Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite

Vermischte Gedichte.
Du bleibest/ wer du bist/ und unsers nachbars hund
Wird seinen rüssel eh in einen jungfer-mund/
Und sein gekraußtes haar in seid' und gold verkehren/
Eh dein erstarrter kopff wird seinen wurm verzehren.
Was aber habt ihr doch ihr Musen/ nur gedacht/
Als ihr ein solches thier zum doctor habt gemacht/
Ach hört doch einmahl auff der erden vorzulügen;
Sonst wird kein ehrlich kerl ein schönes weib mehr kriegen.


Lob-Schrifft.
Uber den andern theil Arminius/ des

Herrn von Lohenstein.
DEr weißheit muster-platz/ das witzige Athen/
Ließ einst Minervens ruhm im tempel auffzusetzen/
Befehl an den Alcmen und Phidias ergehn:
Sie solten beyderseits ihr bild in marmol ätzen.
Die arbeit ward vollbracht; Die urtheil lieffen ein.
Und endlich ward der preiß dem ersten zugesprochen;
Weil iede linie weit schärffer ausgestochen/
Die stellung aber schien von mehrer kunst zu seyn:
Und menschen insgemein mit maulwurffs-augen schauen/
Was sie/ wie luchsen/ doch sich zu ergründen trauen.
Doch wie ein seiden-wurm in raupen sich verkehrt;
So muste ieder auch ein ander urtheil fällen;
Nachdem dem Phidias sein bitten ward gewährt/
Und man die bilder ließ auff hohe säulen stellen.
Denn nunmehr machte sich der fehler offenbar/
Und ließ die kluge welt aus allen gliedern lesen:
Daß des Alcmenens witz im maase blind gewesen/
Und Phidias sein werck von gräder theilung war.
So gar kan wissenschafft/ wie silber von der erden/
Durch eil und unverstand offt überwogen werden.
Wer

Vermiſchte Gedichte.
Du bleibeſt/ wer du biſt/ und unſers nachbars hund
Wird ſeinen ruͤſſel eh in einen jungfer-mund/
Und ſein gekraußtes haar in ſeid’ und gold verkehren/
Eh dein erſtarrter kopff wird ſeinen wurm verzehren.
Was aber habt ihr doch ihr Muſen/ nur gedacht/
Als ihr ein ſolches thier zum doctor habt gemacht/
Ach hoͤrt doch einmahl auff der erden vorzuluͤgen;
Sonſt wird kein ehrlich kerl ein ſchoͤnes weib mehr kriegen.


Lob-Schrifft.
Uber den andern theil Arminius/ des

Herrn von Lohenſtein.
DEr weißheit muſter-platz/ das witzige Athen/
Ließ einſt Minervens ruhm im tempel auffzuſetzen/
Befehl an den Alcmen und Phidias ergehn:
Sie ſolten beyderſeits ihr bild in marmol aͤtzen.
Die arbeit ward vollbracht; Die urtheil lieffen ein.
Und endlich ward der preiß dem erſten zugeſprochen;
Weil iede linie weit ſchaͤrffer ausgeſtochen/
Die ſtellung aber ſchien von mehrer kunſt zu ſeyn:
Und menſchen insgemein mit maulwurffs-augen ſchauen/
Was ſie/ wie luchſen/ doch ſich zu ergruͤnden trauen.
Doch wie ein ſeiden-wurm in raupen ſich verkehrt;
So muſte ieder auch ein ander urtheil faͤllen;
Nachdem dem Phidias ſein bitten ward gewaͤhrt/
Und man die bilder ließ auff hohe ſaͤulen ſtellen.
Denn nunmehr machte ſich der fehler offenbar/
Und ließ die kluge welt aus allen gliedern leſen:
Daß des Alcmenens witz im maaſe blind geweſen/
Und Phidias ſein werck von graͤder theilung war.
So gar kan wiſſenſchafft/ wie ſilber von der erden/
Durch eil und unverſtand offt uͤberwogen werden.
Wer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <pb facs="#f0234" n="190"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Du bleibe&#x017F;t/ wer du bi&#x017F;t/ und un&#x017F;ers nachbars hund</l><lb/>
            <l>Wird &#x017F;einen ru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el eh in einen jungfer-mund/</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ein gekraußtes haar in &#x017F;eid&#x2019; und gold verkehren/</l><lb/>
            <l>Eh dein er&#x017F;tarrter kopff wird &#x017F;einen wurm verzehren.</l><lb/>
            <l>Was aber habt ihr doch ihr Mu&#x017F;en/ nur gedacht/</l><lb/>
            <l>Als ihr ein &#x017F;olches thier zum doctor habt gemacht/</l><lb/>
            <l>Ach ho&#x0364;rt doch einmahl auff der erden vorzulu&#x0364;gen;</l><lb/>
            <l>Son&#x017F;t wird kein ehrlich kerl ein &#x017F;cho&#x0364;nes weib mehr kriegen.</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <head><hi rendition="#b">Lob-Schrifft.<lb/>
Uber den andern theil Arminius/ des</hi><lb/>
Herrn von Lohen&#x017F;tein.</head><lb/>
          <byline> <hi rendition="#c">B. N.</hi> </byline><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>Er weißheit mu&#x017F;ter-platz/ das witzige Athen/</l><lb/>
            <l>Ließ ein&#x017F;t Minervens ruhm im tempel auffzu&#x017F;etzen/</l><lb/>
            <l>Befehl an den Alcmen und Phidias ergehn:</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;olten beyder&#x017F;eits ihr bild in marmol a&#x0364;tzen.</l><lb/>
            <l>Die arbeit ward vollbracht; Die urtheil lieffen ein.</l><lb/>
            <l>Und endlich ward der preiß dem er&#x017F;ten zuge&#x017F;prochen;</l><lb/>
            <l>Weil iede linie weit &#x017F;cha&#x0364;rffer ausge&#x017F;tochen/</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;tellung aber &#x017F;chien von mehrer kun&#x017F;t zu &#x017F;eyn:</l><lb/>
            <l>Und men&#x017F;chen insgemein mit maulwurffs-augen &#x017F;chauen/</l><lb/>
            <l>Was &#x017F;ie/ wie luch&#x017F;en/ doch &#x017F;ich zu ergru&#x0364;nden trauen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Doch wie ein &#x017F;eiden-wurm in raupen &#x017F;ich verkehrt;</l><lb/>
            <l>So mu&#x017F;te ieder auch ein ander urtheil fa&#x0364;llen;</l><lb/>
            <l>Nachdem dem Phidias &#x017F;ein bitten ward gewa&#x0364;hrt/</l><lb/>
            <l>Und man die bilder ließ auff hohe &#x017F;a&#x0364;ulen &#x017F;tellen.</l><lb/>
            <l>Denn nunmehr machte &#x017F;ich der fehler offenbar/</l><lb/>
            <l>Und ließ die kluge welt aus allen gliedern le&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Daß des Alcmenens witz im maa&#x017F;e blind gewe&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Und Phidias &#x017F;ein werck von gra&#x0364;der theilung war.</l><lb/>
            <l>So gar kan wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft/ wie &#x017F;ilber von der erden/</l><lb/>
            <l>Durch eil und unver&#x017F;tand offt u&#x0364;berwogen werden.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wer</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0234] Vermiſchte Gedichte. Du bleibeſt/ wer du biſt/ und unſers nachbars hund Wird ſeinen ruͤſſel eh in einen jungfer-mund/ Und ſein gekraußtes haar in ſeid’ und gold verkehren/ Eh dein erſtarrter kopff wird ſeinen wurm verzehren. Was aber habt ihr doch ihr Muſen/ nur gedacht/ Als ihr ein ſolches thier zum doctor habt gemacht/ Ach hoͤrt doch einmahl auff der erden vorzuluͤgen; Sonſt wird kein ehrlich kerl ein ſchoͤnes weib mehr kriegen. Lob-Schrifft. Uber den andern theil Arminius/ des Herrn von Lohenſtein. B. N. DEr weißheit muſter-platz/ das witzige Athen/ Ließ einſt Minervens ruhm im tempel auffzuſetzen/ Befehl an den Alcmen und Phidias ergehn: Sie ſolten beyderſeits ihr bild in marmol aͤtzen. Die arbeit ward vollbracht; Die urtheil lieffen ein. Und endlich ward der preiß dem erſten zugeſprochen; Weil iede linie weit ſchaͤrffer ausgeſtochen/ Die ſtellung aber ſchien von mehrer kunſt zu ſeyn: Und menſchen insgemein mit maulwurffs-augen ſchauen/ Was ſie/ wie luchſen/ doch ſich zu ergruͤnden trauen. Doch wie ein ſeiden-wurm in raupen ſich verkehrt; So muſte ieder auch ein ander urtheil faͤllen; Nachdem dem Phidias ſein bitten ward gewaͤhrt/ Und man die bilder ließ auff hohe ſaͤulen ſtellen. Denn nunmehr machte ſich der fehler offenbar/ Und ließ die kluge welt aus allen gliedern leſen: Daß des Alcmenens witz im maaſe blind geweſen/ Und Phidias ſein werck von graͤder theilung war. So gar kan wiſſenſchafft/ wie ſilber von der erden/ Durch eil und unverſtand offt uͤberwogen werden. Wer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/234
Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/234>, abgerufen am 24.11.2024.