Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

mich nicht zu bemerken, und überhaupt hatten
ihre Augen etwas Starres, beinahe möcht' ich
sagen, keine Sehkraft, es war mir so, als
schliefe sie mit offnen Augen. Mir wurde ganz
unheimlich und deshalb schlich ich leise fort ins
Auditorium, das daneben gelegen. Nachher er¬
fuhr ich, daß die Gestalt, die ich gesehen, Spa¬
lanzani's Tochter, Olimpia war, die er son¬
derbarer und schlechter Weise einsperrt, so, daß
durchaus kein Mensch in ihre Nähe kommen
darf. -- Am Ende hat es eine Bewandniß mit
ihr, sie ist vielleicht blödsinnig oder sonst. --
Weshalb schreibe ich Dir aber das alles? Besser
und ausführlicher hätte ich Dir das mündlich er¬
zählen können. Wisse nehmlich, daß ich über
vierzehn Tage bey Euch bin. Ich muß mein
süßes liebes Engelsbild, meine Clara, wiederseh¬
en. Weggehaucht wird dann die Verstimmung
seyn, die sich (ich muß das gestehen) nach dem fata¬
len verständigen Briefe meiner bemeistern wollte
Deshalb schreibe ich auch heute nicht an Sie.

Tausend Grüße etc. etc. etc.


mich nicht zu bemerken, und uͤberhaupt hatten
ihre Augen etwas Starres, beinahe moͤcht' ich
ſagen, keine Sehkraft, es war mir ſo, als
ſchliefe ſie mit offnen Augen. Mir wurde ganz
unheimlich und deshalb ſchlich ich leiſe fort ins
Auditorium, das daneben gelegen. Nachher er¬
fuhr ich, daß die Geſtalt, die ich geſehen, Spa¬
lanzani's Tochter, Olimpia war, die er ſon¬
derbarer und ſchlechter Weiſe einſperrt, ſo, daß
durchaus kein Menſch in ihre Naͤhe kommen
darf. — Am Ende hat es eine Bewandniß mit
ihr, ſie iſt vielleicht bloͤdſinnig oder ſonſt. —
Weshalb ſchreibe ich Dir aber das alles? Beſſer
und ausfuͤhrlicher haͤtte ich Dir das muͤndlich er¬
zaͤhlen koͤnnen. Wiſſe nehmlich, daß ich uͤber
vierzehn Tage bey Euch bin. Ich muß mein
ſuͤßes liebes Engelsbild, meine Clara, wiederſeh¬
en. Weggehaucht wird dann die Verſtimmung
ſeyn, die ſich (ich muß das geſtehen) nach dem fata¬
len verſtaͤndigen Briefe meiner bemeiſtern wollte
Deshalb ſchreibe ich auch heute nicht an Sie.

Tauſend Gruͤße ꝛc. ꝛc. ꝛc.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0038" n="30"/>
mich nicht zu bemerken, und u&#x0364;berhaupt hatten<lb/>
ihre Augen etwas Starres, beinahe mo&#x0364;cht' ich<lb/>
&#x017F;agen, keine Sehkraft, es war mir &#x017F;o, als<lb/>
&#x017F;chliefe &#x017F;ie mit offnen Augen. Mir wurde ganz<lb/>
unheimlich und deshalb &#x017F;chlich ich lei&#x017F;e fort ins<lb/>
Auditorium, das daneben gelegen. Nachher er¬<lb/>
fuhr ich, daß die Ge&#x017F;talt, die ich ge&#x017F;ehen, <hi rendition="#g">Spa</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">lanzani's</hi> Tochter, <hi rendition="#g">Olimpia</hi> war, die er &#x017F;on¬<lb/>
derbarer und &#x017F;chlechter Wei&#x017F;e ein&#x017F;perrt, &#x017F;o, daß<lb/>
durchaus kein Men&#x017F;ch in ihre Na&#x0364;he kommen<lb/>
darf. &#x2014; Am Ende hat es eine Bewandniß mit<lb/>
ihr, &#x017F;ie i&#x017F;t vielleicht blo&#x0364;d&#x017F;innig oder &#x017F;on&#x017F;t. &#x2014;<lb/>
Weshalb &#x017F;chreibe ich Dir aber das alles? Be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
und ausfu&#x0364;hrlicher ha&#x0364;tte ich Dir das mu&#x0364;ndlich er¬<lb/>
za&#x0364;hlen ko&#x0364;nnen. Wi&#x017F;&#x017F;e nehmlich, daß ich u&#x0364;ber<lb/>
vierzehn Tage bey Euch bin. Ich muß mein<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ßes liebes Engelsbild, meine <hi rendition="#g">Clara</hi>, wieder&#x017F;eh¬<lb/>
en. Weggehaucht wird dann die Ver&#x017F;timmung<lb/>
&#x017F;eyn, die &#x017F;ich (ich muß das ge&#x017F;tehen) nach dem fata¬<lb/>
len ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen Briefe meiner bemei&#x017F;tern wollte<lb/>
Deshalb &#x017F;chreibe ich auch heute nicht an Sie.<lb/></p>
          <p>Tau&#x017F;end Gru&#x0364;ße &#xA75B;c. &#xA75B;c. &#xA75B;c.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0038] mich nicht zu bemerken, und uͤberhaupt hatten ihre Augen etwas Starres, beinahe moͤcht' ich ſagen, keine Sehkraft, es war mir ſo, als ſchliefe ſie mit offnen Augen. Mir wurde ganz unheimlich und deshalb ſchlich ich leiſe fort ins Auditorium, das daneben gelegen. Nachher er¬ fuhr ich, daß die Geſtalt, die ich geſehen, Spa¬ lanzani's Tochter, Olimpia war, die er ſon¬ derbarer und ſchlechter Weiſe einſperrt, ſo, daß durchaus kein Menſch in ihre Naͤhe kommen darf. — Am Ende hat es eine Bewandniß mit ihr, ſie iſt vielleicht bloͤdſinnig oder ſonſt. — Weshalb ſchreibe ich Dir aber das alles? Beſſer und ausfuͤhrlicher haͤtte ich Dir das muͤndlich er¬ zaͤhlen koͤnnen. Wiſſe nehmlich, daß ich uͤber vierzehn Tage bey Euch bin. Ich muß mein ſuͤßes liebes Engelsbild, meine Clara, wiederſeh¬ en. Weggehaucht wird dann die Verſtimmung ſeyn, die ſich (ich muß das geſtehen) nach dem fata¬ len verſtaͤndigen Briefe meiner bemeiſtern wollte Deshalb ſchreibe ich auch heute nicht an Sie. Tauſend Gruͤße ꝛc. ꝛc. ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/38
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/38>, abgerufen am 24.11.2024.