schelte es vor ihnen und sie wurden mit Entsetzen gewahr, daß ein großer leuchtendrother Hahn, ein zackicht Hirschgeweihe auf dem Kopfe tragend, mit ausgebreiteten Flügeln daher schritt, und sie mit menschlichen funkelnden Augen anstarrte. Sie drängten sich in eine Ecke, der Hahn schritt vor¬ über, und ihm folgte eine große Figur im glän¬ zendem goldverbrämten Mantel. So wie die Ge¬ stalten vorüber waren, sagte einer von den Edel¬ leuten leise: Das war der Wunderdoktor Tra¬ bacchio. Alle, nüchtern geworden durch den ent¬ setzlichen Spuk, ermuthigten sich und folgten dem angeblichen Doktor mit dem Hahn, dessen Leuch¬ ten den genommenen Weg zeigte. Sie sahen, wie die Gestalten wirklich auf das Haus des Doktors, das auf einem fernen leeren öden Platze stand, zu¬ schritten. Vor dem Hause angekommen, rauschte der Hahn in die Höhe, und schlug mit den Flügeln an das große Fenster über dem Balkon, das sich klirrend öffnete; die Stimme eines alten Weibes meckerte: "Kommt -- kommt nach Haus -- kommt
ſchelte es vor ihnen und ſie wurden mit Entſetzen gewahr, daß ein großer leuchtendrother Hahn, ein zackicht Hirſchgeweihe auf dem Kopfe tragend, mit ausgebreiteten Fluͤgeln daher ſchritt, und ſie mit menſchlichen funkelnden Augen anſtarrte. Sie draͤngten ſich in eine Ecke, der Hahn ſchritt vor¬ uͤber, und ihm folgte eine große Figur im glaͤn¬ zendem goldverbraͤmten Mantel. So wie die Ge¬ ſtalten voruͤber waren, ſagte einer von den Edel¬ leuten leiſe: Das war der Wunderdoktor Tra¬ bacchio. Alle, nuͤchtern geworden durch den ent¬ ſetzlichen Spuk, ermuthigten ſich und folgten dem angeblichen Doktor mit dem Hahn, deſſen Leuch¬ ten den genommenen Weg zeigte. Sie ſahen, wie die Geſtalten wirklich auf das Haus des Doktors, das auf einem fernen leeren oͤden Platze ſtand, zu¬ ſchritten. Vor dem Hauſe angekommen, rauſchte der Hahn in die Hoͤhe, und ſchlug mit den Fluͤgeln an das große Fenſter uͤber dem Balkon, das ſich klirrend oͤffnete; die Stimme eines alten Weibes meckerte: „Kommt — kommt nach Haus — kommt
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ſchelte es vor ihnen und ſie wurden mit Entſetzen
gewahr, daß ein großer leuchtendrother Hahn,
ein zackicht Hirſchgeweihe auf dem Kopfe tragend,
mit ausgebreiteten Fluͤgeln daher ſchritt, und ſie
mit menſchlichen funkelnden Augen anſtarrte. Sie
draͤngten ſich in eine Ecke, der Hahn ſchritt vor¬
uͤber, und ihm folgte eine große Figur im glaͤn¬
zendem goldverbraͤmten Mantel. So wie die Ge¬
ſtalten voruͤber waren, ſagte einer von den Edel¬
leuten leiſe: Das war der Wunderdoktor Tra¬
bacchio. Alle, nuͤchtern geworden durch den ent¬
ſetzlichen Spuk, ermuthigten ſich und folgten dem
angeblichen Doktor mit dem Hahn, deſſen Leuch¬
ten den genommenen Weg zeigte. Sie ſahen, wie
die Geſtalten wirklich auf das Haus des Doktors,
das auf einem fernen leeren oͤden Platze ſtand, zu¬
ſchritten. Vor dem Hauſe angekommen, rauſchte
der Hahn in die Hoͤhe, und ſchlug mit den Fluͤgeln
an das große Fenſter uͤber dem Balkon, das ſich
klirrend oͤffnete; die Stimme eines alten Weibes
meckerte: „Kommt — kommt nach Haus — kommt
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/188>, abgerufen am 28.11.2024.
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