Mauern kommt sie gar nicht heraus aus dem er¬ höhten, überreitzten Zustande, der sonst nur mo¬ mentan einzutreten pflegt, und zwar oft als Vor¬ bote einer ernsten Krankheit. Sie fragen mit Recht, warum ich der zarten Frau diesen schauerli¬ chen Aufenthalt, dieses wilde verwirrte Jägerleben nicht erspare? Aber nennen Sie es immerhin Schwäche, genug, mir ist es nicht möglich sie allein zurückzulassen. In tausend Aengsten und nicht fähig Ernstes zu unternehmen würde ich seyn, denn ich weiß es, die entsetzlichsten Bilder von aller¬ lei verstörendem Ungemach, das ihr wiederfahren, verließen mich nicht im Walde, nicht im Gerichts¬ saal -- Dann aber glaube ich auch, daß dem schwäch¬ lichen Weibe gerade diese Wirthschaft hier wie ein erkräftigendes Stahlbad anschlagen muß -- Wahr¬ haftig, der Seewind, der nach seiner Art tüchtig durch die Föhren saust, das dumpfe Gebelle der Doggen, der keck und munter schmetternde Hörner¬ klang muß hier siegen über die verweichlenden, schmachtelnden Pinseleien am Clavier, das so kein
Mauern kommt ſie gar nicht heraus aus dem er¬ hoͤhten, uͤberreitzten Zuſtande, der ſonſt nur mo¬ mentan einzutreten pflegt, und zwar oft als Vor¬ bote einer ernſten Krankheit. Sie fragen mit Recht, warum ich der zarten Frau dieſen ſchauerli¬ chen Aufenthalt, dieſes wilde verwirrte Jaͤgerleben nicht erſpare? Aber nennen Sie es immerhin Schwaͤche, genug, mir iſt es nicht moͤglich ſie allein zuruͤckzulaſſen. In tauſend Aengſten und nicht faͤhig Ernſtes zu unternehmen wuͤrde ich ſeyn, denn ich weiß es, die entſetzlichſten Bilder von aller¬ lei verſtoͤrendem Ungemach, das ihr wiederfahren, verließen mich nicht im Walde, nicht im Gerichts¬ ſaal — Dann aber glaube ich auch, daß dem ſchwaͤch¬ lichen Weibe gerade dieſe Wirthſchaft hier wie ein erkraͤftigendes Stahlbad anſchlagen muß — Wahr¬ haftig, der Seewind, der nach ſeiner Art tuͤchtig durch die Foͤhren ſauſt, das dumpfe Gebelle der Doggen, der keck und munter ſchmetternde Hoͤrner¬ klang muß hier ſiegen uͤber die verweichlenden, ſchmachtelnden Pinſeleien am Clavier, das ſo kein
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Mauern kommt ſie gar nicht heraus aus dem er¬
hoͤhten, uͤberreitzten Zuſtande, der ſonſt nur mo¬
mentan einzutreten pflegt, und zwar oft als Vor¬
bote einer ernſten Krankheit. Sie fragen mit
Recht, warum ich der zarten Frau dieſen ſchauerli¬
chen Aufenthalt, dieſes wilde verwirrte Jaͤgerleben
nicht erſpare? Aber nennen Sie es immerhin
Schwaͤche, genug, mir iſt es nicht moͤglich ſie
allein zuruͤckzulaſſen. In tauſend Aengſten und
nicht faͤhig Ernſtes zu unternehmen wuͤrde ich ſeyn,
denn ich weiß es, die entſetzlichſten Bilder von aller¬
lei verſtoͤrendem Ungemach, das ihr wiederfahren,
verließen mich nicht im Walde, nicht im Gerichts¬
ſaal — Dann aber glaube ich auch, daß dem ſchwaͤch¬
lichen Weibe gerade dieſe Wirthſchaft hier wie ein
erkraͤftigendes Stahlbad anſchlagen muß — Wahr¬
haftig, der Seewind, der nach ſeiner Art tuͤchtig
durch die Foͤhren ſauſt, das dumpfe Gebelle der
Doggen, der keck und munter ſchmetternde Hoͤrner¬
klang muß hier ſiegen uͤber die verweichlenden,
ſchmachtelnden Pinſeleien am Clavier, das ſo kein
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/166>, abgerufen am 24.11.2024.
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