Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.Verliebte Arien. An Flavien. ACh Flavia! du qvelle meiner schmertzen/ Was hat dir doch dein treuer knecht gethan? Daß nicht dein ohr die seuffzer meines hertzen Mehr/ wie vorhin/ gedultig leiden kan? Und daß mein mund nach hundert tausend küssen/ Doch endlich nun in thränen muß zerfliessen? Ein sclave/ der die jammer-vollen ketten Nur mit gedult und tieffer demut trägt/ Kan endlich doch sich durch die flucht erretten/ Wenn ihm die zeit die fässel abgelegt: Ach aber! ach! wo soll ich rettung finden? Weil mich dein arm kan allenthalben binden. Ich muß nur stehn und deine straffe suchen/ Die/ schönste/ mir dein strenges auge spricht: Sonst müst ich offt dem himmel selber fluchen/ Wenn er den glantz durch trübe wolcken bricht. Dein hertz ist ja der himmel meiner freuden; Drum will ich auch itzt seine donner leiden. Ich bin bißher zu glücklich fast gewesen/ Ich habe dich mehr als zuviel geküst: Wenn ich den schnee von deiner brust gelesen/ Und unser mund wie thau zerflossen ist: Dieweil ich nun verbothne frucht genossen/ So wird mir auch mein paradieß verschlossen. Wohlan denn! wenn ich nicht soll länger leben/ O Flavia! so sterb ich mit gedult. Hastu mich gleich mit thränen itzt vergeben/ So geb ich dir doch/ schönste/ keine schuld. Denn wer zu früh will mit dem feuer spielen/ Muß endlich sich mit solchem wasser kühlen. Gedan-
Verliebte Arien. An Flavien. ACh Flavia! du qvelle meiner ſchmertzen/ Was hat dir doch dein treuer knecht gethan? Daß nicht dein ohr die ſeuffzer meines hertzen Mehr/ wie vorhin/ gedultig leiden kan? Und daß mein mund nach hundert tauſend kuͤſſen/ Doch endlich nun in thraͤnen muß zerflieſſen? Ein ſclave/ der die jammer-vollen ketten Nur mit gedult und tieffer demut traͤgt/ Kan endlich doch ſich durch die flucht erretten/ Wenn ihm die zeit die faͤſſel abgelegt: Ach aber! ach! wo ſoll ich rettung finden? Weil mich dein arm kan allenthalben binden. Ich muß nur ſtehn und deine ſtraffe ſuchen/ Die/ ſchoͤnſte/ mir dein ſtrenges auge ſpricht: Sonſt muͤſt ich offt dem himmel ſelber fluchen/ Wenn er den glantz durch truͤbe wolcken bricht. Dein hertz iſt ja der himmel meiner freuden; Drum will ich auch itzt ſeine donner leiden. Ich bin bißher zu gluͤcklich faſt geweſen/ Ich habe dich mehr als zuviel gekuͤſt: Wenn ich den ſchnee von deiner bruſt geleſen/ Und unſer mund wie thau zerfloſſen iſt: Dieweil ich nun verbothne frucht genoſſen/ So wird mir auch mein paradieß verſchloſſen. Wohlan denn! wenn ich nicht ſoll laͤnger leben/ O Flavia! ſo ſterb ich mit gedult. Haſtu mich gleich mit thraͤnen itzt vergeben/ So geb ich dir doch/ ſchoͤnſte/ keine ſchuld. Denn wer zu fruͤh will mit dem feuer ſpielen/ Muß endlich ſich mit ſolchem waſſer kuͤhlen. Gedan-
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Verliebte Arien.
An Flavien.
B. N.
ACh Flavia! du qvelle meiner ſchmertzen/
Was hat dir doch dein treuer knecht gethan?
Daß nicht dein ohr die ſeuffzer meines hertzen
Mehr/ wie vorhin/ gedultig leiden kan?
Und daß mein mund nach hundert tauſend kuͤſſen/
Doch endlich nun in thraͤnen muß zerflieſſen?
Ein ſclave/ der die jammer-vollen ketten
Nur mit gedult und tieffer demut traͤgt/
Kan endlich doch ſich durch die flucht erretten/
Wenn ihm die zeit die faͤſſel abgelegt:
Ach aber! ach! wo ſoll ich rettung finden?
Weil mich dein arm kan allenthalben binden.
Ich muß nur ſtehn und deine ſtraffe ſuchen/
Die/ ſchoͤnſte/ mir dein ſtrenges auge ſpricht:
Sonſt muͤſt ich offt dem himmel ſelber fluchen/
Wenn er den glantz durch truͤbe wolcken bricht.
Dein hertz iſt ja der himmel meiner freuden;
Drum will ich auch itzt ſeine donner leiden.
Ich bin bißher zu gluͤcklich faſt geweſen/
Ich habe dich mehr als zuviel gekuͤſt:
Wenn ich den ſchnee von deiner bruſt geleſen/
Und unſer mund wie thau zerfloſſen iſt:
Dieweil ich nun verbothne frucht genoſſen/
So wird mir auch mein paradieß verſchloſſen.
Wohlan denn! wenn ich nicht ſoll laͤnger leben/
O Flavia! ſo ſterb ich mit gedult.
Haſtu mich gleich mit thraͤnen itzt vergeben/
So geb ich dir doch/ ſchoͤnſte/ keine ſchuld.
Denn wer zu fruͤh will mit dem feuer ſpielen/
Muß endlich ſich mit ſolchem waſſer kuͤhlen.
Gedan-
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