Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

Euch versichern, daß sich auch nicht der leiseste An¬
klang jener verderblichen wahnsinnigen Liebeswuth
in mir regte, die mich ganz und gar befing, wenn
mein Hauch das wunderbare Frauenbild aus dem
Spiegel hervor rief. -- Meine Befremdung, noch
mehr, mein Erschrecken muß lesbar gewesen seyn
in meinem Blick, denn das Mädchen sah mich ganz
verwundert an, so daß ich für nöthig hielt, mich
so, wie ich nur konnte, zusammen zu nehmen, und
so gelassen als möglich anzuführen, daß eine leb¬
hafte Erinnerung mich gar nicht zweifeln lasse, sie
schon irgendwo gesehen zu haben. Die kurze Ab¬
fertigung, daß dies wohl nicht gut der Fall seyn
könne, da sie gestern erst und zwar das erste Mal
in ihrem Leben nach ***n gekommen, machte mich
im eigentlichsten Sinn des Worts etwas verblüfft.
Ich verstummte. Nur der Engelsblick, den die
holdseligen Augen des Mädchens mir zuwarfen,
half mir wieder auf. Ihr wißt, wie man bei
derlei Gelegenheit die geistigen Fühlhörner aus¬
strecken und leise, leise tasten muß, bis man die

Euch verſichern, daß ſich auch nicht der leiſeſte An¬
klang jener verderblichen wahnſinnigen Liebeswuth
in mir regte, die mich ganz und gar befing, wenn
mein Hauch das wunderbare Frauenbild aus dem
Spiegel hervor rief. — Meine Befremdung, noch
mehr, mein Erſchrecken muß lesbar geweſen ſeyn
in meinem Blick, denn das Maͤdchen ſah mich ganz
verwundert an, ſo daß ich fuͤr noͤthig hielt, mich
ſo, wie ich nur konnte, zuſammen zu nehmen, und
ſo gelaſſen als moͤglich anzufuͤhren, daß eine leb¬
hafte Erinnerung mich gar nicht zweifeln laſſe, ſie
ſchon irgendwo geſehen zu haben. Die kurze Ab¬
fertigung, daß dies wohl nicht gut der Fall ſeyn
koͤnne, da ſie geſtern erſt und zwar das erſte Mal
in ihrem Leben nach ***n gekommen, machte mich
im eigentlichſten Sinn des Worts etwas verbluͤfft.
Ich verſtummte. Nur der Engelsblick, den die
holdſeligen Augen des Maͤdchens mir zuwarfen,
half mir wieder auf. Ihr wißt, wie man bei
derlei Gelegenheit die geiſtigen Fuͤhlhoͤrner aus¬
ſtrecken und leiſe, leiſe taſten muß, bis man die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="59"/>
Euch ver&#x017F;ichern, daß &#x017F;ich auch nicht der lei&#x017F;e&#x017F;te An¬<lb/>
klang jener verderblichen wahn&#x017F;innigen Liebeswuth<lb/>
in mir regte, die mich ganz und gar befing, wenn<lb/>
mein Hauch das wunderbare Frauenbild aus dem<lb/>
Spiegel hervor rief. &#x2014; Meine Befremdung, noch<lb/>
mehr, mein Er&#x017F;chrecken muß lesbar gewe&#x017F;en &#x017F;eyn<lb/>
in meinem Blick, denn das Ma&#x0364;dchen &#x017F;ah mich ganz<lb/>
verwundert an, &#x017F;o daß ich fu&#x0364;r no&#x0364;thig hielt, mich<lb/>
&#x017F;o, wie ich nur konnte, zu&#x017F;ammen zu nehmen, und<lb/>
&#x017F;o gela&#x017F;&#x017F;en als mo&#x0364;glich anzufu&#x0364;hren, daß eine leb¬<lb/>
hafte Erinnerung mich gar nicht zweifeln la&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon irgendwo ge&#x017F;ehen zu haben. Die kurze Ab¬<lb/>
fertigung, daß dies wohl nicht gut der Fall &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nne, da &#x017F;ie ge&#x017F;tern er&#x017F;t und zwar das er&#x017F;te Mal<lb/>
in ihrem Leben nach ***n gekommen, machte mich<lb/>
im eigentlich&#x017F;ten Sinn des Worts etwas verblu&#x0364;fft.<lb/>
Ich ver&#x017F;tummte. Nur der Engelsblick, den die<lb/>
hold&#x017F;eligen Augen des Ma&#x0364;dchens mir zuwarfen,<lb/>
half mir wieder auf. Ihr wißt, wie man bei<lb/>
derlei Gelegenheit die gei&#x017F;tigen Fu&#x0364;hlho&#x0364;rner aus¬<lb/>
&#x017F;trecken und lei&#x017F;e, lei&#x017F;e ta&#x017F;ten muß, bis man die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] Euch verſichern, daß ſich auch nicht der leiſeſte An¬ klang jener verderblichen wahnſinnigen Liebeswuth in mir regte, die mich ganz und gar befing, wenn mein Hauch das wunderbare Frauenbild aus dem Spiegel hervor rief. — Meine Befremdung, noch mehr, mein Erſchrecken muß lesbar geweſen ſeyn in meinem Blick, denn das Maͤdchen ſah mich ganz verwundert an, ſo daß ich fuͤr noͤthig hielt, mich ſo, wie ich nur konnte, zuſammen zu nehmen, und ſo gelaſſen als moͤglich anzufuͤhren, daß eine leb¬ hafte Erinnerung mich gar nicht zweifeln laſſe, ſie ſchon irgendwo geſehen zu haben. Die kurze Ab¬ fertigung, daß dies wohl nicht gut der Fall ſeyn koͤnne, da ſie geſtern erſt und zwar das erſte Mal in ihrem Leben nach ***n gekommen, machte mich im eigentlichſten Sinn des Worts etwas verbluͤfft. Ich verſtummte. Nur der Engelsblick, den die holdſeligen Augen des Maͤdchens mir zuwarfen, half mir wieder auf. Ihr wißt, wie man bei derlei Gelegenheit die geiſtigen Fuͤhlhoͤrner aus¬ ſtrecken und leiſe, leiſe taſten muß, bis man die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/67
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/67>, abgerufen am 24.11.2024.