Sah' ich nicht den schwerbeleidigten Gatten vor mir, und mußt ich nicht einen Auftritt befürchten, der vielleicht schmachvoll für mich enden konnte? Ich war unbewaffnet, doch im Moment besann ich mich auf mein künstliches Jagdmesser, das mir der Alte erst in R..sitten geschenkt und das ich noch in der Tasche trug. Nun folgte ich dem mich rasch fortziehenden Baron mit dem Entschluß keines Le¬ ben zu schonen, wenn ich Gefahr laufen sollte, un¬ würdig behandelt zu werden. Wir waren in des Barons Zimmer eingetreten, dessen Thür er hinter sich abschloß. Nun schritt er mit übereinanderge¬ schlagenen Armen heftig auf und ab, dann blieb er vor mir stehen und wiederholte: "Ich habe mit Ihnen zu sprechen, junger Mann!" -- Der ver¬ wegenste Muth war mir gekommen, und ich wie¬ derholte mit erhöhtem Ton: "Ich hoffe, daß es Worte seyn werden, die ich ungeahndet hören darf!" Der Baron schaute mich verwundert an, als verstehe er mich nicht. Dann blickte er finster zur Erde, schlug die Arme über den Rücken und
Sah' ich nicht den ſchwerbeleidigten Gatten vor mir, und mußt ich nicht einen Auftritt befuͤrchten, der vielleicht ſchmachvoll fuͤr mich enden konnte? Ich war unbewaffnet, doch im Moment beſann ich mich auf mein kuͤnſtliches Jagdmeſſer, das mir der Alte erſt in R..ſitten geſchenkt und das ich noch in der Taſche trug. Nun folgte ich dem mich raſch fortziehenden Baron mit dem Entſchluß keines Le¬ ben zu ſchonen, wenn ich Gefahr laufen ſollte, un¬ wuͤrdig behandelt zu werden. Wir waren in des Barons Zimmer eingetreten, deſſen Thuͤr er hinter ſich abſchloß. Nun ſchritt er mit uͤbereinanderge¬ ſchlagenen Armen heftig auf und ab, dann blieb er vor mir ſtehen und wiederholte: „Ich habe mit Ihnen zu ſprechen, junger Mann!“ — Der ver¬ wegenſte Muth war mir gekommen, und ich wie¬ derholte mit erhoͤhtem Ton: „Ich hoffe, daß es Worte ſeyn werden, die ich ungeahndet hoͤren darf!“ Der Baron ſchaute mich verwundert an, als verſtehe er mich nicht. Dann blickte er finſter zur Erde, ſchlug die Arme uͤber den Ruͤcken und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0163"n="155"/>
Sah' ich nicht den ſchwerbeleidigten Gatten vor<lb/>
mir, und mußt ich nicht einen Auftritt befuͤrchten,<lb/>
der vielleicht ſchmachvoll fuͤr mich enden konnte?<lb/>
Ich war unbewaffnet, doch im Moment beſann ich<lb/>
mich auf mein kuͤnſtliches Jagdmeſſer, das mir der<lb/>
Alte erſt in R..ſitten geſchenkt und das ich noch<lb/>
in der Taſche trug. Nun folgte ich dem mich raſch<lb/>
fortziehenden Baron mit dem Entſchluß keines Le¬<lb/>
ben zu ſchonen, wenn ich Gefahr laufen ſollte, un¬<lb/>
wuͤrdig behandelt zu werden. Wir waren in des<lb/>
Barons Zimmer eingetreten, deſſen Thuͤr er hinter<lb/>ſich abſchloß. Nun ſchritt er mit uͤbereinanderge¬<lb/>ſchlagenen Armen heftig auf und ab, dann blieb er<lb/>
vor mir ſtehen und wiederholte: „Ich habe mit<lb/>
Ihnen zu ſprechen, junger Mann!“— Der ver¬<lb/>
wegenſte Muth war mir gekommen, und ich wie¬<lb/>
derholte mit erhoͤhtem Ton: „Ich hoffe, daß es<lb/>
Worte ſeyn werden, die ich ungeahndet hoͤren<lb/>
darf!“ Der Baron ſchaute mich verwundert an,<lb/>
als verſtehe er mich nicht. Dann blickte er finſter<lb/>
zur Erde, ſchlug die Arme uͤber den Ruͤcken und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[155/0163]
Sah' ich nicht den ſchwerbeleidigten Gatten vor
mir, und mußt ich nicht einen Auftritt befuͤrchten,
der vielleicht ſchmachvoll fuͤr mich enden konnte?
Ich war unbewaffnet, doch im Moment beſann ich
mich auf mein kuͤnſtliches Jagdmeſſer, das mir der
Alte erſt in R..ſitten geſchenkt und das ich noch
in der Taſche trug. Nun folgte ich dem mich raſch
fortziehenden Baron mit dem Entſchluß keines Le¬
ben zu ſchonen, wenn ich Gefahr laufen ſollte, un¬
wuͤrdig behandelt zu werden. Wir waren in des
Barons Zimmer eingetreten, deſſen Thuͤr er hinter
ſich abſchloß. Nun ſchritt er mit uͤbereinanderge¬
ſchlagenen Armen heftig auf und ab, dann blieb er
vor mir ſtehen und wiederholte: „Ich habe mit
Ihnen zu ſprechen, junger Mann!“ — Der ver¬
wegenſte Muth war mir gekommen, und ich wie¬
derholte mit erhoͤhtem Ton: „Ich hoffe, daß es
Worte ſeyn werden, die ich ungeahndet hoͤren
darf!“ Der Baron ſchaute mich verwundert an,
als verſtehe er mich nicht. Dann blickte er finſter
zur Erde, ſchlug die Arme uͤber den Ruͤcken und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/163>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.