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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
46.
Denn wie wenn einmahl der himmel die schnecken
Mit den bebisamten silber-thau tränckt/
Sie ihm zum andernmahl dürstiger lecken/
Wenn er noch einmahl auff kräuter sich senckt:
Also vermehret von vielem geniessen
Sich die geschöpffte begierde zu küssen.
47.
Ja! wenn am besten die lippen bedächten/
Daß noch zum meisten ein einiger kuß
Durch das mit nectar erfrischte befeuchten/
Sie von dem dürsten erledigen muß/
Ach/ ach/ so seh' sie sich eher verbrennet/
Eh' sie den kuß für ein feuer erkennet.
48.
Fühlten es gleich auch die lodernden hertzen/
Küssen sey eine verzehrende glut/
Eine vergifftung/ ein oele den schmertzen/
Eine mit flammen ersäuffende flut/
Würden sie doch wohl im küssenden sterben
Wollen verglimmen/ ersäuffen/ verderben.
49.
Denn es gelüstet die rächelnden seelen/
Wenn sie die thränenden lippen anschaun/
Zwischen dergleichen zinobernen hölen
Ihnen ein lebend begräbniß zu baun/
Meynende/ für dem nicht küssenden leben
Wäre der küssende tod zu erheben.
50.
Sehnlicher tod! Roselinde nun tödte?
Selige wunde! ach mache mich wund.
Lehre den/ mit der verschwisterten röthe/
Und den mit pfeilen gewaffneten mund;
Denn er ist/ warlich/ ein köcher voll küsse/
Tödte/ verwunde mich. Beydes ist süsse.
Heil-
Vermiſchte Gedichte.
46.
Denn wie wenn einmahl der himmel die ſchnecken
Mit den bebiſamten ſilber-thau traͤnckt/
Sie ihm zum andernmahl duͤrſtiger lecken/
Wenn er noch einmahl auff kraͤuter ſich ſenckt:
Alſo vermehret von vielem genieſſen
Sich die geſchoͤpffte begierde zu kuͤſſen.
47.
Ja! wenn am beſten die lippen bedaͤchten/
Daß noch zum meiſten ein einiger kuß
Durch das mit nectar erfriſchte befeuchten/
Sie von dem duͤrſten erledigen muß/
Ach/ ach/ ſo ſeh’ ſie ſich eher verbrennet/
Eh’ ſie den kuß fuͤr ein feuer erkennet.
48.
Fuͤhlten es gleich auch die lodernden hertzen/
Kuͤſſen ſey eine verzehrende glut/
Eine vergifftung/ ein oele den ſchmertzen/
Eine mit flammen erſaͤuffende flut/
Wuͤrden ſie doch wohl im kuͤſſenden ſterben
Wollen verglimmen/ erſaͤuffen/ verderben.
49.
Denn es geluͤſtet die raͤchelnden ſeelen/
Wenn ſie die thraͤnenden lippen anſchaun/
Zwiſchen dergleichen zinobernen hoͤlen
Ihnen ein lebend begraͤbniß zu baun/
Meynende/ fuͤr dem nicht kuͤſſenden leben
Waͤre der kuͤſſende tod zu erheben.
50.
Sehnlicher tod! Roſelinde nun toͤdte?
Selige wunde! ach mache mich wund.
Lehre den/ mit der verſchwiſterten roͤthe/
Und den mit pfeilen gewaffneten mund;
Denn er iſt/ warlich/ ein koͤcher voll kuͤſſe/
Toͤdte/ verwunde mich. Beydes iſt ſuͤſſe.
Heil-
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[282/0326] Vermiſchte Gedichte. 46. Denn wie wenn einmahl der himmel die ſchnecken Mit den bebiſamten ſilber-thau traͤnckt/ Sie ihm zum andernmahl duͤrſtiger lecken/ Wenn er noch einmahl auff kraͤuter ſich ſenckt: Alſo vermehret von vielem genieſſen Sich die geſchoͤpffte begierde zu kuͤſſen. 47. Ja! wenn am beſten die lippen bedaͤchten/ Daß noch zum meiſten ein einiger kuß Durch das mit nectar erfriſchte befeuchten/ Sie von dem duͤrſten erledigen muß/ Ach/ ach/ ſo ſeh’ ſie ſich eher verbrennet/ Eh’ ſie den kuß fuͤr ein feuer erkennet. 48. Fuͤhlten es gleich auch die lodernden hertzen/ Kuͤſſen ſey eine verzehrende glut/ Eine vergifftung/ ein oele den ſchmertzen/ Eine mit flammen erſaͤuffende flut/ Wuͤrden ſie doch wohl im kuͤſſenden ſterben Wollen verglimmen/ erſaͤuffen/ verderben. 49. Denn es geluͤſtet die raͤchelnden ſeelen/ Wenn ſie die thraͤnenden lippen anſchaun/ Zwiſchen dergleichen zinobernen hoͤlen Ihnen ein lebend begraͤbniß zu baun/ Meynende/ fuͤr dem nicht kuͤſſenden leben Waͤre der kuͤſſende tod zu erheben. 50. Sehnlicher tod! Roſelinde nun toͤdte? Selige wunde! ach mache mich wund. Lehre den/ mit der verſchwiſterten roͤthe/ Und den mit pfeilen gewaffneten mund; Denn er iſt/ warlich/ ein koͤcher voll kuͤſſe/ Toͤdte/ verwunde mich. Beydes iſt ſuͤſſe. Heil-

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/326>, abgerufen am 28.08.2024.