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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Holz geschnitzte Thier- und Menschenköpfe hervor,
den gemahlten Leibern angesetzt, so daß, zumal bei
der flackernden, schimmernden Beleuchtung des
Feuers und des Mondes, das Ganze in graulicher
Wahrheit lebte. Zwischen diesen Gemählden waren
lebensgroße Bilder, in Jägertracht daher schreiten¬
de Ritter, wahrscheinlich der jagdlustigen Ahn¬
herren, eingefugt. Alles, Mahlerei und Schnitz¬
werk, trug die dunkle Farbe langverjährter Zeit; um
so mehr fiel der helle kahle Fleck an derselben Wand,
durch die zwei Thüren in Nebengemächer führten,
auf; bald erkannte ich, daß dort auch eine Thür
gewesen seyn müßte, die später zugemauert worden,
und daß eben dies neue, nicht einmal der übrigen
Wand gleichgemahlte, oder mit Schnitzwerk ver¬
zierte Gemäuer auf jene Art absteche. -- Wer
weiß es nicht, wie ein ungewöhnlicher, abenteuer¬
licher Aufenthalt mit geheimnißvoller Macht den
Geist zu erfassen vermag, selbst die trägste Fantasie
wird wach in dem, von wunderlichen Felsen um¬
schlossenen Thal -- in den düstern Mauern einer

Holz geſchnitzte Thier- und Menſchenkoͤpfe hervor,
den gemahlten Leibern angeſetzt, ſo daß, zumal bei
der flackernden, ſchimmernden Beleuchtung des
Feuers und des Mondes, das Ganze in graulicher
Wahrheit lebte. Zwiſchen dieſen Gemaͤhlden waren
lebensgroße Bilder, in Jaͤgertracht daher ſchreiten¬
de Ritter, wahrſcheinlich der jagdluſtigen Ahn¬
herren, eingefugt. Alles, Mahlerei und Schnitz¬
werk, trug die dunkle Farbe langverjaͤhrter Zeit; um
ſo mehr fiel der helle kahle Fleck an derſelben Wand,
durch die zwei Thuͤren in Nebengemaͤcher fuͤhrten,
auf; bald erkannte ich, daß dort auch eine Thuͤr
geweſen ſeyn muͤßte, die ſpaͤter zugemauert worden,
und daß eben dies neue, nicht einmal der uͤbrigen
Wand gleichgemahlte, oder mit Schnitzwerk ver¬
zierte Gemaͤuer auf jene Art abſteche. — Wer
weiß es nicht, wie ein ungewoͤhnlicher, abenteuer¬
licher Aufenthalt mit geheimnißvoller Macht den
Geiſt zu erfaſſen vermag, ſelbſt die traͤgſte Fantaſie
wird wach in dem, von wunderlichen Felſen um¬
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[91/0099] Holz geſchnitzte Thier- und Menſchenkoͤpfe hervor, den gemahlten Leibern angeſetzt, ſo daß, zumal bei der flackernden, ſchimmernden Beleuchtung des Feuers und des Mondes, das Ganze in graulicher Wahrheit lebte. Zwiſchen dieſen Gemaͤhlden waren lebensgroße Bilder, in Jaͤgertracht daher ſchreiten¬ de Ritter, wahrſcheinlich der jagdluſtigen Ahn¬ herren, eingefugt. Alles, Mahlerei und Schnitz¬ werk, trug die dunkle Farbe langverjaͤhrter Zeit; um ſo mehr fiel der helle kahle Fleck an derſelben Wand, durch die zwei Thuͤren in Nebengemaͤcher fuͤhrten, auf; bald erkannte ich, daß dort auch eine Thuͤr geweſen ſeyn muͤßte, die ſpaͤter zugemauert worden, und daß eben dies neue, nicht einmal der uͤbrigen Wand gleichgemahlte, oder mit Schnitzwerk ver¬ zierte Gemaͤuer auf jene Art abſteche. — Wer weiß es nicht, wie ein ungewoͤhnlicher, abenteuer¬ licher Aufenthalt mit geheimnißvoller Macht den Geiſt zu erfaſſen vermag, ſelbſt die traͤgſte Fantaſie wird wach in dem, von wunderlichen Felſen um¬ ſchloſſenen Thal — in den duͤſtern Mauern einer

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/99>, abgerufen am 22.11.2024.