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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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sagt, es ist ganz natürlich, daß es drinnen klingt;
denn ich drehe ja die Schraube! -- Indem ich
dies Gebälk richtig aus dem Augenpunkt aufge¬
zeichnet, weiß ich bestimmt, daß es sich dem Be¬
schauer plastisch darstellt -- Numero zwei herauf¬
gereicht, Junge! -- Nun mahle ich es aus in
den regelrecht abgestimmten Farben -- es erscheint
vier Ellen zurücktretend. Das weiß ich alles ge¬
wiß; o! man ist erstaunlich klug -- Wie kommt
es, daß die Gegenstände in der Ferne sich ver¬
kleinern? Die einzige dumme Frage eines Chinesen
könnte selbst den Professor Eytelwein in Ver¬
legenheit setzen; doch könnte er sich mit dem or¬
gelnden Kasten helfen und sprechen, er habe
manchmal an der Schraube gedreht, und immer
dieselbe Wirkung erfahren -- Violett Numero
eins, Junge! -- ein anderes Lineal -- dicken
ausgewaschenen Pinsel! Ach, was ist all' unser
Ringen und Streben nach dem Höheren anderes,
als das unbeholfene bewußtlose Handthieren des
Säuglings, der die Amme verletzt, die ihn wohl¬

ſagt, es iſt ganz natuͤrlich, daß es drinnen klingt;
denn ich drehe ja die Schraube! — Indem ich
dies Gebaͤlk richtig aus dem Augenpunkt aufge¬
zeichnet, weiß ich beſtimmt, daß es ſich dem Be¬
ſchauer plaſtiſch darſtellt — Numero zwei herauf¬
gereicht, Junge! — Nun mahle ich es aus in
den regelrecht abgeſtimmten Farben — es erſcheint
vier Ellen zuruͤcktretend. Das weiß ich alles ge¬
wiß; o! man iſt erſtaunlich klug — Wie kommt
es, daß die Gegenſtaͤnde in der Ferne ſich ver¬
kleinern? Die einzige dumme Frage eines Chineſen
koͤnnte ſelbſt den Profeſſor Eytelwein in Ver¬
legenheit ſetzen; doch koͤnnte er ſich mit dem or¬
gelnden Kaſten helfen und ſprechen, er habe
manchmal an der Schraube gedreht, und immer
dieſelbe Wirkung erfahren — Violett Numero
eins, Junge! — ein anderes Lineal — dicken
ausgewaſchenen Pinſel! Ach, was iſt all' unſer
Ringen und Streben nach dem Hoͤheren anderes,
als das unbeholfene bewußtloſe Handthieren des
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[231/0239] ſagt, es iſt ganz natuͤrlich, daß es drinnen klingt; denn ich drehe ja die Schraube! — Indem ich dies Gebaͤlk richtig aus dem Augenpunkt aufge¬ zeichnet, weiß ich beſtimmt, daß es ſich dem Be¬ ſchauer plaſtiſch darſtellt — Numero zwei herauf¬ gereicht, Junge! — Nun mahle ich es aus in den regelrecht abgeſtimmten Farben — es erſcheint vier Ellen zuruͤcktretend. Das weiß ich alles ge¬ wiß; o! man iſt erſtaunlich klug — Wie kommt es, daß die Gegenſtaͤnde in der Ferne ſich ver¬ kleinern? Die einzige dumme Frage eines Chineſen koͤnnte ſelbſt den Profeſſor Eytelwein in Ver¬ legenheit ſetzen; doch koͤnnte er ſich mit dem or¬ gelnden Kaſten helfen und ſprechen, er habe manchmal an der Schraube gedreht, und immer dieſelbe Wirkung erfahren — Violett Numero eins, Junge! — ein anderes Lineal — dicken ausgewaſchenen Pinſel! Ach, was iſt all' unſer Ringen und Streben nach dem Hoͤheren anderes, als das unbeholfene bewußtloſe Handthieren des Saͤuglings, der die Amme verletzt, die ihn wohl¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/239>, abgerufen am 27.11.2024.