Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

und dann, vor allen Dingen, wiederholen Sie die
Erzählung von dem unheimlichen Spuk recht oft.
Die Baronin gewöhnt sich daran, sie vergißt, daß
der Spuk hier in diesen Mauern hauset, und die
Geschichte wirkt nicht stärker auf sie, als jedes an¬
dere Zaubermärchen, das in irgend einem Roman,
in irgend einem Gespensterbuch, ihr aufgetischt
worden. Das thun Sie, lieber Freund!" -- Mit
diesen Worten entließ mich der Baron -- Ich
ging -- Ich war vernichtet in meinem eignen
Innern, herabgesunken zum bedeutungslosen, thö¬
rigten Kinde! -- Ich Wahnsinniger, der ich glaubte,
Eifersucht könne sich in seiner Brust regen; Er
selbst schickt mich zu Seraphinen, er selbst sieht
in mir nur das willenlose Mittel, das er braucht
und wegwirft, wie es ihm beliebt! -- Vor wenig
Minuten fürchtete ich den Baron, es lag in mir
tief im Hintergrunde verborgen das Bewußtseyn
der Schuld, aber diese Schuld ließ mich das hö¬
here, herrlichere Leben deutlich fühlen, dem ich zu¬
gereift; nun war alles versunken in schwarze Nacht,

und dann, vor allen Dingen, wiederholen Sie die
Erzaͤhlung von dem unheimlichen Spuk recht oft.
Die Baronin gewoͤhnt ſich daran, ſie vergißt, daß
der Spuk hier in dieſen Mauern hauſet, und die
Geſchichte wirkt nicht ſtaͤrker auf ſie, als jedes an¬
dere Zaubermaͤrchen, das in irgend einem Roman,
in irgend einem Geſpenſterbuch, ihr aufgetiſcht
worden. Das thun Sie, lieber Freund!“ — Mit
dieſen Worten entließ mich der Baron — Ich
ging — Ich war vernichtet in meinem eignen
Innern, herabgeſunken zum bedeutungsloſen, thoͤ¬
rigten Kinde! — Ich Wahnſinniger, der ich glaubte,
Eiferſucht koͤnne ſich in ſeiner Bruſt regen; Er
ſelbſt ſchickt mich zu Seraphinen, er ſelbſt ſieht
in mir nur das willenloſe Mittel, das er braucht
und wegwirft, wie es ihm beliebt! — Vor wenig
Minuten fuͤrchtete ich den Baron, es lag in mir
tief im Hintergrunde verborgen das Bewußtſeyn
der Schuld, aber dieſe Schuld ließ mich das hoͤ¬
here, herrlichere Leben deutlich fuͤhlen, dem ich zu¬
gereift; nun war alles verſunken in ſchwarze Nacht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="162"/>
und dann, vor allen Dingen, wiederholen Sie die<lb/>
Erza&#x0364;hlung von dem unheimlichen Spuk recht oft.<lb/>
Die Baronin gewo&#x0364;hnt &#x017F;ich daran, &#x017F;ie vergißt, daß<lb/>
der Spuk hier in die&#x017F;en Mauern hau&#x017F;et, und die<lb/>
Ge&#x017F;chichte wirkt nicht &#x017F;ta&#x0364;rker auf &#x017F;ie, als jedes an¬<lb/>
dere Zauberma&#x0364;rchen, das in irgend einem Roman,<lb/>
in irgend einem Ge&#x017F;pen&#x017F;terbuch, ihr aufgeti&#x017F;cht<lb/>
worden. Das thun Sie, lieber Freund!&#x201C; &#x2014; Mit<lb/>
die&#x017F;en Worten entließ mich der Baron &#x2014; Ich<lb/>
ging &#x2014; Ich war vernichtet in meinem eignen<lb/>
Innern, herabge&#x017F;unken zum bedeutungslo&#x017F;en, tho&#x0364;¬<lb/>
rigten Kinde! &#x2014; Ich Wahn&#x017F;inniger, der ich glaubte,<lb/>
Eifer&#x017F;ucht ko&#x0364;nne &#x017F;ich in &#x017F;einer Bru&#x017F;t regen; Er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chickt mich zu Seraphinen, er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ieht<lb/>
in mir nur das willenlo&#x017F;e Mittel, das er braucht<lb/>
und wegwirft, wie es ihm beliebt! &#x2014; Vor wenig<lb/>
Minuten fu&#x0364;rchtete ich den Baron, es lag in mir<lb/>
tief im Hintergrunde verborgen das Bewußt&#x017F;eyn<lb/>
der Schuld, aber die&#x017F;e Schuld ließ mich das ho&#x0364;¬<lb/>
here, herrlichere Leben deutlich fu&#x0364;hlen, dem ich zu¬<lb/>
gereift; nun war alles ver&#x017F;unken in &#x017F;chwarze Nacht,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0170] und dann, vor allen Dingen, wiederholen Sie die Erzaͤhlung von dem unheimlichen Spuk recht oft. Die Baronin gewoͤhnt ſich daran, ſie vergißt, daß der Spuk hier in dieſen Mauern hauſet, und die Geſchichte wirkt nicht ſtaͤrker auf ſie, als jedes an¬ dere Zaubermaͤrchen, das in irgend einem Roman, in irgend einem Geſpenſterbuch, ihr aufgetiſcht worden. Das thun Sie, lieber Freund!“ — Mit dieſen Worten entließ mich der Baron — Ich ging — Ich war vernichtet in meinem eignen Innern, herabgeſunken zum bedeutungsloſen, thoͤ¬ rigten Kinde! — Ich Wahnſinniger, der ich glaubte, Eiferſucht koͤnne ſich in ſeiner Bruſt regen; Er ſelbſt ſchickt mich zu Seraphinen, er ſelbſt ſieht in mir nur das willenloſe Mittel, das er braucht und wegwirft, wie es ihm beliebt! — Vor wenig Minuten fuͤrchtete ich den Baron, es lag in mir tief im Hintergrunde verborgen das Bewußtſeyn der Schuld, aber dieſe Schuld ließ mich das hoͤ¬ here, herrlichere Leben deutlich fuͤhlen, dem ich zu¬ gereift; nun war alles verſunken in ſchwarze Nacht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/170
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/170>, abgerufen am 22.11.2024.