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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Verliebte Gedichte.
Mein kind/ ich will dich nicht mit sitten lehren speisen;
Mein brieff war neulich kaum nach - -     abgeschickt/
Die augen waren erst vom schlaffe zugedrückt/
Da reitzte mich die lust schon wieder nachzureisen.
Pfuy! sprach ich! lästu so die süsse zeit verschiessen?
Strahlt deine sonne dich mit todten blicken an?
Wer ist/ der deinem thun hier grentzen setzen kan?
Und wer/ der deinen geist in fässel denckt zuschliessen?
Wilstu die nase nun erst in die bücher stecken?
Ach allzuschwache krafft vor deine liebes-pein!
Da muß kein todtes oel und fauler balsam seyn/
Wo sich die funcken schon in lichte flammen strecken.
Weg mit der phantasey! weg mit den feder possen!
Ein mägdgen ist weit mehr/ als alle bücher werth.
Der hat sein glücke schon in asch und grauß verkehrt/
Der in das cabinet auch seel' und geist verschlossen.
Mit diesen sprang ich auff/ fing alles anzuschmeissen/
Riß zeddel und pappier in hundert stück entzwey/
Und sprach: die last ist hin und Abimenin frey:
So muß ein tapffres hertz durch tausend stricke reissen.
Ein blat/ ein kahles blat soll meine freyheit binden?
Ha/ (fuhr ich weiter fort) das stünde schülern an:
Ich habe längsten schon dir/ liebste/ dargethan/
Daß ich in dir allein will meinen kärcker finden.
Der eifer mehrte sich wie meine liebes-kohlen/
Gleich aber als ich noch die letzten worte sprach/
Da trat des fuhrmanns knecht in unser schlaff-gemach/
Um den verdienten lohn von neulich abzuholen.
Er ließ sich unverhofft durch meine lust bewegen/
Befohlen und geschehn/ war alles nur ein wort:
Ich saß mit Thyrsis auff/ und fuhren beyde fort/
Um dir die liebes-schuld/ mein engel/ abzulegen.
Es schien der himmel selbst bestrahlte mein verreisen/
Die winde liessen nichts als amber-lüffte wehn/
Die wolcken musten uns in tausend rosen sehn/
Und auge/ mund und hertz mit voller anmuth speisen.
Die pferde säumten nicht den leicht-beladnen wagen/
Die räder flohen schnell/ wie pfeile/ strohm und plitz/
Die glieder fühlten kaum den hart gebauten sitz/
Und wurden wie ein stein durch dicke lufft getragen.
Und so weit muste mich das blinde glücke küssen.
Darauff nahm Sandau uns zur abend taffel ein:
Ach Sandau! daß du soltst mein trauer-denckmahl seyn!
Ach Sandau/ daß du mich in diese noth gerissen!

War-
D 4

Verliebte Gedichte.
Mein kind/ ich will dich nicht mit ſitten lehren ſpeiſen;
Mein brieff war neulich kaum nach ⸗ ⸗     abgeſchickt/
Die augen waren erſt vom ſchlaffe zugedruͤckt/
Da reitzte mich die luſt ſchon wieder nachzureiſen.
Pfuy! ſprach ich! laͤſtu ſo die ſuͤſſe zeit verſchieſſen?
Strahlt deine ſonne dich mit todten blicken an?
Wer iſt/ der deinem thun hier grentzen ſetzen kan?
Und wer/ der deinen geiſt in faͤſſel denckt zuſchlieſſen?
Wilſtu die naſe nun erſt in die buͤcher ſtecken?
Ach allzuſchwache krafft vor deine liebes-pein!
Da muß kein todtes oel und fauler balſam ſeyn/
Wo ſich die funcken ſchon in lichte flammen ſtrecken.
Weg mit der phantaſey! weg mit den feder poſſen!
Ein maͤgdgen iſt weit mehr/ als alle buͤcher werth.
Der hat ſein gluͤcke ſchon in aſch und grauß verkehrt/
Der in das cabinet auch ſeel’ und geiſt verſchloſſen.
Mit dieſen ſprang ich auff/ fing alles anzuſchmeiſſen/
Riß zeddel und pappier in hundert ſtuͤck entzwey/
Und ſprach: die laſt iſt hin und Abimenin frey:
So muß ein tapffres hertz durch tauſend ſtricke reiſſen.
Ein blat/ ein kahles blat ſoll meine freyheit binden?
Ha/ (fuhr ich weiter fort) das ſtuͤnde ſchuͤlern an:
Ich habe laͤngſten ſchon dir/ liebſte/ dargethan/
Daß ich in dir allein will meinen kaͤrcker finden.
Der eifer mehrte ſich wie meine liebes-kohlen/
Gleich aber als ich noch die letzten worte ſprach/
Da trat des fuhrmanns knecht in unſer ſchlaff-gemach/
Um den verdienten lohn von neulich abzuholen.
Er ließ ſich unverhofft durch meine luſt bewegen/
Befohlen und geſchehn/ war alles nur ein wort:
Ich ſaß mit Thyrſis auff/ und fuhren beyde fort/
Um dir die liebes-ſchuld/ mein engel/ abzulegen.
Es ſchien der himmel ſelbſt beſtrahlte mein verreiſen/
Die winde lieſſen nichts als amber-luͤffte wehn/
Die wolcken muſten uns in tauſend roſen ſehn/
Und auge/ mund und hertz mit voller anmuth ſpeiſen.
Die pferde ſaͤumten nicht den leicht-beladnen wagen/
Die raͤder flohen ſchnell/ wie pfeile/ ſtrohm und plitz/
Die glieder fuͤhlten kaum den hart gebauten ſitz/
Und wurden wie ein ſtein durch dicke lufft getragen.
Und ſo weit muſte mich das blinde gluͤcke kuͤſſen.
Darauff nahm Sandau uns zur abend taffel ein:
Ach Sandau! daß du ſoltſt mein trauer-denckmahl ſeyn!
Ach Sandau/ daß du mich in dieſe noth geriſſen!

War-
D 4
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[55/0099] Verliebte Gedichte. Mein kind/ ich will dich nicht mit ſitten lehren ſpeiſen; Mein brieff war neulich kaum nach ⸗ ⸗ abgeſchickt/ Die augen waren erſt vom ſchlaffe zugedruͤckt/ Da reitzte mich die luſt ſchon wieder nachzureiſen. Pfuy! ſprach ich! laͤſtu ſo die ſuͤſſe zeit verſchieſſen? Strahlt deine ſonne dich mit todten blicken an? Wer iſt/ der deinem thun hier grentzen ſetzen kan? Und wer/ der deinen geiſt in faͤſſel denckt zuſchlieſſen? Wilſtu die naſe nun erſt in die buͤcher ſtecken? Ach allzuſchwache krafft vor deine liebes-pein! Da muß kein todtes oel und fauler balſam ſeyn/ Wo ſich die funcken ſchon in lichte flammen ſtrecken. Weg mit der phantaſey! weg mit den feder poſſen! Ein maͤgdgen iſt weit mehr/ als alle buͤcher werth. Der hat ſein gluͤcke ſchon in aſch und grauß verkehrt/ Der in das cabinet auch ſeel’ und geiſt verſchloſſen. Mit dieſen ſprang ich auff/ fing alles anzuſchmeiſſen/ Riß zeddel und pappier in hundert ſtuͤck entzwey/ Und ſprach: die laſt iſt hin und Abimenin frey: So muß ein tapffres hertz durch tauſend ſtricke reiſſen. Ein blat/ ein kahles blat ſoll meine freyheit binden? Ha/ (fuhr ich weiter fort) das ſtuͤnde ſchuͤlern an: Ich habe laͤngſten ſchon dir/ liebſte/ dargethan/ Daß ich in dir allein will meinen kaͤrcker finden. Der eifer mehrte ſich wie meine liebes-kohlen/ Gleich aber als ich noch die letzten worte ſprach/ Da trat des fuhrmanns knecht in unſer ſchlaff-gemach/ Um den verdienten lohn von neulich abzuholen. Er ließ ſich unverhofft durch meine luſt bewegen/ Befohlen und geſchehn/ war alles nur ein wort: Ich ſaß mit Thyrſis auff/ und fuhren beyde fort/ Um dir die liebes-ſchuld/ mein engel/ abzulegen. Es ſchien der himmel ſelbſt beſtrahlte mein verreiſen/ Die winde lieſſen nichts als amber-luͤffte wehn/ Die wolcken muſten uns in tauſend roſen ſehn/ Und auge/ mund und hertz mit voller anmuth ſpeiſen. Die pferde ſaͤumten nicht den leicht-beladnen wagen/ Die raͤder flohen ſchnell/ wie pfeile/ ſtrohm und plitz/ Die glieder fuͤhlten kaum den hart gebauten ſitz/ Und wurden wie ein ſtein durch dicke lufft getragen. Und ſo weit muſte mich das blinde gluͤcke kuͤſſen. Darauff nahm Sandau uns zur abend taffel ein: Ach Sandau! daß du ſoltſt mein trauer-denckmahl ſeyn! Ach Sandau/ daß du mich in dieſe noth geriſſen! War- D 4

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/99>, abgerufen am 25.11.2024.