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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
So gar genau hat uns natur und kunst verbunden.
Wie kommts nun/ daß mich nicht auch dein gelücke trifft?
Daß/ da du deinen sitz in Friedrichs auen funden/
Mein fauler hoffnungs-kahn auff schwerem sande schifft?
Daß dich ein grosser fürst aus seinem garten speiset/
Und mein verhängniß mich in dürre wüsten treibt:
Dein Mund den Brennus-Stamm/ die zunge götter preiset;
Mein spiel-werck aber nur für arme schäfer bleibt.
O tochter Pandions! O süsse Philomele!
Erbarme/ wo du kanst/ dich meiner traurigkeit/
Und wirff nur einen blick auff meine dornen-höle/
Wann dein gelücke dich mit rosen überstreut.
Ich ärgere mich nicht an deinen guten tagen;
Ich gönne gerne dir des hofes sonnen-schein:
Es mag dich Friederich auff seinen händen tragen/
Dein trincken nectar-safft/ die speise zucker seyn:
Dann du hast alles diß auff erden wohl verdienet.
Und wir erkennen es für einen himmels-schluß/
Daß/ weil dich Mavors kind * zu tödten sich erkühnet/
Ein neuer Marsen-sohn dich wieder schützen muß.
Bitt aber/ schönste/ nur für mein betrübtes leben/
Und trag bey rechter zeit mich deinem Churfürst an:
Vielleicht will GOttes hand durch einen vogel geben/
Was weder witz noch kunst durch müh erhalten kan.
Du darffst nicht allererst nach meinem kummer fragen:
Doch frage/ wo du wilst/ nur bäume/ gras und stein:
Die alle werden dir/ die alle werden sagen/
Daß meine seuffzer nichts als ehr und tugend seyn:
Und daß ich darum mich in heissen thränen bade;
Weil meine Poesie mit schimpffe betteln geht/
Und iede wissenschafft in Friederichs genade/
Sie aber noch allein in keinen diensten steht.
Mein flehen ist gerecht: ach aber auch vergebens!
Dann dein beglückter stand kennt meine seuffzer nicht:
Und der erinnert sich gar selten fremdes lebens/
Der täglich so wie du bey hofe blumen bricht.

So klagte Seladon/ und legte mit verdruß
Die flöte/ die er trug/ bey einer fichte nieder.
Was nutzen/ sprach er drauff/ mir meine helden-lieder/
Wann ich wie grillen nur im winckel singen muß?
Ihr
* Tereus ist nach der Poeten meynung des Martis sohn gewesen.

Vermiſchte Gedichte.
So gar genau hat uns natur und kunſt verbunden.
Wie kommts nun/ daß mich nicht auch dein geluͤcke trifft?
Daß/ da du deinen ſitz in Friedrichs auen funden/
Mein fauler hoffnungs-kahn auff ſchwerem ſande ſchifft?
Daß dich ein groſſer fuͤrſt aus ſeinem garten ſpeiſet/
Und mein verhaͤngniß mich in duͤrre wuͤſten treibt:
Dein Mund den Brennus-Stamm/ die zunge goͤtter preiſet;
Mein ſpiel-werck aber nur fuͤr arme ſchaͤfer bleibt.
O tochter Pandions! O ſuͤſſe Philomele!
Erbarme/ wo du kanſt/ dich meiner traurigkeit/
Und wirff nur einen blick auff meine dornen-hoͤle/
Wann dein geluͤcke dich mit roſen uͤberſtreut.
Ich aͤrgere mich nicht an deinen guten tagen;
Ich goͤnne gerne dir des hofes ſonnen-ſchein:
Es mag dich Friederich auff ſeinen haͤnden tragen/
Dein trincken nectar-ſafft/ die ſpeiſe zucker ſeyn:
Dann du haſt alles diß auff erden wohl verdienet.
Und wir erkennen es fuͤr einen himmels-ſchluß/
Daß/ weil dich Mavors kind * zu toͤdten ſich erkuͤhnet/
Ein neuer Marſen-ſohn dich wieder ſchuͤtzen muß.
Bitt aber/ ſchoͤnſte/ nur fuͤr mein betruͤbtes leben/
Und trag bey rechter zeit mich deinem Churfuͤrſt an:
Vielleicht will GOttes hand durch einen vogel geben/
Was weder witz noch kunſt durch muͤh erhalten kan.
Du darffſt nicht allererſt nach meinem kummer fragen:
Doch frage/ wo du wilſt/ nur baͤume/ gras und ſtein:
Die alle werden dir/ die alle werden ſagen/
Daß meine ſeuffzer nichts als ehr und tugend ſeyn:
Und daß ich darum mich in heiſſen thraͤnen bade;
Weil meine Poeſie mit ſchimpffe betteln geht/
Und iede wiſſenſchafft in Friederichs genade/
Sie aber noch allein in keinen dienſten ſteht.
Mein flehen iſt gerecht: ach aber auch vergebens!
Dann dein begluͤckter ſtand kennt meine ſeuffzer nicht:
Und der erinnert ſich gar ſelten fremdes lebens/
Der taͤglich ſo wie du bey hofe blumen bricht.

So klagte Seladon/ und legte mit verdruß
Die floͤte/ die er trug/ bey einer fichte nieder.
Was nutzen/ ſprach er drauff/ mir meine helden-lieder/
Wann ich wie grillen nur im winckel ſingen muß?
Ihr
* Tereus iſt nach der Poeten meynung des Martis ſohn geweſen.
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[206/0250] Vermiſchte Gedichte. So gar genau hat uns natur und kunſt verbunden. Wie kommts nun/ daß mich nicht auch dein geluͤcke trifft? Daß/ da du deinen ſitz in Friedrichs auen funden/ Mein fauler hoffnungs-kahn auff ſchwerem ſande ſchifft? Daß dich ein groſſer fuͤrſt aus ſeinem garten ſpeiſet/ Und mein verhaͤngniß mich in duͤrre wuͤſten treibt: Dein Mund den Brennus-Stamm/ die zunge goͤtter preiſet; Mein ſpiel-werck aber nur fuͤr arme ſchaͤfer bleibt. O tochter Pandions! O ſuͤſſe Philomele! Erbarme/ wo du kanſt/ dich meiner traurigkeit/ Und wirff nur einen blick auff meine dornen-hoͤle/ Wann dein geluͤcke dich mit roſen uͤberſtreut. Ich aͤrgere mich nicht an deinen guten tagen; Ich goͤnne gerne dir des hofes ſonnen-ſchein: Es mag dich Friederich auff ſeinen haͤnden tragen/ Dein trincken nectar-ſafft/ die ſpeiſe zucker ſeyn: Dann du haſt alles diß auff erden wohl verdienet. Und wir erkennen es fuͤr einen himmels-ſchluß/ Daß/ weil dich Mavors kind * zu toͤdten ſich erkuͤhnet/ Ein neuer Marſen-ſohn dich wieder ſchuͤtzen muß. Bitt aber/ ſchoͤnſte/ nur fuͤr mein betruͤbtes leben/ Und trag bey rechter zeit mich deinem Churfuͤrſt an: Vielleicht will GOttes hand durch einen vogel geben/ Was weder witz noch kunſt durch muͤh erhalten kan. Du darffſt nicht allererſt nach meinem kummer fragen: Doch frage/ wo du wilſt/ nur baͤume/ gras und ſtein: Die alle werden dir/ die alle werden ſagen/ Daß meine ſeuffzer nichts als ehr und tugend ſeyn: Und daß ich darum mich in heiſſen thraͤnen bade; Weil meine Poeſie mit ſchimpffe betteln geht/ Und iede wiſſenſchafft in Friederichs genade/ Sie aber noch allein in keinen dienſten ſteht. Mein flehen iſt gerecht: ach aber auch vergebens! Dann dein begluͤckter ſtand kennt meine ſeuffzer nicht: Und der erinnert ſich gar ſelten fremdes lebens/ Der taͤglich ſo wie du bey hofe blumen bricht. So klagte Seladon/ und legte mit verdruß Die floͤte/ die er trug/ bey einer fichte nieder. Was nutzen/ ſprach er drauff/ mir meine helden-lieder/ Wann ich wie grillen nur im winckel ſingen muß? Ihr * Tereus iſt nach der Poeten meynung des Martis ſohn geweſen.

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/250>, abgerufen am 23.11.2024.