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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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kommt und nebenher auch wohl noch die ganze
Welt: Was ist es denn? Erzählen Sie Lieb¬
ster? -- So trieb es mich denn gar gewaltig, von
Nathanaels verhängnißvollem Leben zu Dir zu
sprechen. Das Wunderbare, Seltsame davon er¬
füllte meine ganze Seele, aber eben deshalb und
weil ich Dich, o mein Leser! gleich geneigt machen
mußte, Wunderliches zu ertragen, welches nichts
geringes ist, quälte ich mich ab, Nathanaels
Geschichte, bedeutend -- originell, ergreifend, an¬
zufangen: "Es war einmahl" -- der schönste An¬
fang jeder Erzählung, zu nüchtern! -- "In der
kleinen Provinzial-Stadt S. lebte" -- etwas bes¬
ser, wenigstens ausholend zum Climax. -- Oder
gleich medias in res: "Scheer' er sich zum Teu¬
fel, rief, Wuth und Entsetzen im wilden Blick,
der Student Nathanael, als der Wetterglas-
Händler Giuseppe Coppola" -- Das hatte ich
in der That schon aufgeschrieben, als ich in dem
wilden Blick des Studenten Nathanael etwas
possirliches zu verspüren glaubte; die Geschichte ist
aber gar nicht spaßhaft. Mir kam keine Rede

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kommt und nebenher auch wohl noch die ganze
Welt: Was iſt es denn? Erzaͤhlen Sie Lieb¬
ſter? — So trieb es mich denn gar gewaltig, von
Nathanaels verhaͤngnißvollem Leben zu Dir zu
ſprechen. Das Wunderbare, Seltſame davon er¬
fuͤllte meine ganze Seele, aber eben deshalb und
weil ich Dich, o mein Leſer! gleich geneigt machen
mußte, Wunderliches zu ertragen, welches nichts
geringes iſt, quaͤlte ich mich ab, Nathanaels
Geſchichte, bedeutend — originell, ergreifend, an¬
zufangen: „Es war einmahl“ — der ſchoͤnſte An¬
fang jeder Erzaͤhlung, zu nuͤchtern! — „In der
kleinen Provinzial-Stadt S. lebte“ — etwas beſ¬
ſer, wenigſtens ausholend zum Climax. — Oder
gleich medias in res: „Scheer' er ſich zum Teu¬
fel, rief, Wuth und Entſetzen im wilden Blick,
der Student Nathanael, als der Wetterglas-
Haͤndler Giuſeppe Coppola“ — Das hatte ich
in der That ſchon aufgeſchrieben, als ich in dem
wilden Blick des Studenten Nathanael etwas
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aber gar nicht ſpaßhaft. Mir kam keine Rede

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[33/0041] kommt und nebenher auch wohl noch die ganze Welt: Was iſt es denn? Erzaͤhlen Sie Lieb¬ ſter? — So trieb es mich denn gar gewaltig, von Nathanaels verhaͤngnißvollem Leben zu Dir zu ſprechen. Das Wunderbare, Seltſame davon er¬ fuͤllte meine ganze Seele, aber eben deshalb und weil ich Dich, o mein Leſer! gleich geneigt machen mußte, Wunderliches zu ertragen, welches nichts geringes iſt, quaͤlte ich mich ab, Nathanaels Geſchichte, bedeutend — originell, ergreifend, an¬ zufangen: „Es war einmahl“ — der ſchoͤnſte An¬ fang jeder Erzaͤhlung, zu nuͤchtern! — „In der kleinen Provinzial-Stadt S. lebte“ — etwas beſ¬ ſer, wenigſtens ausholend zum Climax. — Oder gleich medias in res: „Scheer' er ſich zum Teu¬ fel, rief, Wuth und Entſetzen im wilden Blick, der Student Nathanael, als der Wetterglas- Haͤndler Giuſeppe Coppola“ — Das hatte ich in der That ſchon aufgeſchrieben, als ich in dem wilden Blick des Studenten Nathanael etwas poſſirliches zu verſpuͤren glaubte; die Geſchichte iſt aber gar nicht ſpaßhaft. Mir kam keine Rede C

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/41>, abgerufen am 23.11.2024.