Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Diese Aussage veranlaßt Brusson's nochmalige Vernehmung, Zusammenstellung mit dem Grafen Miossens. Genug, die Tortur unterbleibt, und man forscht weiter nach. Dann ist es Zeit, sich an den König selbst zu wenden. Eurem Scharfsinn, mein Fräulein, bleibt es überlassen, dies auf die geschickteste Weise zu thun. Nach meinem Dafürhalten würd' es gut sein, dem Könige das ganze Geheimniß zu entdecken. Durch die Aussage des Grafen Miossens werden Brusson's Geständnisse unterstützt. Dasselbe geschieht vielleicht durch geheime Nachforschungen in Cardillac's Hause. Kein Rechtsspruch, aber des Königs Entscheidung, auf inneres Gefühl, das da, wo der Richter strafen muß, Gnade ausspricht, gestützt, kann das Alles begründen. -- Graf Miossens befolgte genau, was d'Andilly gerathen, und es geschah wirklich, was dieser vorhergesehen. Nun kam es darauf an, den König anzugehen, und dies war der schwierigste Punkt, da er gegen Brusson, den er allein für den entsetzlichen Raubmörder hielt, welcher so lange Zeit hindurch ganz Paris in Angst und Schrecken gesetzt hatte, solchen Abscheu hegte, daß er, nur leise erinnert an den berüchtigten Prozeß, in den heftigsten Zorn gerieth. Die Maintenon, ihrem Grundsatz, dem Könige nie von unangenehmen Dingen zu reden, getreu, verwarf jede Vermittlung, und so war Brusson's Schiksal ganz in die Hand der Scuderie gelegt. Nach langem Sinnen faßte sie einen Entschluß eben so schnell, als sie ihn ausführte. Sie kleidete sich in eine schwarze Diese Aussage veranlaßt Brusson's nochmalige Vernehmung, Zusammenstellung mit dem Grafen Miossens. Genug, die Tortur unterbleibt, und man forscht weiter nach. Dann ist es Zeit, sich an den König selbst zu wenden. Eurem Scharfsinn, mein Fräulein, bleibt es überlassen, dies auf die geschickteste Weise zu thun. Nach meinem Dafürhalten würd' es gut sein, dem Könige das ganze Geheimniß zu entdecken. Durch die Aussage des Grafen Miossens werden Brusson's Geständnisse unterstützt. Dasselbe geschieht vielleicht durch geheime Nachforschungen in Cardillac's Hause. Kein Rechtsspruch, aber des Königs Entscheidung, auf inneres Gefühl, das da, wo der Richter strafen muß, Gnade ausspricht, gestützt, kann das Alles begründen. — Graf Miossens befolgte genau, was d'Andilly gerathen, und es geschah wirklich, was dieser vorhergesehen. Nun kam es darauf an, den König anzugehen, und dies war der schwierigste Punkt, da er gegen Brusson, den er allein für den entsetzlichen Raubmörder hielt, welcher so lange Zeit hindurch ganz Paris in Angst und Schrecken gesetzt hatte, solchen Abscheu hegte, daß er, nur leise erinnert an den berüchtigten Prozeß, in den heftigsten Zorn gerieth. Die Maintenon, ihrem Grundsatz, dem Könige nie von unangenehmen Dingen zu reden, getreu, verwarf jede Vermittlung, und so war Brusson's Schiksal ganz in die Hand der Scuderie gelegt. Nach langem Sinnen faßte sie einen Entschluß eben so schnell, als sie ihn ausführte. Sie kleidete sich in eine schwarze <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0104"/> Diese Aussage veranlaßt Brusson's nochmalige Vernehmung, Zusammenstellung mit dem Grafen Miossens. Genug, die Tortur unterbleibt, und man forscht weiter nach. Dann ist es Zeit, sich an den König selbst zu wenden. Eurem Scharfsinn, mein Fräulein, bleibt es überlassen, dies auf die geschickteste Weise zu thun. Nach meinem Dafürhalten würd' es gut sein, dem Könige das ganze Geheimniß zu entdecken. Durch die Aussage des Grafen Miossens werden Brusson's Geständnisse unterstützt. Dasselbe geschieht vielleicht durch geheime Nachforschungen in Cardillac's Hause. Kein Rechtsspruch, aber des Königs Entscheidung, auf inneres Gefühl, das da, wo der Richter strafen muß, Gnade ausspricht, gestützt, kann das Alles begründen. — Graf Miossens befolgte genau, was d'Andilly gerathen, und es geschah wirklich, was dieser vorhergesehen.</p><lb/> <p>Nun kam es darauf an, den König anzugehen, und dies war der schwierigste Punkt, da er gegen Brusson, den er allein für den entsetzlichen Raubmörder hielt, welcher so lange Zeit hindurch ganz Paris in Angst und Schrecken gesetzt hatte, solchen Abscheu hegte, daß er, nur leise erinnert an den berüchtigten Prozeß, in den heftigsten Zorn gerieth. Die Maintenon, ihrem Grundsatz, dem Könige nie von unangenehmen Dingen zu reden, getreu, verwarf jede Vermittlung, und so war Brusson's Schiksal ganz in die Hand der Scuderie gelegt. Nach langem Sinnen faßte sie einen Entschluß eben so schnell, als sie ihn ausführte. Sie kleidete sich in eine schwarze<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
Diese Aussage veranlaßt Brusson's nochmalige Vernehmung, Zusammenstellung mit dem Grafen Miossens. Genug, die Tortur unterbleibt, und man forscht weiter nach. Dann ist es Zeit, sich an den König selbst zu wenden. Eurem Scharfsinn, mein Fräulein, bleibt es überlassen, dies auf die geschickteste Weise zu thun. Nach meinem Dafürhalten würd' es gut sein, dem Könige das ganze Geheimniß zu entdecken. Durch die Aussage des Grafen Miossens werden Brusson's Geständnisse unterstützt. Dasselbe geschieht vielleicht durch geheime Nachforschungen in Cardillac's Hause. Kein Rechtsspruch, aber des Königs Entscheidung, auf inneres Gefühl, das da, wo der Richter strafen muß, Gnade ausspricht, gestützt, kann das Alles begründen. — Graf Miossens befolgte genau, was d'Andilly gerathen, und es geschah wirklich, was dieser vorhergesehen.
Nun kam es darauf an, den König anzugehen, und dies war der schwierigste Punkt, da er gegen Brusson, den er allein für den entsetzlichen Raubmörder hielt, welcher so lange Zeit hindurch ganz Paris in Angst und Schrecken gesetzt hatte, solchen Abscheu hegte, daß er, nur leise erinnert an den berüchtigten Prozeß, in den heftigsten Zorn gerieth. Die Maintenon, ihrem Grundsatz, dem Könige nie von unangenehmen Dingen zu reden, getreu, verwarf jede Vermittlung, und so war Brusson's Schiksal ganz in die Hand der Scuderie gelegt. Nach langem Sinnen faßte sie einen Entschluß eben so schnell, als sie ihn ausführte. Sie kleidete sich in eine schwarze
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Zitationshilfe: | Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/104>, abgerufen am 28.07.2024. |