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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
Der ahnen lichter schild bewegt der nefen blut/
Der väter grauer ruhm erhitzt der kinder stirne;
Der ehren unruh geht in fürstlichem gehirne/
Auch schneller/ als sie sonst in schlechten seelen thut.
Du hast/ erlauchtester/ dir von der ersten wiegen
Nur riesen des gemüths/ und helden dieser welt/
Der väter rühmlich thun zum muster vorgestellt/
Und derer meistes theil in wettstreit überstiegen.
Was wunder/ wenn die welt dich nun in marmol ätzt/
Und fürsten-kindern selbst zu einem beyspiel setzt?
Der jahre frühling hat Minerva sich vermählt/
Die ließ dich/ ihren sohn/ nichts als was fürstlich wissen/
Wie durch ein mächtig wort die hertzen auffzuschliessen/
Und was die vorder-welt vor grosse lichter zehlt.
Wie bloß der namens-ruhm von allen irrd'schen schätzen/
Der fürsten Capital und bestes leib-gut sey;
Wie man die wilde wut der regungen bedräu/
Die wider die vernunfft sich stets zur wehre setzen.
Worinn der staaten heil/ der völcker ruh besteh/
Warum ein reich hier auff/ dort eines untergeh.
Nun zeigt der reiffe herbst den fortgang in der that/
Wie herrlich fürst Anthon im wissen zugenommen.
Wer ist ke auff den stuhl der welt-beherrscher kommen/
Der diesem Salomo was vorzugeben hat?
Verzeihe/ weiser Fürst/ da deiner hoheit strahlen
Mein irrdisch auge nicht hier recht erreichen kan.
Nur adler können steiff die sonne schauen an/
Und Alexandern darff kein schlechter pinsel mah[le]n.
Wie solte dieser raum denn fassen deinen geist/
Den nicht diß gantze rund in seine gräntzen schleust?
Der degen und der kiel regieren volck und land/
An diesen beyden hängt das käyserthum der erden;
Doch müste tapfferkeit offt selber dienstbar werden/
Wenn nicht der schlaue witz ihr reichte rath und hand.
Die klugheit ists allein/ die sonder strahl und degen
Den flügel-schnellen lauff der waffen hemmt und hält/
Durch die ein kühner Carl in Ludwigs netze fällt/
Ob jener diesen schon an macht weit überlegen.
So lang ihr schild noch steht/ sinckt Troja nicht ins grab/
Und Socrates gewinnt selbst dem geburts-stern ab.
Diß
M 4
Vermiſchte Gedichte.
Der ahnen lichter ſchild bewegt der nefen blut/
Der vaͤter grauer ruhm erhitzt der kinder ſtirne;
Der ehren unruh geht in fuͤrſtlichem gehirne/
Auch ſchneller/ als ſie ſonſt in ſchlechten ſeelen thut.
Du haſt/ erlauchteſter/ dir von der erſten wiegen
Nur rieſen des gemuͤths/ und helden dieſer welt/
Der vaͤter ruͤhmlich thun zum muſter vorgeſtellt/
Und derer meiſtes theil in wettſtreit uͤberſtiegen.
Was wunder/ wenn die welt dich nun in marmol aͤtzt/
Und fuͤrſten-kindern ſelbſt zu einem beyſpiel ſetzt?
Der jahre fruͤhling hat Minerva ſich vermaͤhlt/
Die ließ dich/ ihren ſohn/ nichts als was fuͤrſtlich wiſſen/
Wie durch ein maͤchtig wort die hertzen auffzuſchlieſſen/
Und was die vorder-welt vor groſſe lichter zehlt.
Wie bloß der namens-ruhm von allen irrd’ſchen ſchaͤtzen/
Der fuͤrſten Capital und beſtes leib-gut ſey;
Wie man die wilde wut der regungen bedraͤu/
Die wider die vernunfft ſich ſtets zur wehre ſetzen.
Worinn der ſtaaten heil/ der voͤlcker ruh beſteh/
Warum ein reich hier auff/ dort eines untergeh.
Nun zeigt der reiffe herbſt den fortgang in der that/
Wie herrlich fuͤrſt Anthon im wiſſen zugenommen.
Wer iſt ke auff den ſtuhl der welt-beherrſcher kommen/
Der dieſem Salomo was vorzugeben hat?
Verzeihe/ weiſer Fuͤrſt/ da deiner hoheit ſtrahlen
Mein irrdiſch auge nicht hier recht erreichen kan.
Nur adler koͤnnen ſteiff die ſonne ſchauen an/
Und Alexandern darff kein ſchlechter pinſel mah[le]n.
Wie ſolte dieſer raum denn faſſen deinen geiſt/
Den nicht diß gantze rund in ſeine graͤntzen ſchleuſt?
Der degen und der kiel regieren volck und land/
An dieſen beyden haͤngt das kaͤyſerthum der erden;
Doch muͤſte tapfferkeit offt ſelber dienſtbar werden/
Wenn nicht der ſchlaue witz ihr reichte rath und hand.
Die klugheit iſts allein/ die ſonder ſtrahl und degen
Den fluͤgel-ſchnellen lauff der waffen hemmt und haͤlt/
Durch die ein kuͤhner Carl in Ludwigs netze faͤllt/
Ob jener dieſen ſchon an macht weit uͤberlegen.
So lang ihr ſchild noch ſteht/ ſinckt Troja nicht ins grab/
Und Socrates gewinnt ſelbſt dem geburts-ſtern ab.
Diß
M 4
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[183/0227] Vermiſchte Gedichte. Der ahnen lichter ſchild bewegt der nefen blut/ Der vaͤter grauer ruhm erhitzt der kinder ſtirne; Der ehren unruh geht in fuͤrſtlichem gehirne/ Auch ſchneller/ als ſie ſonſt in ſchlechten ſeelen thut. Du haſt/ erlauchteſter/ dir von der erſten wiegen Nur rieſen des gemuͤths/ und helden dieſer welt/ Der vaͤter ruͤhmlich thun zum muſter vorgeſtellt/ Und derer meiſtes theil in wettſtreit uͤberſtiegen. Was wunder/ wenn die welt dich nun in marmol aͤtzt/ Und fuͤrſten-kindern ſelbſt zu einem beyſpiel ſetzt? Der jahre fruͤhling hat Minerva ſich vermaͤhlt/ Die ließ dich/ ihren ſohn/ nichts als was fuͤrſtlich wiſſen/ Wie durch ein maͤchtig wort die hertzen auffzuſchlieſſen/ Und was die vorder-welt vor groſſe lichter zehlt. Wie bloß der namens-ruhm von allen irrd’ſchen ſchaͤtzen/ Der fuͤrſten Capital und beſtes leib-gut ſey; Wie man die wilde wut der regungen bedraͤu/ Die wider die vernunfft ſich ſtets zur wehre ſetzen. Worinn der ſtaaten heil/ der voͤlcker ruh beſteh/ Warum ein reich hier auff/ dort eines untergeh. Nun zeigt der reiffe herbſt den fortgang in der that/ Wie herrlich fuͤrſt Anthon im wiſſen zugenommen. Wer iſt ke auff den ſtuhl der welt-beherrſcher kommen/ Der dieſem Salomo was vorzugeben hat? Verzeihe/ weiſer Fuͤrſt/ da deiner hoheit ſtrahlen Mein irrdiſch auge nicht hier recht erreichen kan. Nur adler koͤnnen ſteiff die ſonne ſchauen an/ Und Alexandern darff kein ſchlechter pinſel mahlen. Wie ſolte dieſer raum denn faſſen deinen geiſt/ Den nicht diß gantze rund in ſeine graͤntzen ſchleuſt? Der degen und der kiel regieren volck und land/ An dieſen beyden haͤngt das kaͤyſerthum der erden; Doch muͤſte tapfferkeit offt ſelber dienſtbar werden/ Wenn nicht der ſchlaue witz ihr reichte rath und hand. Die klugheit iſts allein/ die ſonder ſtrahl und degen Den fluͤgel-ſchnellen lauff der waffen hemmt und haͤlt/ Durch die ein kuͤhner Carl in Ludwigs netze faͤllt/ Ob jener dieſen ſchon an macht weit uͤberlegen. So lang ihr ſchild noch ſteht/ ſinckt Troja nicht ins grab/ Und Socrates gewinnt ſelbſt dem geburts-ſtern ab. Diß M 4

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/227>, abgerufen am 23.11.2024.