Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich: Unpolitische Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1841.Kuhschnappelsche Thorsperre. Einen Leibzoll zu entrichten Für das Vieh, mag menschlich sein: Ochsen dürfen doch mit Nichten Ungestraft zur Stadt hinein! Doch daß man den Ochsen gleich gilt, Ochsig zahlen muß und soll, Wenn man kommt zu spät ins Weichbild -- Bestialisch ist der Zoll. Kuhschnappelsche Volksrepräsentation. Ei, was soll noch Kunst und Witz? Hier gilt nur der Grundbesitz. Für den Landbau, für's Gewerbe Schweigt kein Volksrepräsentant; Doch des Geistes Gut und Erbe Legen sie in Gottes Hand. Wie verlassen und verwaist, Armer, armer Menschengeist! Wie der Vogel auf dem Dache Hast auch du kein Vaterland, Und der Menschheit heil'ge Sache Gab dir Gott in deine Hand. Kuhſchnappelſche Thorſperre. Einen Leibzoll zu entrichten Für das Vieh, mag menſchlich ſein: Ochſen dürfen doch mit Nichten Ungeſtraft zur Stadt hinein! Doch daß man den Ochſen gleich gilt, Ochſig zahlen muß und ſoll, Wenn man kommt zu ſpät ins Weichbild — Beſtialiſch iſt der Zoll. Kuhſchnappelſche Volksrepräſentation. Ei, was ſoll noch Kunſt und Witz? Hier gilt nur der Grundbeſitz. Für den Landbau, für's Gewerbe Schweigt kein Volksrepräſentant; Doch des Geiſtes Gut und Erbe Legen ſie in Gottes Hand. Wie verlaſſen und verwaiſt, Armer, armer Menſchengeiſt! Wie der Vogel auf dem Dache Haſt auch du kein Vaterland, Und der Menſchheit heil'ge Sache Gab dir Gott in deine Hand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="58" facs="#f0078"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kuhſchnappelſche Thorſperre.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Einen Leibzoll zu entrichten</l><lb/> <l>Für das Vieh, mag menſchlich ſein:</l><lb/> <l>Ochſen dürfen doch mit Nichten</l><lb/> <l>Ungeſtraft zur Stadt hinein!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Doch daß man den Ochſen gleich gilt,</l><lb/> <l>Ochſig zahlen muß und ſoll,</l><lb/> <l>Wenn man kommt zu ſpät ins Weichbild —</l><lb/> <l>Beſtialiſch iſt <hi rendition="#g">der</hi> Zoll.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kuhſchnappelſche Volksrepräſentation.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ei, was ſoll noch Kunſt und Witz?</l><lb/> <l>Hier gilt nur der Grundbeſitz.</l><lb/> <l>Für den Landbau, für's Gewerbe</l><lb/> <l>Schweigt kein Volksrepräſentant;</l><lb/> <l>Doch des Geiſtes Gut und Erbe</l><lb/> <l>Legen ſie in Gottes Hand.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Wie verlaſſen und verwaiſt,</l><lb/> <l>Armer, armer Menſchengeiſt!</l><lb/> <l>Wie der Vogel auf dem Dache</l><lb/> <l>Haſt auch du kein Vaterland,</l><lb/> <l>Und der Menſchheit heil'ge Sache</l><lb/> <l>Gab dir Gott in deine Hand.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0078]
Kuhſchnappelſche Thorſperre.
Einen Leibzoll zu entrichten
Für das Vieh, mag menſchlich ſein:
Ochſen dürfen doch mit Nichten
Ungeſtraft zur Stadt hinein!
Doch daß man den Ochſen gleich gilt,
Ochſig zahlen muß und ſoll,
Wenn man kommt zu ſpät ins Weichbild —
Beſtialiſch iſt der Zoll.
Kuhſchnappelſche Volksrepräſentation.
Ei, was ſoll noch Kunſt und Witz?
Hier gilt nur der Grundbeſitz.
Für den Landbau, für's Gewerbe
Schweigt kein Volksrepräſentant;
Doch des Geiſtes Gut und Erbe
Legen ſie in Gottes Hand.
Wie verlaſſen und verwaiſt,
Armer, armer Menſchengeiſt!
Wie der Vogel auf dem Dache
Haſt auch du kein Vaterland,
Und der Menſchheit heil'ge Sache
Gab dir Gott in deine Hand.
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Zitationshilfe: | Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich: Unpolitische Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1841, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_unpolitische02_1841/78>, abgerufen am 03.03.2025. |