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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Verliebte Arien.
Caliste sey nicht felß und stein/
Soll ich ein leben schon verderben?
Was mach ich/ wann ich werde sterben?
Ists nicht genug dann todt zu seyn?
Zweymahl zu sterben ist zu viel/
Und zwar dich ewig zu verlieren/
Ich fehl lebendig meinem ziel/
Und in dem tode kan ich gar dich nicht berühren.
Hastu ein hertz von fleisch und blut/
So hastu/ als ein mensch/ empfinden/
Du straffst zu hart so kleine sünden/
Da doch dein zorn was höhers thut/
Der himmel der dir gnädig ist/
Heist dich nicht unbarmhertzig bleiben:
Und weil du selbst ein sünder bist/
Muß keinen übermuth dein unmuth mit mir treiben.
Doch ist mein tod bey dir gemacht/
Wohlan! so schick ich mich zum ende/
Und spreche/ daß Calistens hände
Aus grausamkeit mich umgebracht.
Der ich im leben war zu schlecht/
Die würdigt mich doch zu verderben;
Dann mir verbleibet nur das recht:
Durch ihre grausamkeit unschuldig hin zusterben.
Caliste noch ein eintzigs wort:
Man soll den sterbenden gewähren/
Was sie zu guter letzt begehren:
Vollbring in deiner schooß den mord.
Dann weil ich einmahl sterben soll/
Ist dir es gleich/ wie ich verscheide/
Und ob durch pein/ weh oder wohl/
Von schmertzen oder lust ich dieses urthel leide.


C. H. V. H.
Verliebte Arien.
Caliſte ſey nicht felß und ſtein/
Soll ich ein leben ſchon verderben?
Was mach ich/ wann ich werde ſterben?
Iſts nicht genug dann todt zu ſeyn?
Zweymahl zu ſterben iſt zu viel/
Und zwar dich ewig zu verlieren/
Ich fehl lebendig meinem ziel/
Und in dem tode kan ich gar dich nicht beruͤhren.
Haſtu ein hertz von fleiſch und blut/
So haſtu/ als ein menſch/ empfinden/
Du ſtraffſt zu hart ſo kleine ſuͤnden/
Da doch dein zorn was hoͤhers thut/
Der himmel der dir gnaͤdig iſt/
Heiſt dich nicht unbarmhertzig bleiben:
Und weil du ſelbſt ein ſuͤnder biſt/
Muß keinen uͤbermuth dein unmuth mit mir treiben.
Doch iſt mein tod bey dir gemacht/
Wohlan! ſo ſchick ich mich zum ende/
Und ſpreche/ daß Caliſtens haͤnde
Aus grauſamkeit mich umgebracht.
Der ich im leben war zu ſchlecht/
Die wuͤrdigt mich doch zu verderben;
Dann mir verbleibet nur das recht:
Durch ihre grauſamkeit unſchuldig hin zuſterben.
Caliſte noch ein eintzigs wort:
Man ſoll den ſterbenden gewaͤhren/
Was ſie zu guter letzt begehren:
Vollbring in deiner ſchooß den mord.
Dann weil ich einmahl ſterben ſoll/
Iſt dir es gleich/ wie ich verſcheide/
Und ob durch pein/ weh oder wohl/
Von ſchmertzen oder luſt ich dieſes urthel leide.


C. H. V. H.
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[310/0354] Verliebte Arien. Caliſte ſey nicht felß und ſtein/ Soll ich ein leben ſchon verderben? Was mach ich/ wann ich werde ſterben? Iſts nicht genug dann todt zu ſeyn? Zweymahl zu ſterben iſt zu viel/ Und zwar dich ewig zu verlieren/ Ich fehl lebendig meinem ziel/ Und in dem tode kan ich gar dich nicht beruͤhren. Haſtu ein hertz von fleiſch und blut/ So haſtu/ als ein menſch/ empfinden/ Du ſtraffſt zu hart ſo kleine ſuͤnden/ Da doch dein zorn was hoͤhers thut/ Der himmel der dir gnaͤdig iſt/ Heiſt dich nicht unbarmhertzig bleiben: Und weil du ſelbſt ein ſuͤnder biſt/ Muß keinen uͤbermuth dein unmuth mit mir treiben. Doch iſt mein tod bey dir gemacht/ Wohlan! ſo ſchick ich mich zum ende/ Und ſpreche/ daß Caliſtens haͤnde Aus grauſamkeit mich umgebracht. Der ich im leben war zu ſchlecht/ Die wuͤrdigt mich doch zu verderben; Dann mir verbleibet nur das recht: Durch ihre grauſamkeit unſchuldig hin zuſterben. Caliſte noch ein eintzigs wort: Man ſoll den ſterbenden gewaͤhren/ Was ſie zu guter letzt begehren: Vollbring in deiner ſchooß den mord. Dann weil ich einmahl ſterben ſoll/ Iſt dir es gleich/ wie ich verſcheide/ Und ob durch pein/ weh oder wohl/ Von ſchmertzen oder luſt ich dieſes urthel leide. C. H. V. H.

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/354>, abgerufen am 22.11.2024.