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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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rissen hineingezeichnet. Sie stellten das Marty¬
rium der heiligen Katharina dar. Man konnte
nichts herrlicheres, reiner aufgefaßtes sehen, als
jene Umrisse, die auf Berthold einen ganz
eignen Eindruck machten. Er sah Blitze leuchten
durch die finstre Oede, die ihn umfangen, und
es kam dahin, daß er für Florentins heiteren
Sinn empfänglich wurde, und, da dieser zwar
den Reiz der Natur, in ihr aber beständig
mehr das menschliche Princip mit reger Lebendig¬
keit auffaßte, eben dieses Princip für den Stütz¬
punkt erkannte, an den er sich halten müsse, um
nicht gestaltlos im leeren Raum zu verschwimmen.
Während Florentin irgend eine Gruppe, der
er begegnete, schnell zeichnete, hatte Berthold
des Freundes Mahlerbuch aufgeschlagen, und ver¬
suchte Katharina's wunderholde Gestalt nach¬
zubilden, welches ihm endlich so ziemlich glückte,
wiewol er, so wie in Rom vergebens darnach
strebte, seine Figuren dem Original gleich zu be¬
leben. Er klagte dies dem, wie er glaubte, an

riſſen hineingezeichnet. Sie ſtellten das Marty¬
rium der heiligen Katharina dar. Man konnte
nichts herrlicheres, reiner aufgefaßtes ſehen, als
jene Umriſſe, die auf Berthold einen ganz
eignen Eindruck machten. Er ſah Blitze leuchten
durch die finſtre Oede, die ihn umfangen, und
es kam dahin, daß er fuͤr Florentins heiteren
Sinn empfaͤnglich wurde, und, da dieſer zwar
den Reiz der Natur, in ihr aber beſtaͤndig
mehr das menſchliche Princip mit reger Lebendig¬
keit auffaßte, eben dieſes Princip fuͤr den Stuͤtz¬
punkt erkannte, an den er ſich halten muͤſſe, um
nicht geſtaltlos im leeren Raum zu verſchwimmen.
Waͤhrend Florentin irgend eine Gruppe, der
er begegnete, ſchnell zeichnete, hatte Berthold
des Freundes Mahlerbuch aufgeſchlagen, und ver¬
ſuchte Katharina's wunderholde Geſtalt nach¬
zubilden, welches ihm endlich ſo ziemlich gluͤckte,
wiewol er, ſo wie in Rom vergebens darnach
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[260/0268] riſſen hineingezeichnet. Sie ſtellten das Marty¬ rium der heiligen Katharina dar. Man konnte nichts herrlicheres, reiner aufgefaßtes ſehen, als jene Umriſſe, die auf Berthold einen ganz eignen Eindruck machten. Er ſah Blitze leuchten durch die finſtre Oede, die ihn umfangen, und es kam dahin, daß er fuͤr Florentins heiteren Sinn empfaͤnglich wurde, und, da dieſer zwar den Reiz der Natur, in ihr aber beſtaͤndig mehr das menſchliche Princip mit reger Lebendig¬ keit auffaßte, eben dieſes Princip fuͤr den Stuͤtz¬ punkt erkannte, an den er ſich halten muͤſſe, um nicht geſtaltlos im leeren Raum zu verſchwimmen. Waͤhrend Florentin irgend eine Gruppe, der er begegnete, ſchnell zeichnete, hatte Berthold des Freundes Mahlerbuch aufgeſchlagen, und ver¬ ſuchte Katharina's wunderholde Geſtalt nach¬ zubilden, welches ihm endlich ſo ziemlich gluͤckte, wiewol er, ſo wie in Rom vergebens darnach ſtrebte, ſeine Figuren dem Original gleich zu be¬ leben. Er klagte dies dem, wie er glaubte, an

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/268>, abgerufen am 01.09.2024.