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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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beleidigt, nun nicht sowol aus Eigennutz, denn was
konnte ihm, dem kinderlosen Greise, der im Stamm¬
schlosse R -- sitten sein Leben zu enden wünschte, die
größte Summe Geldes helfen, als vielmehr, um
Rache zu nehmen für den erlittenen Schimpf, ir¬
gendwo versteckte Schätze lieber vermodern lassen,
als ihm entdecken werde. Er erzählte V. den gan¬
zen Vorfall mit Daniel umständlich, und schloß da¬
mit, daß nach mehreren Nachrichten, die ihm zuge¬
kommen, Daniel allein es gewesen sey, der in dem
alten Freiherrn einen unerklärlichen Abscheu, seine
Söhne in R -- sitten wiederzusehen, zu nähren ge¬
wußt habe. Der Justitiarius erklärte diese Nach¬
richten durchaus für falsch, da kein menschliches We¬
sen auf der Welt im Stande gewesen sey, des alten
Freiherrn Entschlüsse nur einigermaßen zu lenken,
viel weniger zu bestimmen, und übernahm es übri¬
gens, dem Daniel das Geheimniß, wegen irgend in
einem verborgenen Winkel aufbewahrten Geldes, zu
entlocken. Es bedurfte dessen gar nicht, denn kaum
fing der Justitiarius an: "Aber wie kommt es

beleidigt, nun nicht ſowol aus Eigennutz, denn was
konnte ihm, dem kinderloſen Greiſe, der im Stamm¬
ſchloſſe R — ſitten ſein Leben zu enden wuͤnſchte, die
groͤßte Summe Geldes helfen, als vielmehr, um
Rache zu nehmen fuͤr den erlittenen Schimpf, ir¬
gendwo verſteckte Schaͤtze lieber vermodern laſſen,
als ihm entdecken werde. Er erzaͤhlte V. den gan¬
zen Vorfall mit Daniel umſtaͤndlich, und ſchloß da¬
mit, daß nach mehreren Nachrichten, die ihm zuge¬
kommen, Daniel allein es geweſen ſey, der in dem
alten Freiherrn einen unerklaͤrlichen Abſcheu, ſeine
Soͤhne in R — ſitten wiederzuſehen, zu naͤhren ge¬
wußt habe. Der Juſtitiarius erklaͤrte dieſe Nach¬
richten durchaus fuͤr falſch, da kein menſchliches We¬
ſen auf der Welt im Stande geweſen ſey, des alten
Freiherrn Entſchluͤſſe nur einigermaßen zu lenken,
viel weniger zu beſtimmen, und uͤbernahm es uͤbri¬
gens, dem Daniel das Geheimniß, wegen irgend in
einem verborgenen Winkel aufbewahrten Geldes, zu
entlocken. Es bedurfte deſſen gar nicht, denn kaum
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[184/0192] beleidigt, nun nicht ſowol aus Eigennutz, denn was konnte ihm, dem kinderloſen Greiſe, der im Stamm¬ ſchloſſe R — ſitten ſein Leben zu enden wuͤnſchte, die groͤßte Summe Geldes helfen, als vielmehr, um Rache zu nehmen fuͤr den erlittenen Schimpf, ir¬ gendwo verſteckte Schaͤtze lieber vermodern laſſen, als ihm entdecken werde. Er erzaͤhlte V. den gan¬ zen Vorfall mit Daniel umſtaͤndlich, und ſchloß da¬ mit, daß nach mehreren Nachrichten, die ihm zuge¬ kommen, Daniel allein es geweſen ſey, der in dem alten Freiherrn einen unerklaͤrlichen Abſcheu, ſeine Soͤhne in R — ſitten wiederzuſehen, zu naͤhren ge¬ wußt habe. Der Juſtitiarius erklaͤrte dieſe Nach¬ richten durchaus fuͤr falſch, da kein menſchliches We¬ ſen auf der Welt im Stande geweſen ſey, des alten Freiherrn Entſchluͤſſe nur einigermaßen zu lenken, viel weniger zu beſtimmen, und uͤbernahm es uͤbri¬ gens, dem Daniel das Geheimniß, wegen irgend in einem verborgenen Winkel aufbewahrten Geldes, zu entlocken. Es bedurfte deſſen gar nicht, denn kaum fing der Juſtitiarius an: „Aber wie kommt es

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/192>, abgerufen am 25.11.2024.