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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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ins Feuer geführt, es war ihm geglückt, die feind¬
lichen Reihen mit seiner Reuterei zu durchbrechen.
Das Schicksal des Tages wankte, da traf ihn eine
Kugel und mit dem Ausruf: Vaterland -- Her¬
menegilda! stürzte er in Blut gebadet vom Pferde
herab. Jedes Wort dieser Erzählung war ein
Dolchstich, der tief in Hermenegilda's Herz fuhr.
"Nein! ich wußt' es nicht, daß ich ihn unaus¬
sprechlich liebte seit dem ersten Augenblick, als ich ihn
sah! -- Welch ein höllisches Blendwerk konnte mich
Aermste verführen, daß ich zu leben gedachte ohne
ihn, der mein einziges Leben ist! -- Ich habe ihn
in den Tod geschickt -- er kehrt nicht wieder!" --
So brach Hermenegilda aus in stürmische Klagen,
die allen in die Seele drangen. Schlaflos, von
steter Unruhe gefoltert, durchirrte sie zur Nachtzeit
den Park, und, als vermöge der Nachtwind ihre
Worte hinzutragen zu dem fernen Geliebten, rief
sie in die Lüfte hinein: "Stanislaus -- Stanis¬
laus -- kehre zurück -- ich bin es -- Hermene¬
gilda ist es, die dich ruft -- hörst du mich denn

ins Feuer gefuͤhrt, es war ihm gegluͤckt, die feind¬
lichen Reihen mit ſeiner Reuterei zu durchbrechen.
Das Schickſal des Tages wankte, da traf ihn eine
Kugel und mit dem Ausruf: Vaterland — Her¬
menegilda! ſtuͤrzte er in Blut gebadet vom Pferde
herab. Jedes Wort dieſer Erzaͤhlung war ein
Dolchſtich, der tief in Hermenegilda's Herz fuhr.
„Nein! ich wußt' es nicht, daß ich ihn unaus¬
ſprechlich liebte ſeit dem erſten Augenblick, als ich ihn
ſah! — Welch ein hoͤlliſches Blendwerk konnte mich
Aermſte verfuͤhren, daß ich zu leben gedachte ohne
ihn, der mein einziges Leben iſt! — Ich habe ihn
in den Tod geſchickt — er kehrt nicht wieder!“ —
So brach Hermenegilda aus in ſtuͤrmiſche Klagen,
die allen in die Seele drangen. Schlaflos, von
ſteter Unruhe gefoltert, durchirrte ſie zur Nachtzeit
den Park, und, als vermoͤge der Nachtwind ihre
Worte hinzutragen zu dem fernen Geliebten, rief
ſie in die Luͤfte hinein: „Stanislaus — Stanis¬
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[280/0288] ins Feuer gefuͤhrt, es war ihm gegluͤckt, die feind¬ lichen Reihen mit ſeiner Reuterei zu durchbrechen. Das Schickſal des Tages wankte, da traf ihn eine Kugel und mit dem Ausruf: Vaterland — Her¬ menegilda! ſtuͤrzte er in Blut gebadet vom Pferde herab. Jedes Wort dieſer Erzaͤhlung war ein Dolchſtich, der tief in Hermenegilda's Herz fuhr. „Nein! ich wußt' es nicht, daß ich ihn unaus¬ ſprechlich liebte ſeit dem erſten Augenblick, als ich ihn ſah! — Welch ein hoͤlliſches Blendwerk konnte mich Aermſte verfuͤhren, daß ich zu leben gedachte ohne ihn, der mein einziges Leben iſt! — Ich habe ihn in den Tod geſchickt — er kehrt nicht wieder!“ — So brach Hermenegilda aus in ſtuͤrmiſche Klagen, die allen in die Seele drangen. Schlaflos, von ſteter Unruhe gefoltert, durchirrte ſie zur Nachtzeit den Park, und, als vermoͤge der Nachtwind ihre Worte hinzutragen zu dem fernen Geliebten, rief ſie in die Luͤfte hinein: „Stanislaus — Stanis¬ laus — kehre zuruͤck — ich bin es — Hermene¬ gilda iſt es, die dich ruft — hoͤrſt du mich denn

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/288>, abgerufen am 24.11.2024.