Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.in's Gesicht und ruft lachend: Das ist Olivier Brusson, der Goldschmiedsgeselle, der bei unserm ehrlichen, braven Meister Rene Cardillac arbeitet! -- ja, der wird die Leute auf der Straße morden! -- sieht mir recht darnach aus -- ist recht nach der Art der Mordbuben, daß sie beim Leichnam lamentiren und sich fangen lassen werden. -- Wie war's, Junge? Erzähle dreist. -- Dicht vor mir, sprach ich, sprang ein Mensch auf Den dort los, stieß ihn nieder und rannte blitzschnell davon, als ich laut aufschrie. Ich wollt' doch sehen, ob der Niedergeworfene noch zu retten wäre. Nein, mein Sohn, ruft einer von denen, die den Leichnam aufgehoben, der ist hin, durchs Herz, wie gewöhnlich, geht der Dolchstich. Teufel, spricht ein Anderer, kamen wir doch wieder zu spät, wie vorgestern; damit entfernten sie sich mit dem Leichnam. Wie mir zu Muthe war, kann ich gar nicht sagen; ich fühlte mich an, ob nicht ein böser Traum mich necke, es war mir, als müßt' ich nun gleich erwachen und mich wundern über das tolle Trugbild. -- Cardillac -- der Vater meiner Madelon, ein verruchter Mörder! -- Ich war kraftlos auf die steinernen Stufen eines Hauses gesunken. Immer mehr und mehr dämmerte der Morgen herauf, ein Offiziershut, reich mit Federn geschmückt, lag vor mir auf dem Pflaster. Cardillac's blutige That, auf der Stelle begangen, wo ich saß, ging vor mir hell auf. Entsetzt rannte ich von dannen. Ganz verwirrt, beinahe besinnungslos, sitze ich in in's Gesicht und ruft lachend: Das ist Olivier Brusson, der Goldschmiedsgeselle, der bei unserm ehrlichen, braven Meister René Cardillac arbeitet! — ja, der wird die Leute auf der Straße morden! — sieht mir recht darnach aus — ist recht nach der Art der Mordbuben, daß sie beim Leichnam lamentiren und sich fangen lassen werden. — Wie war's, Junge? Erzähle dreist. — Dicht vor mir, sprach ich, sprang ein Mensch auf Den dort los, stieß ihn nieder und rannte blitzschnell davon, als ich laut aufschrie. Ich wollt' doch sehen, ob der Niedergeworfene noch zu retten wäre. Nein, mein Sohn, ruft einer von denen, die den Leichnam aufgehoben, der ist hin, durchs Herz, wie gewöhnlich, geht der Dolchstich. Teufel, spricht ein Anderer, kamen wir doch wieder zu spät, wie vorgestern; damit entfernten sie sich mit dem Leichnam. Wie mir zu Muthe war, kann ich gar nicht sagen; ich fühlte mich an, ob nicht ein böser Traum mich necke, es war mir, als müßt' ich nun gleich erwachen und mich wundern über das tolle Trugbild. — Cardillac — der Vater meiner Madelon, ein verruchter Mörder! — Ich war kraftlos auf die steinernen Stufen eines Hauses gesunken. Immer mehr und mehr dämmerte der Morgen herauf, ein Offiziershut, reich mit Federn geschmückt, lag vor mir auf dem Pflaster. Cardillac's blutige That, auf der Stelle begangen, wo ich saß, ging vor mir hell auf. Entsetzt rannte ich von dannen. Ganz verwirrt, beinahe besinnungslos, sitze ich in <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0078"/> in's Gesicht und ruft lachend: Das ist Olivier Brusson, der Goldschmiedsgeselle, der bei unserm ehrlichen, braven Meister René Cardillac arbeitet! — ja, der wird die Leute auf der Straße morden! — sieht mir recht darnach aus — ist recht nach der Art der Mordbuben, daß sie beim Leichnam lamentiren und sich fangen lassen werden. — Wie war's, Junge? Erzähle dreist. — Dicht vor mir, sprach ich, sprang ein Mensch auf Den dort los, stieß ihn nieder und rannte blitzschnell davon, als ich laut aufschrie. Ich wollt' doch sehen, ob der Niedergeworfene noch zu retten wäre. Nein, mein Sohn, ruft einer von denen, die den Leichnam aufgehoben, der ist hin, durchs Herz, wie gewöhnlich, geht der Dolchstich. Teufel, spricht ein Anderer, kamen wir doch wieder zu spät, wie vorgestern; damit entfernten sie sich mit dem Leichnam.</p><lb/> <p>Wie mir zu Muthe war, kann ich gar nicht sagen; ich fühlte mich an, ob nicht ein böser Traum mich necke, es war mir, als müßt' ich nun gleich erwachen und mich wundern über das tolle Trugbild. — Cardillac — der Vater meiner Madelon, ein verruchter Mörder! — Ich war kraftlos auf die steinernen Stufen eines Hauses gesunken. Immer mehr und mehr dämmerte der Morgen herauf, ein Offiziershut, reich mit Federn geschmückt, lag vor mir auf dem Pflaster. Cardillac's blutige That, auf der Stelle begangen, wo ich saß, ging vor mir hell auf. Entsetzt rannte ich von dannen.</p><lb/> <p>Ganz verwirrt, beinahe besinnungslos, sitze ich in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
in's Gesicht und ruft lachend: Das ist Olivier Brusson, der Goldschmiedsgeselle, der bei unserm ehrlichen, braven Meister René Cardillac arbeitet! — ja, der wird die Leute auf der Straße morden! — sieht mir recht darnach aus — ist recht nach der Art der Mordbuben, daß sie beim Leichnam lamentiren und sich fangen lassen werden. — Wie war's, Junge? Erzähle dreist. — Dicht vor mir, sprach ich, sprang ein Mensch auf Den dort los, stieß ihn nieder und rannte blitzschnell davon, als ich laut aufschrie. Ich wollt' doch sehen, ob der Niedergeworfene noch zu retten wäre. Nein, mein Sohn, ruft einer von denen, die den Leichnam aufgehoben, der ist hin, durchs Herz, wie gewöhnlich, geht der Dolchstich. Teufel, spricht ein Anderer, kamen wir doch wieder zu spät, wie vorgestern; damit entfernten sie sich mit dem Leichnam.
Wie mir zu Muthe war, kann ich gar nicht sagen; ich fühlte mich an, ob nicht ein böser Traum mich necke, es war mir, als müßt' ich nun gleich erwachen und mich wundern über das tolle Trugbild. — Cardillac — der Vater meiner Madelon, ein verruchter Mörder! — Ich war kraftlos auf die steinernen Stufen eines Hauses gesunken. Immer mehr und mehr dämmerte der Morgen herauf, ein Offiziershut, reich mit Federn geschmückt, lag vor mir auf dem Pflaster. Cardillac's blutige That, auf der Stelle begangen, wo ich saß, ging vor mir hell auf. Entsetzt rannte ich von dannen.
Ganz verwirrt, beinahe besinnungslos, sitze ich in
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Zitationshilfe: | Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/78>, abgerufen am 28.07.2024. |