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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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indem er sprach: "Beruhige dich liebe Tochter,
Stanislaus ist wohl, bald eilt er in deine Arme."
-- Da athmete Hermenegilda auf wie im schweren
Todesseufzer und sank von wildem Schmerz zerrissen
neben dem Grafen hin in die Polster des Sophas.
Doch nach wenigen Sekunden wieder zu sich selbst
gekommen, sprach sie mit wunderbarer Ruhe und
Fassung: "Laß es mich dir sagen, lieber Vater!
wie sich alles begeben, denn du mußt es wissen, da¬
mit du in mir die Witwe des Grafen Stanislaus
von R..erkennest. -- Wisse, daß ich vor sechs
Tagen in der Abenddämmerung mich in dem Pavil¬
lon an der Südseite unseres Parks befand. Alle
meine Gedanken, mein ganzes Wesen dem Geliebten
zugewendet, fühlt' ich meine Augen sich unwillkühr¬
lich schließen, nicht in Schlaf, nein, in einen seltsa¬
men Zustand versank ich, den ich nicht anders nen¬
nen kann, als waches Träumen. Aber bald schwirr¬
te und dröhnte es um mich her, ich vernahm ein
wildes Getümmel, es fiel ganz in der Nähe Schuß
auf Schuß. Ich fuhr auf, und war nicht wenig er¬

indem er ſprach: „Beruhige dich liebe Tochter,
Stanislaus iſt wohl, bald eilt er in deine Arme.“
— Da athmete Hermenegilda auf wie im ſchweren
Todesſeufzer und ſank von wildem Schmerz zerriſſen
neben dem Grafen hin in die Polſter des Sophas.
Doch nach wenigen Sekunden wieder zu ſich ſelbſt
gekommen, ſprach ſie mit wunderbarer Ruhe und
Faſſung: „Laß es mich dir ſagen, lieber Vater!
wie ſich alles begeben, denn du mußt es wiſſen, da¬
mit du in mir die Witwe des Grafen Stanislaus
von R..erkenneſt. — Wiſſe, daß ich vor ſechs
Tagen in der Abenddaͤmmerung mich in dem Pavil¬
lon an der Suͤdſeite unſeres Parks befand. Alle
meine Gedanken, mein ganzes Weſen dem Geliebten
zugewendet, fuͤhlt' ich meine Augen ſich unwillkuͤhr¬
lich ſchließen, nicht in Schlaf, nein, in einen ſeltſa¬
men Zuſtand verſank ich, den ich nicht anders nen¬
nen kann, als waches Traͤumen. Aber bald ſchwirr¬
te und droͤhnte es um mich her, ich vernahm ein
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[297/0305] indem er ſprach: „Beruhige dich liebe Tochter, Stanislaus iſt wohl, bald eilt er in deine Arme.“ — Da athmete Hermenegilda auf wie im ſchweren Todesſeufzer und ſank von wildem Schmerz zerriſſen neben dem Grafen hin in die Polſter des Sophas. Doch nach wenigen Sekunden wieder zu ſich ſelbſt gekommen, ſprach ſie mit wunderbarer Ruhe und Faſſung: „Laß es mich dir ſagen, lieber Vater! wie ſich alles begeben, denn du mußt es wiſſen, da¬ mit du in mir die Witwe des Grafen Stanislaus von R..erkenneſt. — Wiſſe, daß ich vor ſechs Tagen in der Abenddaͤmmerung mich in dem Pavil¬ lon an der Suͤdſeite unſeres Parks befand. Alle meine Gedanken, mein ganzes Weſen dem Geliebten zugewendet, fuͤhlt' ich meine Augen ſich unwillkuͤhr¬ lich ſchließen, nicht in Schlaf, nein, in einen ſeltſa¬ men Zuſtand verſank ich, den ich nicht anders nen¬ nen kann, als waches Traͤumen. Aber bald ſchwirr¬ te und droͤhnte es um mich her, ich vernahm ein wildes Getuͤmmel, es fiel ganz in der Naͤhe Schuß auf Schuß. Ich fuhr auf, und war nicht wenig er¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/305>, abgerufen am 25.11.2024.