schrobene Riegel, die noch den Abend vorher nicht da gewesen, verwahrt war. V. sah ein, daß der Alte sich hatte das Hinausschreiten aus dem Zim¬ mer unmöglich machen wollen; widerstehen konnte er dem blinden Triebe nicht. Der Alte verfiel in eine ernste Krankheit; er sprach nicht, er nahm nur wenig Nahrung zu sich und starrte, wie fest geklammert von einem entsetzlichen Gedanken, mit Blicken, in denen sich der Tod mahlte, vor sich hin. V. glaubte, daß der Alte von dem Lager nicht erstehen werde. Alles, was sich für seinen Schützling thun ließ, hatte V. gethan, er mußte ruhig den Erfolg abwarten, und wollte deshalb nach K. zurück. Die Abreise war für den fol¬ genden Morgen bestimmt. V. packte spät Abends seine Scripturen zusammen, da fiel ihm ein klei¬ nes Packet in die Hände, welches ihm der Frei¬ herr Hubert von R. versiegelt und mit der Auf¬ schrift: Nach Eröffnung meines Testaments zu lesen, zugestellt und das er unbegreiflicher Weise noch nicht beobachtet hatte. Er war im Begriff
ſchrobene Riegel, die noch den Abend vorher nicht da geweſen, verwahrt war. V. ſah ein, daß der Alte ſich hatte das Hinausſchreiten aus dem Zim¬ mer unmoͤglich machen wollen; widerſtehen konnte er dem blinden Triebe nicht. Der Alte verfiel in eine ernſte Krankheit; er ſprach nicht, er nahm nur wenig Nahrung zu ſich und ſtarrte, wie feſt geklammert von einem entſetzlichen Gedanken, mit Blicken, in denen ſich der Tod mahlte, vor ſich hin. V. glaubte, daß der Alte von dem Lager nicht erſtehen werde. Alles, was ſich fuͤr ſeinen Schuͤtzling thun ließ, hatte V. gethan, er mußte ruhig den Erfolg abwarten, und wollte deshalb nach K. zuruͤck. Die Abreiſe war fuͤr den fol¬ genden Morgen beſtimmt. V. packte ſpaͤt Abends ſeine Scripturen zuſammen, da fiel ihm ein klei¬ nes Packet in die Haͤnde, welches ihm der Frei¬ herr Hubert von R. verſiegelt und mit der Auf¬ ſchrift: Nach Eroͤffnung meines Teſtaments zu leſen, zugeſtellt und das er unbegreiflicher Weiſe noch nicht beobachtet hatte. Er war im Begriff
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ſchrobene Riegel, die noch den Abend vorher nicht
da geweſen, verwahrt war. V. ſah ein, daß der
Alte ſich hatte das Hinausſchreiten aus dem Zim¬
mer unmoͤglich machen wollen; widerſtehen konnte
er dem blinden Triebe nicht. Der Alte verfiel
in eine ernſte Krankheit; er ſprach nicht, er nahm
nur wenig Nahrung zu ſich und ſtarrte, wie feſt
geklammert von einem entſetzlichen Gedanken, mit
Blicken, in denen ſich der Tod mahlte, vor ſich
hin. V. glaubte, daß der Alte von dem Lager
nicht erſtehen werde. Alles, was ſich fuͤr ſeinen
Schuͤtzling thun ließ, hatte V. gethan, er mußte
ruhig den Erfolg abwarten, und wollte deshalb
nach K. zuruͤck. Die Abreiſe war fuͤr den fol¬
genden Morgen beſtimmt. V. packte ſpaͤt Abends
ſeine Scripturen zuſammen, da fiel ihm ein klei¬
nes Packet in die Haͤnde, welches ihm der Frei¬
herr Hubert von R. verſiegelt und mit der Auf¬
ſchrift: Nach Eroͤffnung meines Teſtaments zu
leſen, zugeſtellt und das er unbegreiflicher Weiſe
noch nicht beobachtet hatte. Er war im Begriff
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/239>, abgerufen am 27.11.2024.
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