beleidigt, nun nicht sowol aus Eigennutz, denn was konnte ihm, dem kinderlosen Greise, der im Stamm¬ schlosse R -- sitten sein Leben zu enden wünschte, die größte Summe Geldes helfen, als vielmehr, um Rache zu nehmen für den erlittenen Schimpf, ir¬ gendwo versteckte Schätze lieber vermodern lassen, als ihm entdecken werde. Er erzählte V. den gan¬ zen Vorfall mit Daniel umständlich, und schloß da¬ mit, daß nach mehreren Nachrichten, die ihm zuge¬ kommen, Daniel allein es gewesen sey, der in dem alten Freiherrn einen unerklärlichen Abscheu, seine Söhne in R -- sitten wiederzusehen, zu nähren ge¬ wußt habe. Der Justitiarius erklärte diese Nach¬ richten durchaus für falsch, da kein menschliches We¬ sen auf der Welt im Stande gewesen sey, des alten Freiherrn Entschlüsse nur einigermaßen zu lenken, viel weniger zu bestimmen, und übernahm es übri¬ gens, dem Daniel das Geheimniß, wegen irgend in einem verborgenen Winkel aufbewahrten Geldes, zu entlocken. Es bedurfte dessen gar nicht, denn kaum fing der Justitiarius an: "Aber wie kommt es
beleidigt, nun nicht ſowol aus Eigennutz, denn was konnte ihm, dem kinderloſen Greiſe, der im Stamm¬ ſchloſſe R — ſitten ſein Leben zu enden wuͤnſchte, die groͤßte Summe Geldes helfen, als vielmehr, um Rache zu nehmen fuͤr den erlittenen Schimpf, ir¬ gendwo verſteckte Schaͤtze lieber vermodern laſſen, als ihm entdecken werde. Er erzaͤhlte V. den gan¬ zen Vorfall mit Daniel umſtaͤndlich, und ſchloß da¬ mit, daß nach mehreren Nachrichten, die ihm zuge¬ kommen, Daniel allein es geweſen ſey, der in dem alten Freiherrn einen unerklaͤrlichen Abſcheu, ſeine Soͤhne in R — ſitten wiederzuſehen, zu naͤhren ge¬ wußt habe. Der Juſtitiarius erklaͤrte dieſe Nach¬ richten durchaus fuͤr falſch, da kein menſchliches We¬ ſen auf der Welt im Stande geweſen ſey, des alten Freiherrn Entſchluͤſſe nur einigermaßen zu lenken, viel weniger zu beſtimmen, und uͤbernahm es uͤbri¬ gens, dem Daniel das Geheimniß, wegen irgend in einem verborgenen Winkel aufbewahrten Geldes, zu entlocken. Es bedurfte deſſen gar nicht, denn kaum fing der Juſtitiarius an: „Aber wie kommt es
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="184"/>
beleidigt, nun nicht ſowol aus Eigennutz, denn was<lb/>
konnte ihm, dem kinderloſen Greiſe, der im Stamm¬<lb/>ſchloſſe R —ſitten ſein Leben zu enden wuͤnſchte, die<lb/>
groͤßte Summe Geldes helfen, als vielmehr, um<lb/>
Rache zu nehmen fuͤr den erlittenen Schimpf, ir¬<lb/>
gendwo verſteckte Schaͤtze lieber vermodern laſſen,<lb/>
als ihm entdecken werde. Er erzaͤhlte V. den gan¬<lb/>
zen Vorfall mit Daniel umſtaͤndlich, und ſchloß da¬<lb/>
mit, daß nach mehreren Nachrichten, die ihm zuge¬<lb/>
kommen, Daniel allein es geweſen ſey, der in dem<lb/>
alten Freiherrn einen unerklaͤrlichen Abſcheu, ſeine<lb/>
Soͤhne in R —ſitten wiederzuſehen, zu naͤhren ge¬<lb/>
wußt habe. Der Juſtitiarius erklaͤrte dieſe Nach¬<lb/>
richten durchaus fuͤr falſch, da kein menſchliches We¬<lb/>ſen auf der Welt im Stande geweſen ſey, des alten<lb/>
Freiherrn Entſchluͤſſe nur einigermaßen zu lenken,<lb/>
viel weniger zu beſtimmen, und uͤbernahm es uͤbri¬<lb/>
gens, dem Daniel das Geheimniß, wegen irgend in<lb/>
einem verborgenen Winkel aufbewahrten Geldes, zu<lb/>
entlocken. Es bedurfte deſſen gar nicht, denn kaum<lb/>
fing der Juſtitiarius an: „Aber wie kommt es<lb/></p></div></body></text></TEI>
[184/0192]
beleidigt, nun nicht ſowol aus Eigennutz, denn was
konnte ihm, dem kinderloſen Greiſe, der im Stamm¬
ſchloſſe R — ſitten ſein Leben zu enden wuͤnſchte, die
groͤßte Summe Geldes helfen, als vielmehr, um
Rache zu nehmen fuͤr den erlittenen Schimpf, ir¬
gendwo verſteckte Schaͤtze lieber vermodern laſſen,
als ihm entdecken werde. Er erzaͤhlte V. den gan¬
zen Vorfall mit Daniel umſtaͤndlich, und ſchloß da¬
mit, daß nach mehreren Nachrichten, die ihm zuge¬
kommen, Daniel allein es geweſen ſey, der in dem
alten Freiherrn einen unerklaͤrlichen Abſcheu, ſeine
Soͤhne in R — ſitten wiederzuſehen, zu naͤhren ge¬
wußt habe. Der Juſtitiarius erklaͤrte dieſe Nach¬
richten durchaus fuͤr falſch, da kein menſchliches We¬
ſen auf der Welt im Stande geweſen ſey, des alten
Freiherrn Entſchluͤſſe nur einigermaßen zu lenken,
viel weniger zu beſtimmen, und uͤbernahm es uͤbri¬
gens, dem Daniel das Geheimniß, wegen irgend in
einem verborgenen Winkel aufbewahrten Geldes, zu
entlocken. Es bedurfte deſſen gar nicht, denn kaum
fing der Juſtitiarius an: „Aber wie kommt es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/192>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.