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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

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Vermischte Gedichte.
Wird meiner Musen zorn sich auch zu sehr ergiessen?
Läst sie nicht schon zu viel vergällte worte fliessen?
Sie geht vielleicht zu weit und kennt die weise nicht/
Nach der man insgemein mit stands-personen spricht.
Wolan so will ich denn mit glimpff nur dieses fragen:
Jsts lange daß man hört von deinem adel sagen?
Schon gantzer tausend jahr. Und dein bekandtes hauß
Steckt seiner ahnen zahl auff zwey und dreyßig aus.
Jn warheit/ das ist viel/ zumahl da zu erweisen/
Daß ihrer titul pracht fast alle schrifften preisen/
Jhr nahme lebt/ und trutzt dem schiffbruch rauher zeit/
Das alles ist sehr gut; doch wer schwert einen eyd/
Daß binnen solcher frist der mütter keusches lieben
Den männern immer treu/ den buhlern seind geblieben;
Daß nie ein kühner freund sie glücklich angelacht/
Und durch den adel-stand dir einen streich gemacht;
Und daß ein reines blut aus nicht geringerm orden/
Stets durch Lucretien dir zugeflösset worden?
Verflucht sey jener tag/ an dem der eitle tand
Zu erst die reinigkeit der sitten weggebannt.
Als die noch zarte welt lag gleichsam in der wiegen/
Durfft einer sich auff nichts als auff die unschuld triegen/
Das volck das war vergnügt und in gesetzen gleich/
Verdienst war adels werth und galt ein königreich.
Da fand man keinen held/ der sich auf herkunfft stützte/
Und der nicht von sich selbst mit eignen strahlen blitzte/
Biß daß man mit der zeit die tugend so verließ/
Daß man sie bürgerlich/ das laster edel hieß.
Der neu' erwachsne stand hielt andre bald für sclaven/
Das land ward überschwemmt von Herren und von Grafen/
Man hatte tugend gnug/ wenn man sich titul gab/
Und wieß an statt des kerns die welt mit schalen ab.
Bald ward ein wapen-recht mit regeln ausersonnen/
Daß/ weil es im gehirn der schwärmer angesponnen/
Jhm eigne wörter macht und unvernehmlich spricht/
Die schilde bald bekrönt/ bald in vier theile bricht.
Bald
P 4
Vermiſchte Gedichte.
Wird meiner Muſen zorn ſich auch zu ſehr ergieſſen?
Laͤſt ſie nicht ſchon zu viel vergaͤllte worte flieſſen?
Sie geht vielleicht zu weit und kennt die weiſe nicht/
Nach der man insgemein mit ſtands-perſonen ſpricht.
Wolan ſo will ich denn mit glimpff nur dieſes fragen:
Jſts lange daß man hoͤrt von deinem adel ſagen?
Schon gantzer tauſend jahr. Und dein bekandtes hauß
Steckt ſeiner ahnen zahl auff zwey und dreyßig aus.
Jn warheit/ das iſt viel/ zumahl da zu erweiſen/
Daß ihrer titul pracht faſt alle ſchrifften preiſen/
Jhr nahme lebt/ und trutzt dem ſchiffbruch rauher zeit/
Das alles iſt ſehr gut; doch wer ſchwert einen eyd/
Daß binnen ſolcher friſt der muͤtter keuſches lieben
Den maͤnnern immer treu/ den buhlern ſeind geblieben;
Daß nie ein kuͤhner freund ſie gluͤcklich angelacht/
Und durch den adel-ſtand dir einen ſtreich gemacht;
Und daß ein reines blut aus nicht geringerm orden/
Stets durch Lucretien dir zugefloͤſſet worden?
Verflucht ſey jener tag/ an dem der eitle tand
Zu erſt die reinigkeit der ſitten weggebannt.
Als die noch zarte welt lag gleichſam in der wiegen/
Durfft einer ſich auff nichts als auff die unſchuld triegen/
Das volck das war vergnuͤgt und in geſetzen gleich/
Verdienſt war adels werth und galt ein koͤnigreich.
Da fand man keinen held/ der ſich auf herkunfft ſtuͤtzte/
Und der nicht von ſich ſelbſt mit eignen ſtrahlen blitzte/
Biß daß man mit der zeit die tugend ſo verließ/
Daß man ſie buͤrgerlich/ das laſter edel hieß.
Der neu’ erwachſne ſtand hielt andre bald fuͤr ſclaven/
Das land ward uͤberſchwemmt von Herren und von Grafen/
Man hatte tugend gnug/ wenn man ſich titul gab/
Und wieß an ſtatt des kerns die welt mit ſchalen ab.
Bald ward ein wapen-recht mit regeln auserſonnen/
Daß/ weil es im gehirn der ſchwaͤrmer angeſponnen/
Jhm eigne woͤrter macht und unvernehmlich ſpricht/
Die ſchilde bald bekroͤnt/ bald in vier theile bricht.
Bald
P 4
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[231/0247] Vermiſchte Gedichte. Wird meiner Muſen zorn ſich auch zu ſehr ergieſſen? Laͤſt ſie nicht ſchon zu viel vergaͤllte worte flieſſen? Sie geht vielleicht zu weit und kennt die weiſe nicht/ Nach der man insgemein mit ſtands-perſonen ſpricht. Wolan ſo will ich denn mit glimpff nur dieſes fragen: Jſts lange daß man hoͤrt von deinem adel ſagen? Schon gantzer tauſend jahr. Und dein bekandtes hauß Steckt ſeiner ahnen zahl auff zwey und dreyßig aus. Jn warheit/ das iſt viel/ zumahl da zu erweiſen/ Daß ihrer titul pracht faſt alle ſchrifften preiſen/ Jhr nahme lebt/ und trutzt dem ſchiffbruch rauher zeit/ Das alles iſt ſehr gut; doch wer ſchwert einen eyd/ Daß binnen ſolcher friſt der muͤtter keuſches lieben Den maͤnnern immer treu/ den buhlern ſeind geblieben; Daß nie ein kuͤhner freund ſie gluͤcklich angelacht/ Und durch den adel-ſtand dir einen ſtreich gemacht; Und daß ein reines blut aus nicht geringerm orden/ Stets durch Lucretien dir zugefloͤſſet worden? Verflucht ſey jener tag/ an dem der eitle tand Zu erſt die reinigkeit der ſitten weggebannt. Als die noch zarte welt lag gleichſam in der wiegen/ Durfft einer ſich auff nichts als auff die unſchuld triegen/ Das volck das war vergnuͤgt und in geſetzen gleich/ Verdienſt war adels werth und galt ein koͤnigreich. Da fand man keinen held/ der ſich auf herkunfft ſtuͤtzte/ Und der nicht von ſich ſelbſt mit eignen ſtrahlen blitzte/ Biß daß man mit der zeit die tugend ſo verließ/ Daß man ſie buͤrgerlich/ das laſter edel hieß. Der neu’ erwachſne ſtand hielt andre bald fuͤr ſclaven/ Das land ward uͤberſchwemmt von Herren und von Grafen/ Man hatte tugend gnug/ wenn man ſich titul gab/ Und wieß an ſtatt des kerns die welt mit ſchalen ab. Bald ward ein wapen-recht mit regeln auserſonnen/ Daß/ weil es im gehirn der ſchwaͤrmer angeſponnen/ Jhm eigne woͤrter macht und unvernehmlich ſpricht/ Die ſchilde bald bekroͤnt/ bald in vier theile bricht. Bald P 4

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/247>, abgerufen am 23.11.2024.