musikalischen Ton anzugeben, aber so wie sie die Stimme zum Gesange erheben will, lähmt ein unbegreifliches Etwas, das sich durch kein Ste¬ chen, Prickeln, Kitzeln oder sonst als ein affir¬ matives krankhaftes Prinzip darthut, ihre Kraft, so daß jeder versuchte Ton ohne gepreßt-un¬ rein, kurz katarrhalisch zu klingen, matt und farblos dahin schwindet. Bettina selbst ver¬ gleicht ihren Zustand sehr richtig demjenigen im Traum, wenn man mit dem vollsten Bewußtseyn der Kraft zum Fliegen doch vergebens strebt in die Höhe zu steigen. Dieser negative krankhafte Zustand spottet meiner Kunst und wirkungslos bleiben alle Mittel. Der Feind, den ich bekäm¬ pfen soll, gleicht einem körperlosen Spuck, gegen den ich vergebens meine Streiche führe. Darin habt Ihr Recht Kapellmeister, daß Bettina's ganze Existenz im Leben durch den Gesang be¬ dingt ist, denn eben im Gesange kann man sich den kleinen Paradiesvogel nur denken, deshalb ist sie aber schon durch die Vorstellung, daß ihr
muſikaliſchen Ton anzugeben, aber ſo wie ſie die Stimme zum Geſange erheben will, laͤhmt ein unbegreifliches Etwas, das ſich durch kein Ste¬ chen, Prickeln, Kitzeln oder ſonſt als ein affir¬ matives krankhaftes Prinzip darthut, ihre Kraft, ſo daß jeder verſuchte Ton ohne gepreßt-un¬ rein, kurz katarrhaliſch zu klingen, matt und farblos dahin ſchwindet. Bettina ſelbſt ver¬ gleicht ihren Zuſtand ſehr richtig demjenigen im Traum, wenn man mit dem vollſten Bewußtſeyn der Kraft zum Fliegen doch vergebens ſtrebt in die Hoͤhe zu ſteigen. Dieſer negative krankhafte Zuſtand ſpottet meiner Kunſt und wirkungslos bleiben alle Mittel. Der Feind, den ich bekaͤm¬ pfen ſoll, gleicht einem koͤrperloſen Spuck, gegen den ich vergebens meine Streiche fuͤhre. Darin habt Ihr Recht Kapellmeiſter, daß Bettina's ganze Exiſtenz im Leben durch den Geſang be¬ dingt iſt, denn eben im Geſange kann man ſich den kleinen Paradiesvogel nur denken, deshalb iſt ſie aber ſchon durch die Vorſtellung, daß ihr
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muſikaliſchen Ton anzugeben, aber ſo wie ſie die
Stimme zum Geſange erheben will, laͤhmt ein
unbegreifliches Etwas, das ſich durch kein Ste¬
chen, Prickeln, Kitzeln oder ſonſt als ein affir¬
matives krankhaftes Prinzip darthut, ihre Kraft,
ſo daß jeder verſuchte Ton ohne gepreßt-un¬
rein, kurz katarrhaliſch zu klingen, matt und
farblos dahin ſchwindet. Bettina ſelbſt ver¬
gleicht ihren Zuſtand ſehr richtig demjenigen im
Traum, wenn man mit dem vollſten Bewußtſeyn
der Kraft zum Fliegen doch vergebens ſtrebt in
die Hoͤhe zu ſteigen. Dieſer negative krankhafte
Zuſtand ſpottet meiner Kunſt und wirkungslos
bleiben alle Mittel. Der Feind, den ich bekaͤm¬
pfen ſoll, gleicht einem koͤrperloſen Spuck, gegen
den ich vergebens meine Streiche fuͤhre. Darin
habt Ihr Recht Kapellmeiſter, daß Bettina's
ganze Exiſtenz im Leben durch den Geſang be¬
dingt iſt, denn eben im Geſange kann man ſich
den kleinen Paradiesvogel nur denken, deshalb
iſt ſie aber ſchon durch die Vorſtellung, daß ihr
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/292>, abgerufen am 22.11.2024.
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