Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.
Auch die mit geld und gut bis oben an gefüllet/ Bey derer überfluß die kargheit taffel hält/ Die haben darum nie den hunger recht gestillet/ Weil ihre närrsche furcht auf spätes alter fällt: Unwissend/ daß der nutz der himmelischen schätze Weit mehr als irrdscher koth der seelen wunsch ergötze. Ja/ die erfahrenheit/ und der verdienste menge/ Erfindung/ die der welt viel neues hat entdeckt/ Hält das gesetzte ziel der grufft vor allzuenge; Als wäre noch so viel in unsrer brust versteckt: Und ieder weiß/ daß doch die kentniß aller dinge Uns erst im paradis' und nach der grufft gelinge. Am meisten aber bricht der menschen kühnes klagen Bey übereiltem fall der frühen jugend aus; Da weiß man nicht genug von hoffnungen zu sagen: Bejammern und verlust erfüllt das gantze hauß: Da fallen pfeiler ein und schlösser der gedancken: Da will der gantze bau von unsrer freude wancken. Verwehnte sterblichen! und mehr als irrdsche sinnen! Klebt euer niedrig geist so gar dem untern an? Betrachtet nur einmahl die überirrdsche zinnen/ Die ohn empfindlichkeit kein mensch betrachten kan! Geht einmahl aus euch selbst/ entreißt euch der gedancken/ Die euren geist verwirrn/ in diese erden-schrancken! Und/ o wie bald solt ihr dis arme rund verachten/ Und dessen eitelkeit mit eckel schauen an: Wie gantz begierig solt ihr nach den schlössern trachten/ Wo euch das höchste gut unendlich werden kan: Euch N 5
Auch die mit geld und gut bis oben an gefuͤllet/ Bey derer uͤberfluß die kargheit taffel haͤlt/ Die haben darum nie den hunger recht geſtillet/ Weil ihre naͤrrſche furcht auf ſpaͤtes alter faͤllt: Unwiſſend/ daß der nutz der himmeliſchen ſchaͤtze Weit mehr als irrdſcher koth der ſeelen wunſch ergoͤtze. Ja/ die erfahrenheit/ und der verdienſte menge/ Erfindung/ die der welt viel neues hat entdeckt/ Haͤlt das geſetzte ziel der grufft vor allzuenge; Als waͤre noch ſo viel in unſrer bruſt verſteckt: Und ieder weiß/ daß doch die kentniß aller dinge Uns erſt im paradiſ’ und nach der grufft gelinge. Am meiſten aber bricht der menſchen kuͤhnes klagen Bey uͤbereiltem fall der fruͤhen jugend aus; Da weiß man nicht genug von hoffnungen zu ſagen: Bejammern und verluſt erfuͤllt das gantze hauß: Da fallen pfeiler ein und ſchloͤſſer der gedancken: Da will der gantze bau von unſrer freude wancken. Verwehnte ſterblichen! und mehr als irrdſche ſinnen! Klebt euer niedrig geiſt ſo gar dem untern an? Betrachtet nur einmahl die uͤberirrdſche zinnen/ Die ohn empfindlichkeit kein menſch betrachten kan! Geht einmahl aus euch ſelbſt/ entreißt euch der gedancken/ Die euren geiſt verwirrn/ in dieſe erden-ſchrancken! Und/ o wie bald ſolt ihr dis arme rund verachten/ Und deſſen eitelkeit mit eckel ſchauen an: Wie gantz begierig ſolt ihr nach den ſchloͤſſern trachten/ Wo euch das hoͤchſte gut unendlich werden kan: Euch N 5
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Begraͤbniß-Gedichte.
Und dieſer ſchimmel kan uns doch zu engeln machen/
Und in den Eden fuͤhrn/ wo tauſend blumen lachen.
Auch die mit geld und gut bis oben an gefuͤllet/
Bey derer uͤberfluß die kargheit taffel haͤlt/
Die haben darum nie den hunger recht geſtillet/
Weil ihre naͤrrſche furcht auf ſpaͤtes alter faͤllt:
Unwiſſend/ daß der nutz der himmeliſchen ſchaͤtze
Weit mehr als irrdſcher koth der ſeelen wunſch ergoͤtze.
Ja/ die erfahrenheit/ und der verdienſte menge/
Erfindung/ die der welt viel neues hat entdeckt/
Haͤlt das geſetzte ziel der grufft vor allzuenge;
Als waͤre noch ſo viel in unſrer bruſt verſteckt:
Und ieder weiß/ daß doch die kentniß aller dinge
Uns erſt im paradiſ’ und nach der grufft gelinge.
Am meiſten aber bricht der menſchen kuͤhnes klagen
Bey uͤbereiltem fall der fruͤhen jugend aus;
Da weiß man nicht genug von hoffnungen zu ſagen:
Bejammern und verluſt erfuͤllt das gantze hauß:
Da fallen pfeiler ein und ſchloͤſſer der gedancken:
Da will der gantze bau von unſrer freude wancken.
Verwehnte ſterblichen! und mehr als irrdſche ſinnen!
Klebt euer niedrig geiſt ſo gar dem untern an?
Betrachtet nur einmahl die uͤberirrdſche zinnen/
Die ohn empfindlichkeit kein menſch betrachten kan!
Geht einmahl aus euch ſelbſt/ entreißt euch der gedancken/
Die euren geiſt verwirrn/ in dieſe erden-ſchrancken!
Und/ o wie bald ſolt ihr dis arme rund verachten/
Und deſſen eitelkeit mit eckel ſchauen an:
Wie gantz begierig ſolt ihr nach den ſchloͤſſern trachten/
Wo euch das hoͤchſte gut unendlich werden kan:
Euch
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