Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser Maßregel waren die Gauner unterrichtet. Desgrais gerieth in Verzweiflung.

Eines Morgens kommt Desgrais zu dem Präsidenten la Regnie, blaß, entstellt, außer sich. -- Was habt Ihr, was für Nachrichten? Fandet Ihr die Spur? ruft ihm der Präsident entgegen. -- Ha, gnädiger Herr, fängt Desgrais an, vor Wuth stammelnd, ha, gnädiger Herr -- gestern in der Nacht -- unfern des Louvres ist der Marquis de la Fare angefallen worden in meiner Gegenwart. -- Himmel und Erde, jauchzt la Regnie auf vor Freude -- wir haben sie! -- O hört nur, fällt Desgrais mit bitterm Lächeln ein, o hört nur erst, wie sich Alles begeben. Am Louvre stehe ich also und paffe, die ganze Hölle in der Brust, auf die Teufel, die meiner spotten. Da kommt mit unsicherm Schritt immer hinter sich schauend eine Gestalt dicht bei mir vorüber, ohne mich zu sehen. Im Mondesschimmer erkenne ich den Marquis de la Fare. Ich konnt' ihn da erwarten, ich wußte, wo er hinschlich. Kaum ist er zehn bis zwölf Schritte bei mir vorüber, da springt wie aus der Erde herauf eine Figur, schmettert ihn nieder und fällt über ihn her. Unbesonnen, überrascht von dem Augenblick, der den Mörder in meine Hand liefern konnte, schreie ich laut auf und will mit einem gewaltigen Sprunge aus meinem Schlupfwinkel heraus auf ihn zusetzen; da verwickle ich mich in den Mantel und falle hin. Ich sehe den Menschen wie auf den Flügeln des Windes forteilen, ich rapple mich auf, ich renne ihm

dieser Maßregel waren die Gauner unterrichtet. Desgrais gerieth in Verzweiflung.

Eines Morgens kommt Desgrais zu dem Präsidenten la Regnie, blaß, entstellt, außer sich. — Was habt Ihr, was für Nachrichten? Fandet Ihr die Spur? ruft ihm der Präsident entgegen. — Ha, gnädiger Herr, fängt Desgrais an, vor Wuth stammelnd, ha, gnädiger Herr — gestern in der Nacht — unfern des Louvres ist der Marquis de la Fare angefallen worden in meiner Gegenwart. — Himmel und Erde, jauchzt la Regnie auf vor Freude — wir haben sie! — O hört nur, fällt Desgrais mit bitterm Lächeln ein, o hört nur erst, wie sich Alles begeben. Am Louvre stehe ich also und paffe, die ganze Hölle in der Brust, auf die Teufel, die meiner spotten. Da kommt mit unsicherm Schritt immer hinter sich schauend eine Gestalt dicht bei mir vorüber, ohne mich zu sehen. Im Mondesschimmer erkenne ich den Marquis de la Fare. Ich konnt' ihn da erwarten, ich wußte, wo er hinschlich. Kaum ist er zehn bis zwölf Schritte bei mir vorüber, da springt wie aus der Erde herauf eine Figur, schmettert ihn nieder und fällt über ihn her. Unbesonnen, überrascht von dem Augenblick, der den Mörder in meine Hand liefern konnte, schreie ich laut auf und will mit einem gewaltigen Sprunge aus meinem Schlupfwinkel heraus auf ihn zusetzen; da verwickle ich mich in den Mantel und falle hin. Ich sehe den Menschen wie auf den Flügeln des Windes forteilen, ich rapple mich auf, ich renne ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0027"/><hi rendition="#g">dieser</hi> Maßregel waren die Gauner unterrichtet. Desgrais                gerieth in Verzweiflung.</p><lb/>
        <p>Eines Morgens kommt Desgrais zu dem Präsidenten la Regnie, blaß, entstellt, außer                sich. &#x2014; Was habt Ihr, was für Nachrichten? Fandet Ihr die Spur? ruft ihm der                Präsident entgegen. &#x2014; Ha, gnädiger Herr, fängt Desgrais an, vor Wuth stammelnd, ha,                gnädiger Herr &#x2014; gestern in der Nacht &#x2014; unfern des Louvres ist der Marquis de la Fare                angefallen worden in meiner Gegenwart. &#x2014; Himmel und Erde, jauchzt la Regnie auf vor                Freude &#x2014; wir haben sie! &#x2014; O hört nur, fällt Desgrais mit bitterm Lächeln ein, o hört                nur erst, wie sich Alles begeben. Am Louvre stehe ich also und paffe, die ganze Hölle                in der Brust, auf die Teufel, die meiner spotten. Da kommt mit unsicherm Schritt                immer hinter sich schauend eine Gestalt dicht bei mir vorüber, ohne mich zu sehen. Im                Mondesschimmer erkenne ich den Marquis de la Fare. Ich konnt' ihn da erwarten, ich                wußte, wo er hinschlich. Kaum ist er zehn bis zwölf Schritte bei mir vorüber, da                springt wie aus der Erde herauf eine Figur, schmettert ihn nieder und fällt über ihn                her. Unbesonnen, überrascht von dem Augenblick, der den Mörder in meine Hand liefern                konnte, schreie ich laut auf und will mit einem gewaltigen Sprunge aus meinem                Schlupfwinkel heraus auf ihn zusetzen; da verwickle ich mich in den Mantel und falle                hin. Ich sehe den Menschen wie auf den Flügeln des Windes forteilen, ich rapple mich                auf, ich renne ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0027] dieser Maßregel waren die Gauner unterrichtet. Desgrais gerieth in Verzweiflung. Eines Morgens kommt Desgrais zu dem Präsidenten la Regnie, blaß, entstellt, außer sich. — Was habt Ihr, was für Nachrichten? Fandet Ihr die Spur? ruft ihm der Präsident entgegen. — Ha, gnädiger Herr, fängt Desgrais an, vor Wuth stammelnd, ha, gnädiger Herr — gestern in der Nacht — unfern des Louvres ist der Marquis de la Fare angefallen worden in meiner Gegenwart. — Himmel und Erde, jauchzt la Regnie auf vor Freude — wir haben sie! — O hört nur, fällt Desgrais mit bitterm Lächeln ein, o hört nur erst, wie sich Alles begeben. Am Louvre stehe ich also und paffe, die ganze Hölle in der Brust, auf die Teufel, die meiner spotten. Da kommt mit unsicherm Schritt immer hinter sich schauend eine Gestalt dicht bei mir vorüber, ohne mich zu sehen. Im Mondesschimmer erkenne ich den Marquis de la Fare. Ich konnt' ihn da erwarten, ich wußte, wo er hinschlich. Kaum ist er zehn bis zwölf Schritte bei mir vorüber, da springt wie aus der Erde herauf eine Figur, schmettert ihn nieder und fällt über ihn her. Unbesonnen, überrascht von dem Augenblick, der den Mörder in meine Hand liefern konnte, schreie ich laut auf und will mit einem gewaltigen Sprunge aus meinem Schlupfwinkel heraus auf ihn zusetzen; da verwickle ich mich in den Mantel und falle hin. Ich sehe den Menschen wie auf den Flügeln des Windes forteilen, ich rapple mich auf, ich renne ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:42:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/27
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/27>, abgerufen am 25.11.2024.