Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.
Mein Meinders gute nacht! wir haben obgesiegt. Dein unglück scheidet nun auff einmahl von der erden. Durch mich ward ehermahls dein treues hertz vergnügt/ Durch mich hat seine lust auch müssen wittbe werden. Itzt bricht der süsse todt die lange finsterniß/ Das licht ist mir und dir auff einen tag erschienen. Du solt noch in der welt und ich im himmel grünen: Drum weine nicht/ mein schatz/ um diesen liebes-riß. Denck aber/ wenn du noch wirst meinen nahmen lesen/ Daß ich zwar elend bin doch auch getreu gewesen. So sagte sie/ und gab der erden gute nacht: Ihr engel aber trug die seele nach dem himmel. Denselben augenblick ward alles zugemacht; Das hauß erfüllte sich mit einem traur-getümmel; Wie aber stellte sich der blasse höllen-geist? Gleich wie ein tiegerthier/ dem man die jungen raubet; Wie ein erzürnter leu/ der in dem felde schnaubet/ Wann man den morgen-raub ihm aus den klauen reist. Doch endlich gieng er auch/ wo geister hin gehören/ Und schrieb nur an die wand noch diese sittenlehren: Ihr blinden sterblichen/ laufft für dem tode nicht! Ihr selber seyd der tod und mörder eurer seelen: Ihr werdet/ weil ihr lebt/ nicht wann ihr sterbt/ gericht: Die sünden sind die grufft/ und nicht die grabes-hölen. Drum sterbet/ eh ihr sterbt/ und lebet/ eh ihr lebt; Denn todt und leben wird nach eurem abgemessen. Der scheinet euch nur tod/ den schlang und würmer fressen; Der aber ist schon tod/ den seine lust begräbt. Ich habe keinen theil an dieser neuen leichen: Ihr möcht ihr/ wir ihr wollt/ die letzte pflegung reichen. Diß alles ist geschehn/ der cörper ist versenckt/ Und in die kalte grufft mit ehren beygesetzet. Wie kommts dann/ daß ihr euch bey ihrem glücke kränckt/ Betrübte/ die sie doch bey ihrer qvaal ergetzet? Soll
Mein Meinders gute nacht! wir haben obgeſiegt. Dein ungluͤck ſcheidet nun auff einmahl von der erden. Durch mich ward ehermahls dein treues hertz vergnuͤgt/ Durch mich hat ſeine luſt auch muͤſſen wittbe werden. Itzt bricht der ſuͤſſe todt die lange finſterniß/ Das licht iſt mir und dir auff einen tag erſchienen. Du ſolt noch in der welt und ich im himmel gruͤnen: Drum weine nicht/ mein ſchatz/ um dieſen liebes-riß. Denck aber/ wenn du noch wirſt meinen nahmen leſen/ Daß ich zwar elend bin doch auch getreu geweſen. So ſagte ſie/ und gab der erden gute nacht: Ihr engel aber trug die ſeele nach dem himmel. Denſelben augenblick ward alles zugemacht; Das hauß erfuͤllte ſich mit einem traur-getuͤmmel; Wie aber ſtellte ſich der blaſſe hoͤllen-geiſt? Gleich wie ein tiegerthier/ dem man die jungen raubet; Wie ein erzuͤrnter leu/ der in dem felde ſchnaubet/ Wann man den morgen-raub ihm aus den klauen reiſt. Doch endlich gieng er auch/ wo geiſter hin gehoͤren/ Und ſchrieb nur an die wand noch dieſe ſittenlehren: Ihr blinden ſterblichen/ laufft fuͤr dem tode nicht! Ihr ſelber ſeyd der tod und moͤrder eurer ſeelen: Ihr werdet/ weil ihr lebt/ nicht wann ihr ſterbt/ gericht: Die ſuͤnden ſind die grufft/ und nicht die grabes-hoͤlen. Drum ſterbet/ eh ihr ſterbt/ und lebet/ eh ihr lebt; Denn todt und leben wird nach eurem abgemeſſen. Der ſcheinet euch nur tod/ den ſchlang und wuͤrmer freſſen; Der aber iſt ſchon tod/ den ſeine luſt begraͤbt. Ich habe keinen theil an dieſer neuen leichen: Ihr moͤcht ihr/ wir ihr wollt/ die letzte pflegung reichen. Diß alles iſt geſchehn/ der coͤrper iſt verſenckt/ Und in die kalte grufft mit ehren beygeſetzet. Wie kommts dann/ daß ihr euch bey ihrem gluͤcke kraͤnckt/ Betruͤbte/ die ſie doch bey ihrer qvaal ergetzet? Soll
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="35"> <l><pb facs="#f0187" n="143"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Begraͤbniß-Gedichte.</hi></fw><lb/> Doch als ſie 19. jahr nach ihrer ſeelen-ruh/<lb/> Nicht anders als ein weib in der geburt geſtehnet/<lb/> So gab der himmel ihr/ wornach ſie ſich geſehnet/<lb/> Und rieff ihr endlich auch den letzten willen zu.<lb/> Und damit legte ſie den ſchwachen coͤrper nieder/<lb/> Und ſang/ nach ſchwanen-art/ noch dieſe ſterbe-lieder:</l> </lg><lb/> <lg n="36"> <l>Mein Meinders gute nacht! wir haben obgeſiegt.<lb/> Dein ungluͤck ſcheidet nun auff einmahl von der erden.<lb/> Durch mich ward ehermahls dein treues hertz vergnuͤgt/<lb/> Durch mich hat ſeine luſt auch muͤſſen wittbe werden.<lb/> Itzt bricht der ſuͤſſe todt die lange finſterniß/<lb/> Das licht iſt mir und dir auff einen tag erſchienen.<lb/> Du ſolt noch in der welt und ich im himmel gruͤnen:<lb/> Drum weine nicht/ mein ſchatz/ um dieſen liebes-riß.<lb/> Denck aber/ wenn du noch wirſt meinen nahmen leſen/<lb/> Daß ich zwar elend bin doch auch getreu geweſen.</l> </lg><lb/> <lg n="37"> <l>So ſagte ſie/ und gab der erden gute nacht:<lb/> Ihr engel aber trug die ſeele nach dem himmel.<lb/> Denſelben augenblick ward alles zugemacht;<lb/> Das hauß erfuͤllte ſich mit einem traur-getuͤmmel;<lb/> Wie aber ſtellte ſich der blaſſe hoͤllen-geiſt?<lb/> Gleich wie ein tiegerthier/ dem man die jungen raubet;<lb/> Wie ein erzuͤrnter leu/ der in dem felde ſchnaubet/<lb/> Wann man den morgen-raub ihm aus den klauen reiſt.<lb/> Doch endlich gieng er auch/ wo geiſter hin gehoͤren/<lb/> Und ſchrieb nur an die wand noch dieſe ſittenlehren:</l> </lg><lb/> <lg n="38"> <l>Ihr blinden ſterblichen/ laufft fuͤr dem tode nicht!<lb/> Ihr ſelber ſeyd der tod und moͤrder eurer ſeelen:<lb/> Ihr werdet/ weil ihr lebt/ nicht wann ihr ſterbt/ gericht:<lb/> Die ſuͤnden ſind die grufft/ und nicht die grabes-hoͤlen.<lb/> Drum ſterbet/ eh ihr ſterbt/ und lebet/ eh ihr lebt;<lb/> Denn todt und leben wird nach eurem abgemeſſen.<lb/> Der ſcheinet euch nur tod/ den ſchlang und wuͤrmer freſſen;<lb/> Der aber iſt ſchon tod/ den ſeine luſt begraͤbt.<lb/> Ich habe keinen theil an dieſer neuen leichen:<lb/> Ihr moͤcht ihr/ wir ihr wollt/ die letzte pflegung reichen.</l> </lg><lb/> <lg n="39"> <l>Diß alles iſt geſchehn/ der coͤrper iſt verſenckt/<lb/> Und in die kalte grufft mit ehren beygeſetzet.<lb/> Wie kommts dann/ daß ihr euch bey ihrem gluͤcke kraͤnckt/<lb/> Betruͤbte/ die ſie doch bey ihrer qvaal ergetzet?<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Soll</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [143/0187]
Begraͤbniß-Gedichte.
Doch als ſie 19. jahr nach ihrer ſeelen-ruh/
Nicht anders als ein weib in der geburt geſtehnet/
So gab der himmel ihr/ wornach ſie ſich geſehnet/
Und rieff ihr endlich auch den letzten willen zu.
Und damit legte ſie den ſchwachen coͤrper nieder/
Und ſang/ nach ſchwanen-art/ noch dieſe ſterbe-lieder:
Mein Meinders gute nacht! wir haben obgeſiegt.
Dein ungluͤck ſcheidet nun auff einmahl von der erden.
Durch mich ward ehermahls dein treues hertz vergnuͤgt/
Durch mich hat ſeine luſt auch muͤſſen wittbe werden.
Itzt bricht der ſuͤſſe todt die lange finſterniß/
Das licht iſt mir und dir auff einen tag erſchienen.
Du ſolt noch in der welt und ich im himmel gruͤnen:
Drum weine nicht/ mein ſchatz/ um dieſen liebes-riß.
Denck aber/ wenn du noch wirſt meinen nahmen leſen/
Daß ich zwar elend bin doch auch getreu geweſen.
So ſagte ſie/ und gab der erden gute nacht:
Ihr engel aber trug die ſeele nach dem himmel.
Denſelben augenblick ward alles zugemacht;
Das hauß erfuͤllte ſich mit einem traur-getuͤmmel;
Wie aber ſtellte ſich der blaſſe hoͤllen-geiſt?
Gleich wie ein tiegerthier/ dem man die jungen raubet;
Wie ein erzuͤrnter leu/ der in dem felde ſchnaubet/
Wann man den morgen-raub ihm aus den klauen reiſt.
Doch endlich gieng er auch/ wo geiſter hin gehoͤren/
Und ſchrieb nur an die wand noch dieſe ſittenlehren:
Ihr blinden ſterblichen/ laufft fuͤr dem tode nicht!
Ihr ſelber ſeyd der tod und moͤrder eurer ſeelen:
Ihr werdet/ weil ihr lebt/ nicht wann ihr ſterbt/ gericht:
Die ſuͤnden ſind die grufft/ und nicht die grabes-hoͤlen.
Drum ſterbet/ eh ihr ſterbt/ und lebet/ eh ihr lebt;
Denn todt und leben wird nach eurem abgemeſſen.
Der ſcheinet euch nur tod/ den ſchlang und wuͤrmer freſſen;
Der aber iſt ſchon tod/ den ſeine luſt begraͤbt.
Ich habe keinen theil an dieſer neuen leichen:
Ihr moͤcht ihr/ wir ihr wollt/ die letzte pflegung reichen.
Diß alles iſt geſchehn/ der coͤrper iſt verſenckt/
Und in die kalte grufft mit ehren beygeſetzet.
Wie kommts dann/ daß ihr euch bey ihrem gluͤcke kraͤnckt/
Betruͤbte/ die ſie doch bey ihrer qvaal ergetzet?
Soll
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