zugewendet, war es, als wolle sie nicht allein ihr glühendes Gesicht, sondern auch einige Thränen verbergen, die ihr, wie man schon bemerkt, in die Augen getreten. "Freude und Schmerz verwun¬ den, mit gleichem Weh die Brust des armen Men¬ schen, aber färbt der, dem verletzenden Dorn nach¬ quillende Blutstropfe nicht mit höherem Roth die verbleichende Rose?" So sprach mit vielem Pa¬ thos die jeanpaulisirende Clementine, indem sie ver¬ stohlen die Hand eines hübschen jungen, blonden Men¬ schen faßte, der gar zu gern sich aus den Rosenban¬ den, womit ihn Clementine bedrohlich umstrickt und in denen er etwas zu spitze Dornen verspürt hatte, losgewickelt. Der lächelte aber etwas fade und sprach nur: "O ja, Beste!" -- Dabei schielte er nach einem seitwärts stehenden Glase Wein, wel¬ ches er gern auf Clementinens sentimentalen Spruch geleert. Das ging aber nicht, da Clementine seine linke Hand festhielt, er aber mit der Rechten so eben das Besitzthum eines Stücks Kuchen ergrif¬ fen. In dem Augenblick trat Willibald zur Saal¬ thür herein und alles stürzte auf ihn zu mit tausend
zugewendet, war es, als wolle ſie nicht allein ihr gluͤhendes Geſicht, ſondern auch einige Thraͤnen verbergen, die ihr, wie man ſchon bemerkt, in die Augen getreten. „Freude und Schmerz verwun¬ den, mit gleichem Weh die Bruſt des armen Men¬ ſchen, aber faͤrbt der, dem verletzenden Dorn nach¬ quillende Blutstropfe nicht mit hoͤherem Roth die verbleichende Roſe?“ So ſprach mit vielem Pa¬ thos die jeanpauliſirende Clementine, indem ſie ver¬ ſtohlen die Hand eines huͤbſchen jungen, blonden Men¬ ſchen faßte, der gar zu gern ſich aus den Roſenban¬ den, womit ihn Clementine bedrohlich umſtrickt und in denen er etwas zu ſpitze Dornen verſpuͤrt hatte, losgewickelt. Der laͤchelte aber etwas fade und ſprach nur: „O ja, Beſte!“ — Dabei ſchielte er nach einem ſeitwaͤrts ſtehenden Glaſe Wein, wel¬ ches er gern auf Clementinens ſentimentalen Spruch geleert. Das ging aber nicht, da Clementine ſeine linke Hand feſthielt, er aber mit der Rechten ſo eben das Beſitzthum eines Stuͤcks Kuchen ergrif¬ fen. In dem Augenblick trat Willibald zur Saal¬ thuͤr herein und alles ſtuͤrzte auf ihn zu mit tauſend
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zugewendet, war es, als wolle ſie nicht allein ihr
gluͤhendes Geſicht, ſondern auch einige Thraͤnen
verbergen, die ihr, wie man ſchon bemerkt, in die
Augen getreten. „Freude und Schmerz verwun¬
den, mit gleichem Weh die Bruſt des armen Men¬
ſchen, aber faͤrbt der, dem verletzenden Dorn nach¬
quillende Blutstropfe nicht mit hoͤherem Roth die
verbleichende Roſe?“ So ſprach mit vielem Pa¬
thos die jeanpauliſirende Clementine, indem ſie ver¬
ſtohlen die Hand eines huͤbſchen jungen, blonden Men¬
ſchen faßte, der gar zu gern ſich aus den Roſenban¬
den, womit ihn Clementine bedrohlich umſtrickt und
in denen er etwas zu ſpitze Dornen verſpuͤrt hatte,
losgewickelt. Der laͤchelte aber etwas fade und
ſprach nur: „O ja, Beſte!“ — Dabei ſchielte er
nach einem ſeitwaͤrts ſtehenden Glaſe Wein, wel¬
ches er gern auf Clementinens ſentimentalen Spruch
geleert. Das ging aber nicht, da Clementine ſeine
linke Hand feſthielt, er aber mit der Rechten ſo
eben das Beſitzthum eines Stuͤcks Kuchen ergrif¬
fen. In dem Augenblick trat Willibald zur Saal¬
thuͤr herein und alles ſtuͤrzte auf ihn zu mit tauſend
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/359>, abgerufen am 23.11.2024.
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