Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.Verliebte Arien. Ich schlage mich mit nichts als sorglichen gedancken/Mit ach und weh verkürtz ich meine lebens-zeit; Ich werde jämmerlich geqvälet/ Weil dem gemüthe ruh/ dem blute kühlung fehlet. Wie vielmahl sitz ich doch betäubt an allen sinnen! Für schmertzen seh ich offt mit offnen augen nicht. Verstand und witz ist weg/ ich weiß nichts zu beginnen/ Biß daß ein seuffzer mir den dicken nebel bricht. Und dennoch kan ich weder meinen sachen/ Noch meiner thränen lauffein tröstlich ende machen. Ach daß ich einem nur mein leiden könt entdecken! Vielleicht würd dieses noch ein pflaster für mich seyn/ Und in den wunden mir was linderung erwecken. Doch nein! es weiß kein freund mehr rath für meine pein; Drum soll kein mensch von mir erfahren/ Was für gefehrten sich des unglücks mit mir paaren. Ich will hinfüro nicht mit meinen fässeln klingen. Denn welcher sclave rührt ohn schmertzen doch sein joch? Ein stummer seuffzer soll nur nach dem himmel dringen/ Vielleicht erbarmet der sich meiner wunden noch. Zum himmel sollen meine zähren Sich ferner hin zwar still/ doch unabläßig kehren. Es kan doch nirgends hin ein wasser freyer fliessen/ Als an denselben ort/ wovon es anfangs kam. Der himmel martert mich; Drum darff die welt nicht wissen/ Was eigentlich mein leid und meines hertzens-gram. Doch will mich iemand noch beklagen/ So schreib er auff mein grab: Hier ruht ein ziel der plagen. B. N.
Verliebte Arien. Ich ſchlage mich mit nichts als ſorglichen gedancken/Mit ach und weh verkuͤrtz ich meine lebens-zeit; Ich werde jaͤmmerlich geqvaͤlet/ Weil dem gemuͤthe ruh/ dem blute kuͤhlung fehlet. Wie vielmahl ſitz ich doch betaͤubt an allen ſinnen! Fuͤr ſchmertzen ſeh ich offt mit offnen augen nicht. Verſtand und witz iſt weg/ ich weiß nichts zu beginnen/ Biß daß ein ſeuffzer mir den dicken nebel bricht. Und dennoch kan ich weder meinen ſachen/ Noch meiner thraͤnen lauffein troͤſtlich ende machen. Ach daß ich einem nur mein leiden koͤnt entdecken! Vielleicht wuͤrd dieſes noch ein pflaſter fuͤr mich ſeyn/ Und in den wunden mir was linderung erwecken. Doch nein! es weiß kein freund mehr rath fuͤr meine pein; Drum ſoll kein menſch von mir erfahren/ Was fuͤr gefehrten ſich des ungluͤcks mit mir paaren. Ich will hinfuͤro nicht mit meinen faͤſſeln klingen. Denn welcher ſclave ruͤhrt ohn ſchmertzen doch ſein joch? Ein ſtummer ſeuffzer ſoll nur nach dem himmel dringen/ Vielleicht erbarmet der ſich meiner wunden noch. Zum himmel ſollen meine zaͤhren Sich ferner hin zwar ſtill/ doch unablaͤßig kehren. Es kan doch nirgends hin ein waſſer freyer flieſſen/ Als an denſelben ort/ wovon es anfangs kam. Der himmel martert mich; Drum darff die welt nicht wiſſen/ Was eigentlich mein leid und meines hertzens-gram. Doch will mich iemand noch beklagen/ So ſchreib er auff mein grab: Hier ruht ein ziel der plagen. B. N.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0379" n="335"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Verliebte Arien.</hi> </fw><lb/> <l>Ich ſchlage mich mit nichts als ſorglichen gedancken/</l><lb/> <l>Mit ach und weh verkuͤrtz ich meine lebens-zeit;</l><lb/> <l>Ich werde jaͤmmerlich geqvaͤlet/</l><lb/> <l>Weil dem gemuͤthe ruh/ dem blute kuͤhlung fehlet.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wie vielmahl ſitz ich doch betaͤubt an allen ſinnen!</l><lb/> <l>Fuͤr ſchmertzen ſeh ich offt mit offnen augen nicht.</l><lb/> <l>Verſtand und witz iſt weg/ ich weiß nichts zu beginnen/</l><lb/> <l>Biß daß ein ſeuffzer mir den dicken nebel bricht.</l><lb/> <l>Und dennoch kan ich weder meinen ſachen/</l><lb/> <l>Noch meiner thraͤnen lauffein troͤſtlich ende machen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ach daß ich einem nur mein leiden koͤnt entdecken!</l><lb/> <l>Vielleicht wuͤrd dieſes noch ein pflaſter fuͤr mich ſeyn/</l><lb/> <l>Und in den wunden mir was linderung erwecken.</l><lb/> <l>Doch nein! es weiß kein freund mehr rath fuͤr meine pein;</l><lb/> <l>Drum ſoll kein menſch von mir erfahren/</l><lb/> <l>Was fuͤr gefehrten ſich des ungluͤcks mit mir paaren.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ich will hinfuͤro nicht mit meinen faͤſſeln klingen.</l><lb/> <l>Denn welcher ſclave ruͤhrt ohn ſchmertzen doch ſein joch?</l><lb/> <l>Ein ſtummer ſeuffzer ſoll nur nach dem himmel dringen/</l><lb/> <l>Vielleicht erbarmet der ſich meiner wunden noch.</l><lb/> <l>Zum himmel ſollen meine zaͤhren</l><lb/> <l>Sich ferner hin zwar ſtill/ doch unablaͤßig kehren.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Es kan doch nirgends hin ein waſſer freyer flieſſen/</l><lb/> <l>Als an denſelben ort/ wovon es anfangs kam.</l><lb/> <l>Der himmel martert mich; Drum darff die welt nicht wiſſen/</l><lb/> <l>Was eigentlich mein leid und meines hertzens-gram.</l><lb/> <l>Doch will mich iemand noch beklagen/</l><lb/> <l>So ſchreib er auff mein grab: Hier ruht ein ziel der plagen.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <fw place="bottom" type="catch">B. N.</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [335/0379]
Verliebte Arien.
Ich ſchlage mich mit nichts als ſorglichen gedancken/
Mit ach und weh verkuͤrtz ich meine lebens-zeit;
Ich werde jaͤmmerlich geqvaͤlet/
Weil dem gemuͤthe ruh/ dem blute kuͤhlung fehlet.
Wie vielmahl ſitz ich doch betaͤubt an allen ſinnen!
Fuͤr ſchmertzen ſeh ich offt mit offnen augen nicht.
Verſtand und witz iſt weg/ ich weiß nichts zu beginnen/
Biß daß ein ſeuffzer mir den dicken nebel bricht.
Und dennoch kan ich weder meinen ſachen/
Noch meiner thraͤnen lauffein troͤſtlich ende machen.
Ach daß ich einem nur mein leiden koͤnt entdecken!
Vielleicht wuͤrd dieſes noch ein pflaſter fuͤr mich ſeyn/
Und in den wunden mir was linderung erwecken.
Doch nein! es weiß kein freund mehr rath fuͤr meine pein;
Drum ſoll kein menſch von mir erfahren/
Was fuͤr gefehrten ſich des ungluͤcks mit mir paaren.
Ich will hinfuͤro nicht mit meinen faͤſſeln klingen.
Denn welcher ſclave ruͤhrt ohn ſchmertzen doch ſein joch?
Ein ſtummer ſeuffzer ſoll nur nach dem himmel dringen/
Vielleicht erbarmet der ſich meiner wunden noch.
Zum himmel ſollen meine zaͤhren
Sich ferner hin zwar ſtill/ doch unablaͤßig kehren.
Es kan doch nirgends hin ein waſſer freyer flieſſen/
Als an denſelben ort/ wovon es anfangs kam.
Der himmel martert mich; Drum darff die welt nicht wiſſen/
Was eigentlich mein leid und meines hertzens-gram.
Doch will mich iemand noch beklagen/
So ſchreib er auff mein grab: Hier ruht ein ziel der plagen.
B. N.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |