylbe kehrt bey euch auf ſchrauben ein.
Die lippen muͤſſet ihr in enge falten faſſen/
Und daß kein biſſen ja zu wichtig moͤge ſeyn/
Muß offt ein mandel-kern ſich viermahl theilen laſſen.
Was aber faͤngt indeß der arme magen an?
Der muß vor erbarkeit ſo durſt als hunger leiden/
Es wird kein guter trunck und rechter biß gethan/
Wenn ihr nicht erſt dabey koͤnnt die geſellſchafft meiden.
Das ſtarcke ſchnuͤren preſt euch lung und leber ein/
Und das beklemmte hertz/ das ſo viel ſeuffzer nagen/
Als federn offtermahls in eurem bette ſeyn/
Darff
L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0173" n="163"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hochzeit-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die jungfern-noth bey dem Frantz-<lb/>
und Hallmanni&#x017F;chen Hochzeit-Fe&#x017F;te<lb/>
erwogen von einer mitlei-<lb/>
digen feder.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>As unglu&#x0364;ck&#x017F;eelig&#x017F;te ge&#x017F;chlechte die&#x017F;er welt/</l><lb/>
            <l>Der auszug aller noth/ der &#x017F;ammel-platz der &#x017F;chmertzen/</l><lb/>
            <l>Wo kummer und verdruß die &#x017F;tete hof-&#x017F;tadt ha&#x0364;lt/</l><lb/>
            <l>Seyd ihr/ wie mich bedu&#x0364;nckt/ ihr guten jungfern-hertzen.</l><lb/>
            <l>Der jammer/ der euch dru&#x0364;ckt/ i&#x017F;t nicht zu u&#x0364;ber&#x017F;ehn/</l><lb/>
            <l>Euch armen kindern muß &#x017F;on&#x017F;t nichts als alles fehlen/</l><lb/>
            <l>Und wil ich/ wo es nur vor wehmuth kan ge&#x017F;chehn/</l><lb/>
            <l>Hier nur das wenig&#x017F;te von eurer noth erzehlen.</l><lb/>
            <l>Wie qua&#x0364;let euch der tag! wie martert euch die nacht!</l><lb/>
            <l>Wie macht die ein&#x017F;amkeit euch doch &#x017F;o unvergnu&#x0364;get/</l><lb/>
            <l>Und wer ein wenig giebt auff eure &#x017F;euffzer acht/</l><lb/>
            <l>Merckt/ daß die kranckheit euch in allen gliedern lieget.</l><lb/>
            <l>Die augen du&#x0364;rffet ihr nicht wie ihr wollet drehn/</l><lb/>
            <l>Und keinen freyen blick nach manns-per&#x017F;onen wagen/</l><lb/>
            <l>Gleich fa&#x0364;ngt die mutter an: Solt du nach kerlen &#x017F;ehn/</l><lb/>
            <l>Du geiles raben-aß/ dich &#x017F;oll der kuckuck plagen.</l><lb/>
            <l>Jhr mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et kopff und hals den roß und ma&#x0364;ulern gleich</l><lb/>
            <l>Jm zaum und im gebiß ja im gewichte tragen/</l><lb/>
            <l>Die ohren &#x017F;ind wie taub/ und ihr erro&#x0364;thet euch/</l><lb/>
            <l>So offt man einen &#x017F;chertz und lu&#x017F;tig wort wil &#x017F;agen.</l><lb/>
            <l>Fa&#x017F;t jede &#x017F;ylbe kehrt bey euch auf &#x017F;chrauben ein.</l><lb/>
            <l>Die lippen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et ihr in enge falten fa&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Und daß kein bi&#x017F;&#x017F;en ja zu wichtig mo&#x0364;ge &#x017F;eyn/</l><lb/>
            <l>Muß offt ein mandel-kern &#x017F;ich viermahl theilen la&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Was aber fa&#x0364;ngt indeß der arme magen an?</l><lb/>
            <l>Der muß vor erbarkeit &#x017F;o dur&#x017F;t als hunger leiden/</l><lb/>
            <l>Es wird kein guter trunck und rechter biß gethan/</l><lb/>
            <l>Wenn ihr nicht er&#x017F;t dabey ko&#x0364;nnt die ge&#x017F;ell&#x017F;chafft meiden.</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;tarcke &#x017F;chnu&#x0364;ren pre&#x017F;t euch lung und leber ein/</l><lb/>
            <l>Und das beklemmte hertz/ das &#x017F;o viel &#x017F;euffzer nagen/</l><lb/>
            <l>Als federn offtermahls in eurem bette &#x017F;eyn/</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">L 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Darff</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0173] Hochzeit-Gedichte. Die jungfern-noth bey dem Frantz- und Hallmanniſchen Hochzeit-Feſte erwogen von einer mitlei- digen feder. DAs ungluͤckſeeligſte geſchlechte dieſer welt/ Der auszug aller noth/ der ſammel-platz der ſchmertzen/ Wo kummer und verdruß die ſtete hof-ſtadt haͤlt/ Seyd ihr/ wie mich beduͤnckt/ ihr guten jungfern-hertzen. Der jammer/ der euch druͤckt/ iſt nicht zu uͤberſehn/ Euch armen kindern muß ſonſt nichts als alles fehlen/ Und wil ich/ wo es nur vor wehmuth kan geſchehn/ Hier nur das wenigſte von eurer noth erzehlen. Wie quaͤlet euch der tag! wie martert euch die nacht! Wie macht die einſamkeit euch doch ſo unvergnuͤget/ Und wer ein wenig giebt auff eure ſeuffzer acht/ Merckt/ daß die kranckheit euch in allen gliedern lieget. Die augen duͤrffet ihr nicht wie ihr wollet drehn/ Und keinen freyen blick nach manns-perſonen wagen/ Gleich faͤngt die mutter an: Solt du nach kerlen ſehn/ Du geiles raben-aß/ dich ſoll der kuckuck plagen. Jhr muͤſſet kopff und hals den roß und maͤulern gleich Jm zaum und im gebiß ja im gewichte tragen/ Die ohren ſind wie taub/ und ihr erroͤthet euch/ So offt man einen ſchertz und luſtig wort wil ſagen. Faſt jede ſylbe kehrt bey euch auf ſchrauben ein. Die lippen muͤſſet ihr in enge falten faſſen/ Und daß kein biſſen ja zu wichtig moͤge ſeyn/ Muß offt ein mandel-kern ſich viermahl theilen laſſen. Was aber faͤngt indeß der arme magen an? Der muß vor erbarkeit ſo durſt als hunger leiden/ Es wird kein guter trunck und rechter biß gethan/ Wenn ihr nicht erſt dabey koͤnnt die geſellſchafft meiden. Das ſtarcke ſchnuͤren preſt euch lung und leber ein/ Und das beklemmte hertz/ das ſo viel ſeuffzer nagen/ Als federn offtermahls in eurem bette ſeyn/ Darff L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/173
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/173>, abgerufen am 22.12.2024.