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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Schöpfungskraft leitete er aus gewissen Conjunc¬
turen der Eingeweide und des Magens her, und
dabei kramte er noch mehr närrische abnorme
Einfälle aus. Er behauptete z. B. sehr ernst¬
haft, daß jeder Gedanke durch die Begattung
zweier Fäserchen im menschlichen Gehirne erzeugt
würde. Ich begriff, auf welche Weise der Pro¬
fessor mit solchen tollen Dingen den armen Ber¬
thold, der in verzweifelnder Ironie alle günstige
Einwirkung des Höheren anfocht, quälen, und in
die noch blutenden Wunden spitze Dolche einsetzen
mußte. Endlich am Abend gab mir der Pro¬
fessor ein paar beschriebene Bogen mit den Wor¬
ten: "Hier, lieber Enthusiast, ist das Studenten-
Machwerk. Es ist nicht übel geschrieben, aber
höchst sonderbar und wider alle Regel rückt der
Herr Verfasser, ohne es weiter anzudeuten, Reden
des Mahlers wörtlich in der ersten Person ein.
Uebrigens mache ich Ihnen mit dem Aufsatz, über
den ich von Amtswegen verfügen kann, ein Geschenk,
da ich weiß, daß sie kein Schriftsteller sind. Der

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Schoͤpfungskraft leitete er aus gewiſſen Conjunc¬
turen der Eingeweide und des Magens her, und
dabei kramte er noch mehr naͤrriſche abnorme
Einfaͤlle aus. Er behauptete z. B. ſehr ernſt¬
haft, daß jeder Gedanke durch die Begattung
zweier Faͤſerchen im menſchlichen Gehirne erzeugt
wuͤrde. Ich begriff, auf welche Weiſe der Pro¬
feſſor mit ſolchen tollen Dingen den armen Ber¬
thold, der in verzweifelnder Ironie alle guͤnſtige
Einwirkung des Hoͤheren anfocht, quaͤlen, und in
die noch blutenden Wunden ſpitze Dolche einſetzen
mußte. Endlich am Abend gab mir der Pro¬
feſſor ein paar beſchriebene Bogen mit den Wor¬
ten: „Hier, lieber Enthuſiaſt, iſt das Studenten-
Machwerk. Es iſt nicht uͤbel geſchrieben, aber
hoͤchſt ſonderbar und wider alle Regel ruͤckt der
Herr Verfaſſer, ohne es weiter anzudeuten, Reden
des Mahlers woͤrtlich in der erſten Perſon ein.
Uebrigens mache ich Ihnen mit dem Aufſatz, uͤber
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[241/0249] Schoͤpfungskraft leitete er aus gewiſſen Conjunc¬ turen der Eingeweide und des Magens her, und dabei kramte er noch mehr naͤrriſche abnorme Einfaͤlle aus. Er behauptete z. B. ſehr ernſt¬ haft, daß jeder Gedanke durch die Begattung zweier Faͤſerchen im menſchlichen Gehirne erzeugt wuͤrde. Ich begriff, auf welche Weiſe der Pro¬ feſſor mit ſolchen tollen Dingen den armen Ber¬ thold, der in verzweifelnder Ironie alle guͤnſtige Einwirkung des Hoͤheren anfocht, quaͤlen, und in die noch blutenden Wunden ſpitze Dolche einſetzen mußte. Endlich am Abend gab mir der Pro¬ feſſor ein paar beſchriebene Bogen mit den Wor¬ ten: „Hier, lieber Enthuſiaſt, iſt das Studenten- Machwerk. Es iſt nicht uͤbel geſchrieben, aber hoͤchſt ſonderbar und wider alle Regel ruͤckt der Herr Verfaſſer, ohne es weiter anzudeuten, Reden des Mahlers woͤrtlich in der erſten Perſon ein. Uebrigens mache ich Ihnen mit dem Aufſatz, uͤber den ich von Amtswegen verfuͤgen kann, ein Geſchenk, da ich weiß, daß ſie kein Schriftſteller ſind. Der Q

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/249>, abgerufen am 22.11.2024.