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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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dem Lande, wo die Kunst gedeiht. Endlich war
Tag und Stunde gekommen. Schmerzlich war
der Abschied von den Aeltern, die von düstrer
Ahnung gequält, daß sie mich nicht wieder¬
sehen würden, mich nicht lassen wollten. Selbst
der Vater, sonst ein entschlossener fester Mann,
hatte Mühe, Fassung zu erringen. "Italien --
Italien wirst Du sehen," riefen die Kunstbrüder,
da loderte von tiefer Wehmuth nur stärker
entzündet das Verlangen auf und rasch schritt
ich fort -- vor der Aeltern Hause schien mir die
Bahn des Künstlers zu beginnen. --

Berthold, in jedem Fache der Mahlerei vorbe¬
reitet, hatte sich doch vorzüglich der Landschaftsmah¬
lerei ergeben, die er mit Liebe und Eifer trieb. In
Rom glaubte er reiche Nahrung für diesen Zweig
der Kunst zu finden; es war dem nicht so. Ge¬
rade in dem Kreis der Künstler und Kunstfreunde,
in dem er sich bewegte, wurde ihm unaufhörlich
vorgeredet, daß der Historienmahler allein auf
der höchsten Spitze stehe, und ihm Alles Uebrige

dem Lande, wo die Kunſt gedeiht. Endlich war
Tag und Stunde gekommen. Schmerzlich war
der Abſchied von den Aeltern, die von duͤſtrer
Ahnung gequaͤlt, daß ſie mich nicht wieder¬
ſehen wuͤrden, mich nicht laſſen wollten. Selbſt
der Vater, ſonſt ein entſchloſſener feſter Mann,
hatte Muͤhe, Faſſung zu erringen. „Italien —
Italien wirſt Du ſehen,“ riefen die Kunſtbruͤder,
da loderte von tiefer Wehmuth nur ſtaͤrker
entzuͤndet das Verlangen auf und raſch ſchritt
ich fort — vor der Aeltern Hauſe ſchien mir die
Bahn des Kuͤnſtlers zu beginnen. —

Berthold, in jedem Fache der Mahlerei vorbe¬
reitet, hatte ſich doch vorzuͤglich der Landſchaftsmah¬
lerei ergeben, die er mit Liebe und Eifer trieb. In
Rom glaubte er reiche Nahrung fuͤr dieſen Zweig
der Kunſt zu finden; es war dem nicht ſo. Ge¬
rade in dem Kreis der Kuͤnſtler und Kunſtfreunde,
in dem er ſich bewegte, wurde ihm unaufhoͤrlich
vorgeredet, daß der Hiſtorienmahler allein auf
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[244/0252] dem Lande, wo die Kunſt gedeiht. Endlich war Tag und Stunde gekommen. Schmerzlich war der Abſchied von den Aeltern, die von duͤſtrer Ahnung gequaͤlt, daß ſie mich nicht wieder¬ ſehen wuͤrden, mich nicht laſſen wollten. Selbſt der Vater, ſonſt ein entſchloſſener feſter Mann, hatte Muͤhe, Faſſung zu erringen. „Italien — Italien wirſt Du ſehen,“ riefen die Kunſtbruͤder, da loderte von tiefer Wehmuth nur ſtaͤrker entzuͤndet das Verlangen auf und raſch ſchritt ich fort — vor der Aeltern Hauſe ſchien mir die Bahn des Kuͤnſtlers zu beginnen. — Berthold, in jedem Fache der Mahlerei vorbe¬ reitet, hatte ſich doch vorzuͤglich der Landſchaftsmah¬ lerei ergeben, die er mit Liebe und Eifer trieb. In Rom glaubte er reiche Nahrung fuͤr dieſen Zweig der Kunſt zu finden; es war dem nicht ſo. Ge¬ rade in dem Kreis der Kuͤnſtler und Kunſtfreunde, in dem er ſich bewegte, wurde ihm unaufhoͤrlich vorgeredet, daß der Hiſtorienmahler allein auf der hoͤchſten Spitze ſtehe, und ihm Alles Uebrige

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/252>, abgerufen am 25.11.2024.