Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite
Verliebte Gedichte.
Als er sie das erste mahl küßte.
ICh habe Sylvia/ dich einmahl nur geküßt/
Und meynt' ich würde mir mein kranckes hertze laben;
O! aber weit gefehlt! ich weiß nicht/ wo es ist/
Und glaub/ es hat sich gar in deinen mund begraben.
Dann meine krafft ist hin: ich fühle nichts als glut/
Und stürbe/ wenn ich nicht aus liebe leben müste.
Ach! wann ein eintzig kuß so grosse würckung thut/
Wie solte mir geschehn/ wann ich dich zehnmal küßte?

An Flavien/ als sie kranck war.
MAn klaget/ Flavia! daß ich dir weh gethan/
Und redet öffentlich/ du werdest bald verscheiden/
Du selber zeigest es durch deine schwachheit an;
So dencke nun/ was ich muß in der seele leiden.
Ich komme/ liebes kind/ mir als ein teuffel für/
Und bin so mir als dir zu einem hencker worden.
Dann alle meine lust bestehet bloß in dir/
Und darum kan ich dich nicht ohne mich ermorden.
O himmel! wende doch die schulden von mir ab/
Hilff meiner Flavia/ und lege mich ins grab!

An Charatinen.
WIe irret doch das rad der menschlichen gedancken!
Wir bilden offtermahls uns diß und jenes ein:
Jedoch wann schluß und rath kaum unterschrieben seyn/
So fängt der leichte sinn schon wieder an zu wancken.
Mein
Verliebte Gedichte.
Als er ſie das erſte mahl kuͤßte.
ICh habe Sylvia/ dich einmahl nur gekuͤßt/
Und meynt’ ich wuͤrde mir mein kranckes hertze laben;
O! aber weit gefehlt! ich weiß nicht/ wo es iſt/
Und glaub/ es hat ſich gar in deinen mund begraben.
Dann meine krafft iſt hin: ich fuͤhle nichts als glut/
Und ſtuͤrbe/ wenn ich nicht aus liebe leben muͤſte.
Ach! wann ein eintzig kuß ſo groſſe wuͤrckung thut/
Wie ſolte mir geſchehn/ wann ich dich zehnmal kuͤßte?

An Flavien/ als ſie kranck war.
MAn klaget/ Flavia! daß ich dir weh gethan/
Und redet oͤffentlich/ du werdeſt bald verſcheiden/
Du ſelber zeigeſt es durch deine ſchwachheit an;
So dencke nun/ was ich muß in der ſeele leiden.
Ich komme/ liebes kind/ mir als ein teuffel fuͤr/
Und bin ſo mir als dir zu einem hencker worden.
Dann alle meine luſt beſtehet bloß in dir/
Und darum kan ich dich nicht ohne mich ermorden.
O himmel! wende doch die ſchulden von mir ab/
Hilff meiner Flavia/ und lege mich ins grab!

An Charatinen.
WIe irret doch das rad der menſchlichen gedancken!
Wir bilden offtermahls uns diß und jenes ein:
Jedoch wann ſchluß und rath kaum unterſchrieben ſeyn/
So faͤngt der leichte ſinn ſchon wieder an zu wancken.
Mein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0098" n="54"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Verliebte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Als er &#x017F;ie das er&#x017F;te mahl ku&#x0364;ßte.</hi> </head><lb/>
          <byline> <hi rendition="#c">B. N.</hi> </byline><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">I</hi>Ch habe Sylvia/ dich einmahl nur geku&#x0364;ßt/</l><lb/>
            <l>Und meynt&#x2019; ich wu&#x0364;rde mir mein kranckes hertze laben;</l><lb/>
            <l>O! aber weit gefehlt! ich weiß nicht/ wo es i&#x017F;t/</l><lb/>
            <l>Und glaub/ es hat &#x017F;ich gar in deinen mund begraben.</l><lb/>
            <l>Dann meine krafft i&#x017F;t hin: ich fu&#x0364;hle nichts als glut/</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;tu&#x0364;rbe/ wenn ich nicht aus liebe leben mu&#x0364;&#x017F;te.</l><lb/>
            <l>Ach! wann ein eintzig kuß &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e wu&#x0364;rckung thut/</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;olte mir ge&#x017F;chehn/ wann ich dich zehnmal ku&#x0364;ßte?</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">An Flavien/ als &#x017F;ie kranck war.</hi> </head><lb/>
          <byline> <hi rendition="#c">B. N.</hi> </byline><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">M</hi>An klaget/ Flavia! daß ich dir weh gethan/</l><lb/>
            <l>Und redet o&#x0364;ffentlich/ du werde&#x017F;t bald ver&#x017F;cheiden/</l><lb/>
            <l>Du &#x017F;elber zeige&#x017F;t es durch deine &#x017F;chwachheit an;</l><lb/>
            <l>So dencke nun/ was ich muß in der &#x017F;eele leiden.</l><lb/>
            <l>Ich komme/ liebes kind/ mir als ein teuffel fu&#x0364;r/</l><lb/>
            <l>Und bin &#x017F;o mir als dir zu einem hencker worden.</l><lb/>
            <l>Dann alle meine lu&#x017F;t be&#x017F;tehet bloß in dir/</l><lb/>
            <l>Und darum kan ich dich nicht ohne mich ermorden.</l><lb/>
            <l>O himmel! wende doch die &#x017F;chulden von mir ab/</l><lb/>
            <l>Hilff meiner Flavia/ und lege mich ins grab!</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">An Charatinen.</hi> </head><lb/>
          <byline> <hi rendition="#c">B. N.</hi> </byline><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>Ie irret doch das rad der men&#x017F;chlichen gedancken!</l><lb/>
            <l>Wir bilden offtermahls uns diß und jenes ein:</l><lb/>
            <l>Jedoch wann &#x017F;chluß und rath kaum unter&#x017F;chrieben &#x017F;eyn/</l><lb/>
            <l>So fa&#x0364;ngt der leichte &#x017F;inn &#x017F;chon wieder an zu wancken.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Mein</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0098] Verliebte Gedichte. Als er ſie das erſte mahl kuͤßte. B. N. ICh habe Sylvia/ dich einmahl nur gekuͤßt/ Und meynt’ ich wuͤrde mir mein kranckes hertze laben; O! aber weit gefehlt! ich weiß nicht/ wo es iſt/ Und glaub/ es hat ſich gar in deinen mund begraben. Dann meine krafft iſt hin: ich fuͤhle nichts als glut/ Und ſtuͤrbe/ wenn ich nicht aus liebe leben muͤſte. Ach! wann ein eintzig kuß ſo groſſe wuͤrckung thut/ Wie ſolte mir geſchehn/ wann ich dich zehnmal kuͤßte? An Flavien/ als ſie kranck war. B. N. MAn klaget/ Flavia! daß ich dir weh gethan/ Und redet oͤffentlich/ du werdeſt bald verſcheiden/ Du ſelber zeigeſt es durch deine ſchwachheit an; So dencke nun/ was ich muß in der ſeele leiden. Ich komme/ liebes kind/ mir als ein teuffel fuͤr/ Und bin ſo mir als dir zu einem hencker worden. Dann alle meine luſt beſtehet bloß in dir/ Und darum kan ich dich nicht ohne mich ermorden. O himmel! wende doch die ſchulden von mir ab/ Hilff meiner Flavia/ und lege mich ins grab! An Charatinen. B. N. WIe irret doch das rad der menſchlichen gedancken! Wir bilden offtermahls uns diß und jenes ein: Jedoch wann ſchluß und rath kaum unterſchrieben ſeyn/ So faͤngt der leichte ſinn ſchon wieder an zu wancken. Mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/98
Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/98>, abgerufen am 25.11.2024.