Du wirst sagen: in dies kalte Gemüth dringt kein Strahl des Geheimnißvollen, das den Men¬ schen oft mit unsichtbaren Armen umfaßt; sie er¬ schaut nur die bunte Oberfläche der Welt und freut sich, wie das kindische Kind über die gold¬ gleißende Frucht, in deren Innerm tödtliches Gift verborgen.
Ach mein herzgeliebter Nathanael! glaubst Du denn nicht, daß auch in heitern -- unbefan¬ genen -- sorglosen Gemüthern die Ahnung woh¬ nen könne von einer dunklen Macht, die feindlich Uns in Unserm eignen Selbst zu verderben strebt? -- Aber verzeih' es mir, wenn ich ein¬ fältig' Mädchen mich unterfange, auf irgend eine Weise mir anzudeuten, was ich eigentlich von solchem Kampfe im Innern glaube. -- Ich finde wohl gar am Ende nicht die rechten Worte und Du lachst mich aus, nicht, weil ich was dummes meine, sondern weil ich mich so ungeschickt an¬ stelle, es zu sagen. --
Giebt es eine dunkle Macht, die so recht feind¬ lich und verrätherisch einen Faden in unser Inne¬
Du wirſt ſagen: in dies kalte Gemuͤth dringt kein Strahl des Geheimnißvollen, das den Men¬ ſchen oft mit unſichtbaren Armen umfaßt; ſie er¬ ſchaut nur die bunte Oberflaͤche der Welt und freut ſich, wie das kindiſche Kind uͤber die gold¬ gleißende Frucht, in deren Innerm toͤdtliches Gift verborgen.
Ach mein herzgeliebter Nathanael! glaubſt Du denn nicht, daß auch in heitern — unbefan¬ genen — ſorgloſen Gemuͤthern die Ahnung woh¬ nen koͤnne von einer dunklen Macht, die feindlich Uns in Unſerm eignen Selbſt zu verderben ſtrebt? — Aber verzeih' es mir, wenn ich ein¬ faͤltig' Maͤdchen mich unterfange, auf irgend eine Weiſe mir anzudeuten, was ich eigentlich von ſolchem Kampfe im Innern glaube. — Ich finde wohl gar am Ende nicht die rechten Worte und Du lachſt mich aus, nicht, weil ich was dummes meine, ſondern weil ich mich ſo ungeſchickt an¬ ſtelle, es zu ſagen. —
Giebt es eine dunkle Macht, die ſo recht feind¬ lich und verraͤtheriſch einen Faden in unſer Inne¬
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Du wirſt ſagen: in dies kalte Gemuͤth dringt
kein Strahl des Geheimnißvollen, das den Men¬
ſchen oft mit unſichtbaren Armen umfaßt; ſie er¬
ſchaut nur die bunte Oberflaͤche der Welt und
freut ſich, wie das kindiſche Kind uͤber die gold¬
gleißende Frucht, in deren Innerm toͤdtliches Gift
verborgen.
Ach mein herzgeliebter Nathanael! glaubſt
Du denn nicht, daß auch in heitern — unbefan¬
genen — ſorgloſen Gemuͤthern die Ahnung woh¬
nen koͤnne von einer dunklen Macht, die feindlich
Uns in Unſerm eignen Selbſt zu verderben
ſtrebt? — Aber verzeih' es mir, wenn ich ein¬
faͤltig' Maͤdchen mich unterfange, auf irgend eine
Weiſe mir anzudeuten, was ich eigentlich von
ſolchem Kampfe im Innern glaube. — Ich finde
wohl gar am Ende nicht die rechten Worte und
Du lachſt mich aus, nicht, weil ich was dummes
meine, ſondern weil ich mich ſo ungeſchickt an¬
ſtelle, es zu ſagen. —
Giebt es eine dunkle Macht, die ſo recht feind¬
lich und verraͤtheriſch einen Faden in unſer Inne¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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