mir, nachdem ich ihm strenge Verschwiegenheit gelobt, folgendes anzuvertrauen.
Angelika, Gräfin von Z. (so fing der Doktor an) unerachtet in die Dreyßig vorgerückt, stand noch in der vollsten Blüthe wunderbarer Schönheit, als der Graf von S., der viel jünger an Jahren, sie hier in ***n bey Hofe sah, und sich in ihren Reizen so verfing, daß er zur Stunde die eifrigsten Bewerbungen begann und selbst, als zur Som¬ merszeit die Gräfin auf die Güter ihres Vaters zurück kehrte, ihr nachreiste, um seine Wünsche, die nach Angelika's Benehmen durchaus nicht hoff¬ nungslos zu seyn schienen, dem alten Grafen zu eröffnen. Kaum war Graf S. aber dort angekom¬ men, kaum sah er Angelika's jüngere Schwester Gabriele, als er wie aus einer Bezauberung er¬ wachte. In verblühter Farblosigkeit stand Angelika neben Gabrielen, deren Schönheit und Anmuth den Grafen S. unwiderstehlich hinriß, und so kam es, daß er, ohne Angelika weiter zu beachten, um Gabriele'ns Hand warb, die ihm der alte Graf Z.
mir, nachdem ich ihm ſtrenge Verſchwiegenheit gelobt, folgendes anzuvertrauen.
Angelika, Graͤfin von Z. (ſo fing der Doktor an) unerachtet in die Dreyßig vorgeruͤckt, ſtand noch in der vollſten Bluͤthe wunderbarer Schoͤnheit, als der Graf von S., der viel juͤnger an Jahren, ſie hier in ***n bey Hofe ſah, und ſich in ihren Reizen ſo verfing, daß er zur Stunde die eifrigſten Bewerbungen begann und ſelbſt, als zur Som¬ merszeit die Graͤfin auf die Guͤter ihres Vaters zuruͤck kehrte, ihr nachreiſte, um ſeine Wuͤnſche, die nach Angelika's Benehmen durchaus nicht hoff¬ nungslos zu ſeyn ſchienen, dem alten Grafen zu eroͤffnen. Kaum war Graf S. aber dort angekom¬ men, kaum ſah er Angelika's juͤngere Schweſter Gabriele, als er wie aus einer Bezauberung er¬ wachte. In verbluͤhter Farbloſigkeit ſtand Angelika neben Gabrielen, deren Schoͤnheit und Anmuth den Grafen S. unwiderſtehlich hinriß, und ſo kam es, daß er, ohne Angelika weiter zu beachten, um Gabriele'ns Hand warb, die ihm der alte Graf Z.
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mir, nachdem ich ihm ſtrenge Verſchwiegenheit
gelobt, folgendes anzuvertrauen.
Angelika, Graͤfin von Z. (ſo fing der Doktor
an) unerachtet in die Dreyßig vorgeruͤckt, ſtand
noch in der vollſten Bluͤthe wunderbarer Schoͤnheit,
als der Graf von S., der viel juͤnger an Jahren,
ſie hier in ***n bey Hofe ſah, und ſich in ihren
Reizen ſo verfing, daß er zur Stunde die eifrigſten
Bewerbungen begann und ſelbſt, als zur Som¬
merszeit die Graͤfin auf die Guͤter ihres Vaters
zuruͤck kehrte, ihr nachreiſte, um ſeine Wuͤnſche,
die nach Angelika's Benehmen durchaus nicht hoff¬
nungslos zu ſeyn ſchienen, dem alten Grafen zu
eroͤffnen. Kaum war Graf S. aber dort angekom¬
men, kaum ſah er Angelika's juͤngere Schweſter
Gabriele, als er wie aus einer Bezauberung er¬
wachte. In verbluͤhter Farbloſigkeit ſtand Angelika
neben Gabrielen, deren Schoͤnheit und Anmuth
den Grafen S. unwiderſtehlich hinriß, und ſo kam
es, daß er, ohne Angelika weiter zu beachten, um
Gabriele'ns Hand warb, die ihm der alte Graf Z.
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/71>, abgerufen am 22.11.2024.
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