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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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das pfeifende Gerassel der mühsam geöffneten Schlös¬
ser, jeder Fußtritt, recht schauerlich wiederhallte,
durch unversehrte Gänge, Säle, Zimmer, fort und
fort wandelte. Nirgends die mindeste Spur irgend
einer Verwüstung. Eine finstere Ahnung erfaßte
den alten Hausverwalter. Er schritt hinauf in den
großen Rittersaal, in dessen Seitenkabinet der Frei¬
herr Roderich von R. zu ruhen pflegte, wenn er
astronomische Beobachtungen angestellt. Eine zwi¬
schen der Thür dieses und eines andern Kabinets an¬
gebrachte Pforte führte durch einen engen Gang
unmittelbar in den astronomischen Thurm. Aber
so wie Daniel (so war der Hausverwalter geheißen)
diese Pforte öffnete, warf ihm der Sturm, abscheu¬
lig heulend und sausend, Schutt und zerbröckelte
Mauersteine entgegen, so daß er vor Entsetzen weit
zurückprallte, und, indem er den Leuchter, dessen
Kerzen prasselnd verlöschten, an die Erde fallen ließ,
laut aufschrie: "O Herr des Himmels! der Ba¬
ron ist jämmerlich zerschmettert!" -- In dem Au¬
genblick ließen sich Klagelaute vernehmen, die aus

das pfeifende Geraſſel der muͤhſam geoͤffneten Schloͤſ¬
ſer, jeder Fußtritt, recht ſchauerlich wiederhallte,
durch unverſehrte Gaͤnge, Saͤle, Zimmer, fort und
fort wandelte. Nirgends die mindeſte Spur irgend
einer Verwuͤſtung. Eine finſtere Ahnung erfaßte
den alten Hausverwalter. Er ſchritt hinauf in den
großen Ritterſaal, in deſſen Seitenkabinet der Frei¬
herr Roderich von R. zu ruhen pflegte, wenn er
aſtronomiſche Beobachtungen angeſtellt. Eine zwi¬
ſchen der Thuͤr dieſes und eines andern Kabinets an¬
gebrachte Pforte fuͤhrte durch einen engen Gang
unmittelbar in den aſtronomiſchen Thurm. Aber
ſo wie Daniel (ſo war der Hausverwalter geheißen)
dieſe Pforte oͤffnete, warf ihm der Sturm, abſcheu¬
lig heulend und ſauſend, Schutt und zerbroͤckelte
Mauerſteine entgegen, ſo daß er vor Entſetzen weit
zuruͤckprallte, und, indem er den Leuchter, deſſen
Kerzen praſſelnd verloͤſchten, an die Erde fallen ließ,
laut aufſchrie: „O Herr des Himmels! der Ba¬
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[175/0183] das pfeifende Geraſſel der muͤhſam geoͤffneten Schloͤſ¬ ſer, jeder Fußtritt, recht ſchauerlich wiederhallte, durch unverſehrte Gaͤnge, Saͤle, Zimmer, fort und fort wandelte. Nirgends die mindeſte Spur irgend einer Verwuͤſtung. Eine finſtere Ahnung erfaßte den alten Hausverwalter. Er ſchritt hinauf in den großen Ritterſaal, in deſſen Seitenkabinet der Frei¬ herr Roderich von R. zu ruhen pflegte, wenn er aſtronomiſche Beobachtungen angeſtellt. Eine zwi¬ ſchen der Thuͤr dieſes und eines andern Kabinets an¬ gebrachte Pforte fuͤhrte durch einen engen Gang unmittelbar in den aſtronomiſchen Thurm. Aber ſo wie Daniel (ſo war der Hausverwalter geheißen) dieſe Pforte oͤffnete, warf ihm der Sturm, abſcheu¬ lig heulend und ſauſend, Schutt und zerbroͤckelte Mauerſteine entgegen, ſo daß er vor Entſetzen weit zuruͤckprallte, und, indem er den Leuchter, deſſen Kerzen praſſelnd verloͤſchten, an die Erde fallen ließ, laut aufſchrie: „O Herr des Himmels! der Ba¬ ron iſt jaͤmmerlich zerſchmettert!“ — In dem Au¬ genblick ließen ſich Klagelaute vernehmen, die aus

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/183>, abgerufen am 24.11.2024.