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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
Den rundgewölbten mund in seinen mund gesteckt/
Der lippen süsse milch wie kinder angesogen/
Der wangen liebes-schnee wie zucker abgeleckt/
Und seinen schwachen geist dem hertzen nachgezogen.
Und kennt ich diese nicht/ fieng auch das handfaß an/
So wäre nicht mein zinn so voller holer ballen;
Denn wenn ihr offters schon der rücken weh gethan/
Und sie vor küssen fast in ohnmacht wollen fallen;
So hab ich ärmstes denn die stütze müssen seyn.
Ach! würde mir so viel nur wasser eingegossen/
Als täglich Lälien ambrirter liebes-wein
Von Polydoren ist in ihren mund geflossen/
Hier traten sie zurück. Und/ sprach Cupido drauff/
Nun sieht man wo der grund der klagen ist geblieben/
Doch weist beklagte noch auch dieses zeugniß auff/
Daß ihr die Venus selbst mit eigner hand geschrieben.
Aus diesem buche wird ein ieder aber sehn/
Wie Läliens gesicht und Polidor sich küssen/
Wie artig mund auff mund zusammen buhlen stehn;
Indem die muter sie hierinnen abgerissen.
Hier übergab er nun dem richter schrifft und buch/
Wer aber war wohl mehr als Lälia gewesen?
Apollo löste selbst das rothe scharlach-tuch/
Und gab die edle schrifft/ wie folget/ abzulesen:
Wir Venus zeugen hier mit unsrer eignen hand/
Daß wir die Lälie vor völlig schön erkennen;
Und machen durch diß blat der gantzen welt bekandt/
Daß [k]einer/ der sie schimpfft/ soll unserm zorn entrennen.
Drauff sah er in das buch/ auff Polidorens mund/
Und sprach: wir solten wohl nun straff und urthel häuffen:
Allein durch dieses thut die liebes-göttin kund/
Daß sich kein andrer soll an Lälien vergreiffen.
Nun aber kan ja nicht die straffe so ergehn/
Daß nicht auch Lälia den schaden müste büssen:
Denn wo die glieder schon in blut und thränen stehn/
Da kan das hertze nicht in muscateller fliessen.
Genug daß Venus selbst die nase schön erkannt;
Und darum sollen sie der straffe seyn entnommen/
Biß daß ihr Polidor aus Hol- und Engeland/
Wird wieder voller lust zu seiner sonne kommen.
Inzwischen soll hiemit euch fest befohlen seyn/
Daß ieder künfftig wird dergleichen schimpff vermeiden;
Im fall er nicht von uns gerechte straff und pein/
Und tausend urthel will von Polidoren leiden.

Zuletz[t]

Vermiſchte Gedichte.
Den rundgewoͤlbten mund in ſeinen mund geſteckt/
Der lippen ſuͤſſe milch wie kinder angeſogen/
Der wangen liebes-ſchnee wie zucker abgeleckt/
Und ſeinen ſchwachen geiſt dem hertzen nachgezogen.
Und kennt ich dieſe nicht/ fieng auch das handfaß an/
So waͤre nicht mein zinn ſo voller holer ballen;
Denn wenn ihr offters ſchon der ruͤcken weh gethan/
Und ſie vor kuͤſſen faſt in ohnmacht wollen fallen;
So hab ich aͤrmſtes denn die ſtuͤtze muͤſſen ſeyn.
Ach! wuͤrde mir ſo viel nur waſſer eingegoſſen/
Als taͤglich Laͤlien ambrirter liebes-wein
Von Polydoren iſt in ihren mund gefloſſen/
Hier traten ſie zuruͤck. Und/ ſprach Cupido drauff/
Nun ſieht man wo der grund der klagen iſt geblieben/
Doch weiſt beklagte noch auch dieſes zeugniß auff/
Daß ihr die Venus ſelbſt mit eigner hand geſchrieben.
Aus dieſem buche wird ein ieder aber ſehn/
Wie Laͤliens geſicht und Polidor ſich kuͤſſen/
Wie artig mund auff mund zuſammen buhlen ſtehn;
Indem die muter ſie hierinnen abgeriſſen.
Hier uͤbergab er nun dem richter ſchrifft und buch/
Wer aber war wohl mehr als Laͤlia geweſen?
Apollo loͤſte ſelbſt das rothe ſcharlach-tuch/
Und gab die edle ſchrifft/ wie folget/ abzuleſen:
Wir Venus zeugen hier mit unſrer eignen hand/
Daß wir die Laͤlie vor voͤllig ſchoͤn erkennen;
Und machen durch diß blat der gantzen welt bekandt/
Daß [k]einer/ der ſie ſchimpfft/ ſoll unſerm zorn entrennen.
Drauff ſah er in das buch/ auff Polidorens mund/
Und ſprach: wir ſolten wohl nun ſtraff und urthel haͤuffen:
Allein durch dieſes thut die liebes-goͤttin kund/
Daß ſich kein andrer ſoll an Laͤlien vergreiffen.
Nun aber kan ja nicht die ſtraffe ſo ergehn/
Daß nicht auch Laͤlia den ſchaden muͤſte buͤſſen:
Denn wo die glieder ſchon in blut und thraͤnen ſtehn/
Da kan das hertze nicht in muſcateller flieſſen.
Genug daß Venus ſelbſt die naſe ſchoͤn erkannt;
Und darum ſollen ſie der ſtraffe ſeyn entnommen/
Biß daß ihr Polidor aus Hol- und Engeland/
Wird wieder voller luſt zu ſeiner ſonne kommen.
Inzwiſchen ſoll hiemit euch feſt befohlen ſeyn/
Daß ieder kuͤnfftig wird dergleichen ſchimpff vermeiden;
Im fall er nicht von uns gerechte ſtraff und pein/
Und tauſend urthel will von Polidoren leiden.

Zuletz[t]
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[202/0246] Vermiſchte Gedichte. Den rundgewoͤlbten mund in ſeinen mund geſteckt/ Der lippen ſuͤſſe milch wie kinder angeſogen/ Der wangen liebes-ſchnee wie zucker abgeleckt/ Und ſeinen ſchwachen geiſt dem hertzen nachgezogen. Und kennt ich dieſe nicht/ fieng auch das handfaß an/ So waͤre nicht mein zinn ſo voller holer ballen; Denn wenn ihr offters ſchon der ruͤcken weh gethan/ Und ſie vor kuͤſſen faſt in ohnmacht wollen fallen; So hab ich aͤrmſtes denn die ſtuͤtze muͤſſen ſeyn. Ach! wuͤrde mir ſo viel nur waſſer eingegoſſen/ Als taͤglich Laͤlien ambrirter liebes-wein Von Polydoren iſt in ihren mund gefloſſen/ Hier traten ſie zuruͤck. Und/ ſprach Cupido drauff/ Nun ſieht man wo der grund der klagen iſt geblieben/ Doch weiſt beklagte noch auch dieſes zeugniß auff/ Daß ihr die Venus ſelbſt mit eigner hand geſchrieben. Aus dieſem buche wird ein ieder aber ſehn/ Wie Laͤliens geſicht und Polidor ſich kuͤſſen/ Wie artig mund auff mund zuſammen buhlen ſtehn; Indem die muter ſie hierinnen abgeriſſen. Hier uͤbergab er nun dem richter ſchrifft und buch/ Wer aber war wohl mehr als Laͤlia geweſen? Apollo loͤſte ſelbſt das rothe ſcharlach-tuch/ Und gab die edle ſchrifft/ wie folget/ abzuleſen: Wir Venus zeugen hier mit unſrer eignen hand/ Daß wir die Laͤlie vor voͤllig ſchoͤn erkennen; Und machen durch diß blat der gantzen welt bekandt/ Daß keiner/ der ſie ſchimpfft/ ſoll unſerm zorn entrennen. Drauff ſah er in das buch/ auff Polidorens mund/ Und ſprach: wir ſolten wohl nun ſtraff und urthel haͤuffen: Allein durch dieſes thut die liebes-goͤttin kund/ Daß ſich kein andrer ſoll an Laͤlien vergreiffen. Nun aber kan ja nicht die ſtraffe ſo ergehn/ Daß nicht auch Laͤlia den ſchaden muͤſte buͤſſen: Denn wo die glieder ſchon in blut und thraͤnen ſtehn/ Da kan das hertze nicht in muſcateller flieſſen. Genug daß Venus ſelbſt die naſe ſchoͤn erkannt; Und darum ſollen ſie der ſtraffe ſeyn entnommen/ Biß daß ihr Polidor aus Hol- und Engeland/ Wird wieder voller luſt zu ſeiner ſonne kommen. Inzwiſchen ſoll hiemit euch feſt befohlen ſeyn/ Daß ieder kuͤnfftig wird dergleichen ſchimpff vermeiden; Im fall er nicht von uns gerechte ſtraff und pein/ Und tauſend urthel will von Polidoren leiden. Zuletzt

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/246>, abgerufen am 24.11.2024.