verlor, in der katholischen Kirche sang. Erinnert Euch, daß dies am ersten Osterfeiertage vorigen Jahres geschah. Ihr hattet Euer schwarzes Eh¬ renkleid angethan und dirigirtet die herrliche Haydnsche Messe aus dem D Moll. In dem Sopran that sich ein Flor junger anmuthig geklei¬ deter Mädchen auf, die zum Theil sangen, zum Theil auch nicht; unter ihnen stand Bettina, die mit wunderbar starker voller Stimme die kleinen Soli vortrug. Ihr wißt, daß ich mich im Tenor angestellt hatte, das Sanctus war ein¬ getreten, ich fühlte die Schauer der tiefsten An¬ dacht mich durchbeben, da rauschte es hinter mir störend, unwillkührlich drehte ich mich um, und erblickte zu meinem Erstaunen Bettina, die sich durch die Reihen der Spielenden und Sin¬ genden drängte um den Chor zu verlassen." "Sie wollen fort?" redete ich sie an. "Es ist die höchste Zeit," erwiederte sie sehr freundlich, "daß ich mich jetzt nach der *** Kirche begebe, um noch, wie ich versprochen, dort in einer Cantate
verlor, in der katholiſchen Kirche ſang. Erinnert Euch, daß dies am erſten Oſterfeiertage vorigen Jahres geſchah. Ihr hattet Euer ſchwarzes Eh¬ renkleid angethan und dirigirtet die herrliche Haydnſche Meſſe aus dem D Moll. In dem Sopran that ſich ein Flor junger anmuthig geklei¬ deter Maͤdchen auf, die zum Theil ſangen, zum Theil auch nicht; unter ihnen ſtand Bettina, die mit wunderbar ſtarker voller Stimme die kleinen Soli vortrug. Ihr wißt, daß ich mich im Tenor angeſtellt hatte, das Sanctus war ein¬ getreten, ich fuͤhlte die Schauer der tiefſten An¬ dacht mich durchbeben, da rauſchte es hinter mir ſtoͤrend, unwillkuͤhrlich drehte ich mich um, und erblickte zu meinem Erſtaunen Bettina, die ſich durch die Reihen der Spielenden und Sin¬ genden draͤngte um den Chor zu verlaſſen.“ „Sie wollen fort?“ redete ich ſie an. „Es iſt die hoͤchſte Zeit,“ erwiederte ſie ſehr freundlich, „daß ich mich jetzt nach der *** Kirche begebe, um noch, wie ich verſprochen, dort in einer Cantate
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verlor, in der katholiſchen Kirche ſang. Erinnert
Euch, daß dies am erſten Oſterfeiertage vorigen
Jahres geſchah. Ihr hattet Euer ſchwarzes Eh¬
renkleid angethan und dirigirtet die herrliche
Haydnſche Meſſe aus dem D Moll. In dem
Sopran that ſich ein Flor junger anmuthig geklei¬
deter Maͤdchen auf, die zum Theil ſangen, zum
Theil auch nicht; unter ihnen ſtand Bettina,
die mit wunderbar ſtarker voller Stimme die
kleinen Soli vortrug. Ihr wißt, daß ich mich
im Tenor angeſtellt hatte, das Sanctus war ein¬
getreten, ich fuͤhlte die Schauer der tiefſten An¬
dacht mich durchbeben, da rauſchte es hinter mir
ſtoͤrend, unwillkuͤhrlich drehte ich mich um, und
erblickte zu meinem Erſtaunen Bettina, die
ſich durch die Reihen der Spielenden und Sin¬
genden draͤngte um den Chor zu verlaſſen.“ „Sie
wollen fort?“ redete ich ſie an. „Es iſt die
hoͤchſte Zeit,“ erwiederte ſie ſehr freundlich, „daß
ich mich jetzt nach der *** Kirche begebe, um
noch, wie ich verſprochen, dort in einer Cantate
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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