Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

konnte im blendenden Kerzenlicht Olimpia's
Züge nicht ganz erkennen. Ganz unvermerkt
nahm er deshalb Coppola's Glas hervor und
schaute hin nach der schönen Olimpia. Ach! --
da wurde er gewahr, wie sie voll Sehnsucht nach
ihm herübersah', wie jeder Ton erst deutlich auf¬
ging in dem Liebesblick, der zündend sein Inneres
durchdrang. Die künstlichen Rouladen schienen
dem Nathanael das Himmelsjauchzen des in
Liebe verklärten Gemüths, und als nun endlich nach
der Cadenz der lange Trillo recht schmetternd
durch den Saal gellte, konnte er wie von
glühenden Aermen plötzlich erfaßt sich nicht
mehr halten, er mußte vor Schmerz und Ent¬
zücken laut aufschreien: Olimpia! -- Alle
sahen sich um nach ihm, manche lachten. Der
Domorganist schnitt aber noch ein finstreres Gesicht,
als vorher und sagte blos: Nun nun! -- Das
Conzert war zu Ende, der Ball fing an. "Mit
ihr zu tanzen! -- mit ihr! das war nun dem
Nathanael das Ziel aller Wünsche, alles Stre¬

konnte im blendenden Kerzenlicht Olimpia's
Zuͤge nicht ganz erkennen. Ganz unvermerkt
nahm er deshalb Coppola's Glas hervor und
ſchaute hin nach der ſchoͤnen Olimpia. Ach! —
da wurde er gewahr, wie ſie voll Sehnſucht nach
ihm heruͤberſah', wie jeder Ton erſt deutlich auf¬
ging in dem Liebesblick, der zuͤndend ſein Inneres
durchdrang. Die kuͤnſtlichen Rouladen ſchienen
dem Nathanael das Himmelsjauchzen des in
Liebe verklaͤrten Gemuͤths, und als nun endlich nach
der Cadenz der lange Trillo recht ſchmetternd
durch den Saal gellte, konnte er wie von
gluͤhenden Aermen ploͤtzlich erfaßt ſich nicht
mehr halten, er mußte vor Schmerz und Ent¬
zuͤcken laut aufſchreien: Olimpia! — Alle
ſahen ſich um nach ihm, manche lachten. Der
Domorganiſt ſchnitt aber noch ein finſtreres Geſicht,
als vorher und ſagte blos: Nun nun! — Das
Conzert war zu Ende, der Ball fing an. „Mit
ihr zu tanzen! — mit ihr! das war nun dem
Nathanael das Ziel aller Wuͤnſche, alles Stre¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="58"/>
konnte im blendenden Kerzenlicht <hi rendition="#g">Olimpia's</hi><lb/>
Zu&#x0364;ge nicht ganz erkennen. Ganz unvermerkt<lb/>
nahm er deshalb <hi rendition="#g">Coppola's</hi> Glas hervor und<lb/>
&#x017F;chaute hin nach der &#x017F;cho&#x0364;nen <hi rendition="#g">Olimpia</hi>. Ach! &#x2014;<lb/>
da wurde er gewahr, wie &#x017F;ie voll Sehn&#x017F;ucht nach<lb/>
ihm heru&#x0364;ber&#x017F;ah', wie jeder Ton er&#x017F;t deutlich auf¬<lb/>
ging in dem Liebesblick, der zu&#x0364;ndend &#x017F;ein Inneres<lb/>
durchdrang. Die ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Rouladen &#x017F;chienen<lb/>
dem <hi rendition="#g">Nathanael</hi> das Himmelsjauchzen des in<lb/>
Liebe verkla&#x0364;rten Gemu&#x0364;ths, und als nun endlich nach<lb/>
der Cadenz der lange Trillo recht &#x017F;chmetternd<lb/>
durch den Saal gellte, konnte er wie von<lb/>
glu&#x0364;henden Aermen plo&#x0364;tzlich erfaßt &#x017F;ich nicht<lb/>
mehr halten, er mußte vor Schmerz und Ent¬<lb/>
zu&#x0364;cken laut auf&#x017F;chreien: <hi rendition="#g">Olimpia</hi>! &#x2014; Alle<lb/>
&#x017F;ahen &#x017F;ich um nach ihm, manche lachten. Der<lb/>
Domorgani&#x017F;t &#x017F;chnitt aber noch ein fin&#x017F;treres Ge&#x017F;icht,<lb/>
als vorher und &#x017F;agte blos: Nun nun! &#x2014; Das<lb/>
Conzert war zu Ende, der Ball fing an. &#x201E;Mit<lb/>
ihr zu tanzen! &#x2014; mit ihr! das war nun dem<lb/><hi rendition="#g">Nathanael</hi> das Ziel aller Wu&#x0364;n&#x017F;che, alles Stre¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0066] konnte im blendenden Kerzenlicht Olimpia's Zuͤge nicht ganz erkennen. Ganz unvermerkt nahm er deshalb Coppola's Glas hervor und ſchaute hin nach der ſchoͤnen Olimpia. Ach! — da wurde er gewahr, wie ſie voll Sehnſucht nach ihm heruͤberſah', wie jeder Ton erſt deutlich auf¬ ging in dem Liebesblick, der zuͤndend ſein Inneres durchdrang. Die kuͤnſtlichen Rouladen ſchienen dem Nathanael das Himmelsjauchzen des in Liebe verklaͤrten Gemuͤths, und als nun endlich nach der Cadenz der lange Trillo recht ſchmetternd durch den Saal gellte, konnte er wie von gluͤhenden Aermen ploͤtzlich erfaßt ſich nicht mehr halten, er mußte vor Schmerz und Ent¬ zuͤcken laut aufſchreien: Olimpia! — Alle ſahen ſich um nach ihm, manche lachten. Der Domorganiſt ſchnitt aber noch ein finſtreres Geſicht, als vorher und ſagte blos: Nun nun! — Das Conzert war zu Ende, der Ball fing an. „Mit ihr zu tanzen! — mit ihr! das war nun dem Nathanael das Ziel aller Wuͤnſche, alles Stre¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/66
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/66>, abgerufen am 24.11.2024.