Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

sindels. Giorgina, des Clima's und der Le¬
bensweise in dem wilden Forst ganz ungewohnt,
welkte zusehends hin. Ihre bräunliche Gesichts¬
farbe verwandelte sich in fahles Gelb, ihre leb¬
haften blitzenden Augen wurden düster, und ihr
voller, üppiger Wuchs magerte mit jedem Tage
mehr ab. Oft erwachte sie in mondheller Nacht.
Schüsse krachten in der Ferne durch den Wald,
die Doggen heulten, leise erhob sich der Mann
vom Lager und schlich mit dem Knecht murmelnd
hinaus in den Forst. Dann betete sie inbrünstig
zu Gott und zu den Heiligen, daß sie und ihr
treuer Mann errettet werden möchten aus dieser
schrecklichen Einöde und aus der steten Todesge¬
fahr. Die Geburt eines Knaben warf Giorgina
endlich auf das Krankenlager, und immer schwä¬
cher und schwächer werdend, sah sie ihr Ende vor
Augen. Dumpf in sich hinbrütend, schlich der un¬
glückliche Andres umher; alles Glück war mit
der Krankheit seines Weibes von ihm gewichen.
Wie neckendes, gespenstisches Wesen guckte das

ſindels. Giorgina, des Clima's und der Le¬
bensweiſe in dem wilden Forſt ganz ungewohnt,
welkte zuſehends hin. Ihre braͤunliche Geſichts¬
farbe verwandelte ſich in fahles Gelb, ihre leb¬
haften blitzenden Augen wurden duͤſter, und ihr
voller, uͤppiger Wuchs magerte mit jedem Tage
mehr ab. Oft erwachte ſie in mondheller Nacht.
Schuͤſſe krachten in der Ferne durch den Wald,
die Doggen heulten, leiſe erhob ſich der Mann
vom Lager und ſchlich mit dem Knecht murmelnd
hinaus in den Forſt. Dann betete ſie inbruͤnſtig
zu Gott und zu den Heiligen, daß ſie und ihr
treuer Mann errettet werden moͤchten aus dieſer
ſchrecklichen Einoͤde und aus der ſteten Todesge¬
fahr. Die Geburt eines Knaben warf Giorgina
endlich auf das Krankenlager, und immer ſchwaͤ¬
cher und ſchwaͤcher werdend, ſah ſie ihr Ende vor
Augen. Dumpf in ſich hinbruͤtend, ſchlich der un¬
gluͤckliche Andres umher; alles Gluͤck war mit
der Krankheit ſeines Weibes von ihm gewichen.
Wie neckendes, geſpenſtiſches Weſen guckte das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0094" n="86"/>
&#x017F;indels. <hi rendition="#g">Giorgina</hi>, des Clima's und der Le¬<lb/>
benswei&#x017F;e in dem wilden For&#x017F;t ganz ungewohnt,<lb/>
welkte zu&#x017F;ehends hin. Ihre bra&#x0364;unliche Ge&#x017F;ichts¬<lb/>
farbe verwandelte &#x017F;ich in fahles Gelb, ihre leb¬<lb/>
haften blitzenden Augen wurden du&#x0364;&#x017F;ter, und ihr<lb/>
voller, u&#x0364;ppiger Wuchs magerte mit jedem Tage<lb/>
mehr ab. Oft erwachte &#x017F;ie in mondheller Nacht.<lb/>
Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e krachten in der Ferne durch den Wald,<lb/>
die Doggen heulten, lei&#x017F;e erhob &#x017F;ich der Mann<lb/>
vom Lager und &#x017F;chlich mit dem Knecht murmelnd<lb/>
hinaus in den For&#x017F;t. Dann betete &#x017F;ie inbru&#x0364;n&#x017F;tig<lb/>
zu Gott und zu den Heiligen, daß &#x017F;ie und ihr<lb/>
treuer Mann errettet werden mo&#x0364;chten aus die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;chrecklichen Eino&#x0364;de und aus der &#x017F;teten Todesge¬<lb/>
fahr. Die Geburt eines Knaben warf <hi rendition="#g">Giorgina</hi><lb/>
endlich auf das Krankenlager, und immer &#x017F;chwa&#x0364;¬<lb/>
cher und &#x017F;chwa&#x0364;cher werdend, &#x017F;ah &#x017F;ie ihr Ende vor<lb/>
Augen. Dumpf in &#x017F;ich hinbru&#x0364;tend, &#x017F;chlich der un¬<lb/>
glu&#x0364;ckliche <hi rendition="#g">Andres</hi> umher; alles Glu&#x0364;ck war mit<lb/>
der Krankheit &#x017F;eines Weibes von ihm gewichen.<lb/>
Wie neckendes, ge&#x017F;pen&#x017F;ti&#x017F;ches We&#x017F;en guckte das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0094] ſindels. Giorgina, des Clima's und der Le¬ bensweiſe in dem wilden Forſt ganz ungewohnt, welkte zuſehends hin. Ihre braͤunliche Geſichts¬ farbe verwandelte ſich in fahles Gelb, ihre leb¬ haften blitzenden Augen wurden duͤſter, und ihr voller, uͤppiger Wuchs magerte mit jedem Tage mehr ab. Oft erwachte ſie in mondheller Nacht. Schuͤſſe krachten in der Ferne durch den Wald, die Doggen heulten, leiſe erhob ſich der Mann vom Lager und ſchlich mit dem Knecht murmelnd hinaus in den Forſt. Dann betete ſie inbruͤnſtig zu Gott und zu den Heiligen, daß ſie und ihr treuer Mann errettet werden moͤchten aus dieſer ſchrecklichen Einoͤde und aus der ſteten Todesge¬ fahr. Die Geburt eines Knaben warf Giorgina endlich auf das Krankenlager, und immer ſchwaͤ¬ cher und ſchwaͤcher werdend, ſah ſie ihr Ende vor Augen. Dumpf in ſich hinbruͤtend, ſchlich der un¬ gluͤckliche Andres umher; alles Gluͤck war mit der Krankheit ſeines Weibes von ihm gewichen. Wie neckendes, geſpenſtiſches Weſen guckte das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/94
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/94>, abgerufen am 27.11.2024.