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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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die verschleierte Dame, für die man ein paar
schwere Koffer vom Wagen abgepackt und hinein¬
getragen, da blieb, wohl gar auf lange Zeit ein¬
gezogen sey, konnte sie sich gar nicht lassen vor
peinlicher Neugier und Sorge. Sie trat hinaus
auf den Hausflur und dem Alten, der eben in das
Zimmer wollte, in den Weg. "Um Christus willen,"
flüsterte sie leise und ängstlich. "um Christus willen,
welch' einen Gast bringst du mir ins Haus, denn
du weißt doch ja von Allem und hast es mir nur
verschwiegen." "Alles was ich weiß, sollst du auch
erfahren," erwiederte der Alte ganz ruhig. "Ach
ach!" fuhr die Frau noch ängstlicher fort, "du
weißt aber vielleicht nicht Alles; wär'st du nur
jetzt im Zimmer gewesen. So wie die Frau Aeb¬
tissin abgefahren, mochte es der Dame doch wohl
zu beklommen werden in ihren dicken Schleiern.
Sie nahm den großen schwarzen Kreppflor, der ihr
bis an die Knie reichte, herab, und da sah ich" --
"Nun was sahst du denn," fiel der Alte der Frau,
die zitternd sich umschaute, als erblicke sie Ge¬

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die verſchleierte Dame, fuͤr die man ein paar
ſchwere Koffer vom Wagen abgepackt und hinein¬
getragen, da blieb, wohl gar auf lange Zeit ein¬
gezogen ſey, konnte ſie ſich gar nicht laſſen vor
peinlicher Neugier und Sorge. Sie trat hinaus
auf den Hausflur und dem Alten, der eben in das
Zimmer wollte, in den Weg. „Um Chriſtus willen,“
fluͤſterte ſie leiſe und aͤngſtlich. „um Chriſtus willen,
welch' einen Gaſt bringſt du mir ins Haus, denn
du weißt doch ja von Allem und haſt es mir nur
verſchwiegen.“ „Alles was ich weiß, ſollſt du auch
erfahren,“ erwiederte der Alte ganz ruhig. „Ach
ach!“ fuhr die Frau noch aͤngſtlicher fort, „du
weißt aber vielleicht nicht Alles; waͤr'ſt du nur
jetzt im Zimmer geweſen. So wie die Frau Aeb¬
tiſſin abgefahren, mochte es der Dame doch wohl
zu beklommen werden in ihren dicken Schleiern.
Sie nahm den großen ſchwarzen Kreppflor, der ihr
bis an die Knie reichte, herab, und da ſah ich“ —
„Nun was ſahſt du denn,“ fiel der Alte der Frau,
die zitternd ſich umſchaute, als erblicke ſie Ge¬

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[259/0267] die verſchleierte Dame, fuͤr die man ein paar ſchwere Koffer vom Wagen abgepackt und hinein¬ getragen, da blieb, wohl gar auf lange Zeit ein¬ gezogen ſey, konnte ſie ſich gar nicht laſſen vor peinlicher Neugier und Sorge. Sie trat hinaus auf den Hausflur und dem Alten, der eben in das Zimmer wollte, in den Weg. „Um Chriſtus willen,“ fluͤſterte ſie leiſe und aͤngſtlich. „um Chriſtus willen, welch' einen Gaſt bringſt du mir ins Haus, denn du weißt doch ja von Allem und haſt es mir nur verſchwiegen.“ „Alles was ich weiß, ſollſt du auch erfahren,“ erwiederte der Alte ganz ruhig. „Ach ach!“ fuhr die Frau noch aͤngſtlicher fort, „du weißt aber vielleicht nicht Alles; waͤr'ſt du nur jetzt im Zimmer geweſen. So wie die Frau Aeb¬ tiſſin abgefahren, mochte es der Dame doch wohl zu beklommen werden in ihren dicken Schleiern. Sie nahm den großen ſchwarzen Kreppflor, der ihr bis an die Knie reichte, herab, und da ſah ich“ — „Nun was ſahſt du denn,“ fiel der Alte der Frau, die zitternd ſich umſchaute, als erblicke ſie Ge¬ R 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/267>, abgerufen am 24.11.2024.