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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Willibald. Beide sahen sich eine Weile schwei¬
gend an und brachen dann in ein helles Geläch¬
ter aus. "Du kommst mir vor," rief Willibald,
"wie der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde
Cavalier." -- "Und mich dünkt," erwiederte Ernst,
"ich hätte dich schon in der asiatischen Banise er¬
blickt." -- "Aber in der That," fuhr Willibald
fort, "des alten Hofraths Einfall ist so übel nicht.
Er will nun einmahl sich selbst mystifiziren, er will
eine Zeit hervorzaubern, in der er wahrhaft lebte,
unerachtet er noch jetzt ein munterer starker Greis
mit unverwüstlicher Lebenskraft und herrlicher Frisch¬
heit des Geistes, an Erregbarkeit und fantasiereicher
Laune es manchem vor der Zeit abgestumpften Jüng¬
linge zuvorthut. Er darf nicht dafür sorgen, daß
jemand in Wort und Gebehrde aus dem Costum
falle, denn dafür steckt jeder eben in den Kleidern
die ihm das ganz unmöglich machen. Sieh' nur wie
jüngferlich und zunferlich unsere jungen Damen in
ihren Reifröcken einhertrippeln, wie sie sich des Fä¬
chers zu bedienen wissen -- Wahrhaftig mich selbst

Willibald. Beide ſahen ſich eine Weile ſchwei¬
gend an und brachen dann in ein helles Gelaͤch¬
ter aus. „Du kommſt mir vor,“ rief Willibald,
„wie der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde
Cavalier.“ — „Und mich duͤnkt,“ erwiederte Ernſt,
„ich haͤtte dich ſchon in der aſiatiſchen Baniſe er¬
blickt.“ — „Aber in der That,“ fuhr Willibald
fort, „des alten Hofraths Einfall iſt ſo uͤbel nicht.
Er will nun einmahl ſich ſelbſt myſtifiziren, er will
eine Zeit hervorzaubern, in der er wahrhaft lebte,
unerachtet er noch jetzt ein munterer ſtarker Greis
mit unverwuͤſtlicher Lebenskraft und herrlicher Friſch¬
heit des Geiſtes, an Erregbarkeit und fantaſiereicher
Laune es manchem vor der Zeit abgeſtumpften Juͤng¬
linge zuvorthut. Er darf nicht dafuͤr ſorgen, daß
jemand in Wort und Gebehrde aus dem Coſtum
falle, denn dafuͤr ſteckt jeder eben in den Kleidern
die ihm das ganz unmoͤglich machen. Sieh' nur wie
juͤngferlich und zunferlich unſere jungen Damen in
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[336/0344] Willibald. Beide ſahen ſich eine Weile ſchwei¬ gend an und brachen dann in ein helles Gelaͤch¬ ter aus. „Du kommſt mir vor,“ rief Willibald, „wie der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Cavalier.“ — „Und mich duͤnkt,“ erwiederte Ernſt, „ich haͤtte dich ſchon in der aſiatiſchen Baniſe er¬ blickt.“ — „Aber in der That,“ fuhr Willibald fort, „des alten Hofraths Einfall iſt ſo uͤbel nicht. Er will nun einmahl ſich ſelbſt myſtifiziren, er will eine Zeit hervorzaubern, in der er wahrhaft lebte, unerachtet er noch jetzt ein munterer ſtarker Greis mit unverwuͤſtlicher Lebenskraft und herrlicher Friſch¬ heit des Geiſtes, an Erregbarkeit und fantaſiereicher Laune es manchem vor der Zeit abgeſtumpften Juͤng¬ linge zuvorthut. Er darf nicht dafuͤr ſorgen, daß jemand in Wort und Gebehrde aus dem Coſtum falle, denn dafuͤr ſteckt jeder eben in den Kleidern die ihm das ganz unmoͤglich machen. Sieh' nur wie juͤngferlich und zunferlich unſere jungen Damen in ihren Reifroͤcken einhertrippeln, wie ſie ſich des Faͤ¬ chers zu bedienen wiſſen — Wahrhaftig mich ſelbſt

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/344>, abgerufen am 25.11.2024.